Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) nimmt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Verfahren "Peterson gegen Google & YouTube“ und "Elsevier Inc. gegen Cyando AG (Uploaded)“ zur Kenntnis. In dem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass "beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts seitens der Betreiber von Internetplattformen grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern rechtswidrig hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Inhalte erfolgt, es sei denn, die Betreiber tragen über die bloße Bereitstellung der Plattformen hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen“. Damit spricht sich der EuGH gegen eine generelle Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken durch die Betreiber von Internetplattformen aus, allerdings nach der Rechtslage vor der europäischen Harmonisierung. Das Gericht hebt jedoch auch hervor, dass eine öffentliche Wiedergabe zu bejahen sei, wenn die Plattform weitere Gesichtspunkte wie ein Kennen oder Kennenmüssen der rechtsverletzenden Inhalte erfülle, an der Auswahl der geschützten Inhalte beteiligt sei oder ein solches Teilen wissentlich fördere.
Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI: "Die von vielen erhofften Klarstellungen seitens des EuGH zur Plattformhaftung sind nach erster Einschätzung leider nur bedingt erfolgt. Besagte Internetplattformen sollten sich auch nach altem Recht nicht auf "technische Neutralität“ und die sogenannten "Safe Harbour“-Bestimmungen der E-Commerce-Richtlinie aus der Frühzeit des Internets berufen können. Auch der EuGH hebt hervor, dass eine Haftung bei Hinzutreten bestimmter Gesichtspunkte zu bejahen sei. Den Dienst Uploaded sieht der EuGH insofern kritisch, da das "gewählte Geschäftsmodell auf der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte“ beruhe und seine Nutzer dazu gegebenenfalls verleiten würden, solche Inhalte zu teilen. Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass Geschäftsmodelle von Sharehosting-Diensten wie Uploaded durch die anonyme Nutzungsmöglichkeit und das von den Betreibern geschaffene Bonussystem zugunsten der Uploader geradezu zwangsläufig zu massenhaften Rechtsverletzungen im Internet führt.“
Drücke weiter dazu: "Die Verfahren betreffen eine wichtige Grundsatzfrage, die den europäischen Gesetzgeber bei der europäischen Urheberrechtsreform vor zwei Jahren im Hinblick auf Dienste wie YouTube geleitet hat und die er für den europäischen digitalen Binnenmarkt entschieden hat. In der Zwischenzeit ist bekanntlich der deutsche Gesetzgeber tätig geworden und hat einen eigenen Weg gewählt, den wir sehr kritisch sehen. Es bleibt nun abzuwarten, wie der Anwendungsbereich von den Gerichten bewertet wird, insbesondere wie der BGH nach der Zurückverweisung in den konkreten Fällen entscheiden wird. Generell lässt sich sagen, dass die von uns im Zuge der Urheberrechtsnovelle erhoffte Rechtssicherheit im Bereich der digitalen Lizenzen, der Lebensader unserer Branche, auf Sicht nicht erzielt wurde.“
Das YouTube-Verfahren befasst sich mit der zentralen Frage, ob besagte "User Uploaded Content“(UUC)-Plattformen einen Akt der öffentlichen Wiedergabe vornehmen. Davon ist auszugehen, wenn der Dienst eine zentrale Rolle bei der Zugänglichmachung geschützter Inhalte spielt. Die Frage nach einer öffentlichen Wiedergabe ist für die Plattformen aus Haftungsgründen relevant. Sie sind für Inhalte verantwortlich und als Täter haftbar, wenn sie in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens Dritten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken gewähren und die Wiedergabe öffentlich erfolgt (EuGH, 14.06.2017, C-610/15, Rn. 34, 36, 45 – Stichting Brein/Ziggo – The Pirate Bay).
Die Betreiber von Sharehoster-Diensten wie Uploaded fördern durch die Ausgestaltung ihres Vergütungssystems das Hochladen urheberrechtsverletzender Inhalte in erheblichem Ausmaß. Ohne das Geschäftsmodell von Uploaded wäre die massenhafte Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte weder möglich noch lukrativ. Während der Speicherplatz kostenlos ist, ist der Download einerseits nur gegen Bezahlung komfortabel nutzbar, und andererseits werden die Nutzer für den massenhaften Download ihrer in den Dienst eingestellten Dateien durch ein Bonussystem vergütet. Die Anonymität der Nutzungsmöglichkeit erhöht dabei die Wahrscheinlichkeit, für Urheberrechtsverletzungen nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Hinsichtlich der Haftung solcher Dienste hat der EuGH nun weitere Klarstellungen vorgenommen, die vom BGH nach Zurückverweisung im konkreten Fall zu entscheiden sein werden. Die beiden Verfahren (Az. I ZR 140/15 und Az. I ZR 53/17) waren dem EuGH vom Bundesgerichtshof zur Vorabentscheidung in Fragen der Haftung von Internetplattformen vorgelegt worden. Auch hinsichtlich der Anwendung der jüngst verabschiedeten Urheberrechtsnovelle (Pressemeldung 20.05.2021) wird die EuGH-Entscheidung Auswirkungen haben.