Die diesjährige Gedenkstunde im Deutschen Bundestag, live übertragen von ARD 13.30 – 14.30 Uhr, erinnert im Besonderen an die Opfer des 1941 von deutscher Seite begonnenen Angriffs- und Vernichtungskrieges im Osten, für den vor allem die sogenannte „Operation Barbarossa“ ein Inbegriff geworden ist.
Aufgrund der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Corona-Situation im Spätherbst und den damit verbundenen möglichen Auflagen, soll eine für den Bundestag im Rahmen der Gedenkstunde zum Volkstrauertag 2021 vorgesehene Präsentation des Landesjugendchores Thüringen vorab aufgezeichnet werden am kommenden Wochenende 15.-17. Oktober.
Als dieser Aufzeichnungsort konnte mit dem Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen ein „kultureller Gedächtnisort“ (KGO) gewonnen werden, der das Land Thüringen, das mit dem 1. November 2021 die Bundesratspräsidentschaft übernehmen wird, in besonderer Weise repräsentiert. Die Region um den Kyffhäuser mit dem wilhelminischen Barbarossa-Denkmal und Werner Tübkes eindrucksvollem Gemälde über den Bauernkrieg spiegelt in einzigartiger Weise deutsche Geschichte, aber auch verhängnisvolles Geschichtsverständnis wider.
Das monumentale Kunstwerk, das auch „Sixtina des Nordens“ genannt wird, bezeichnet Eduard Beaucamp (FAZ, 2004) als „eine historische Parabel menschlicher Irrungen und Wirrungen mit Durchblick auf gesellschaftliche Unruhen, Umbrüche und Glaubenskämpfe der Moderne“. Dem Kunstwerk gelingt in eindrucksvoller Weise als ein „theatrum mundi“ eine Auseinandersetzung mit kriegsbedingten gesellschaftlichen Verwerfungen, die weit über das dargestellte Sujet im 16. Jahrhundert hinausgehen.
In diesem Panorama-Gemälde werden Kompositionen aus dem 30-jährigen Krieg (Heinrich Schütz: Verleih uns Frieden gnädiglich / Gib unsern Fürsten), dem 2. Weltkrieg (Pau Casals: O vos omnes) und der DDR-Zeit (Manfred Schlenker: Bonhoeffer-Motette) aufgeführt und damit Ton, Text und Bild (Thomas Kutschker, Kamera) miteinander verschränkt und in Kontext gesetzt werden.
In dieser Weise entsteht ein audiovisueller Gedenkraum, der in eindringlicher Weise historische Entfernungen für eine heutige Generation zu überbrücken vermag.
Landesjugendchor Thüringen
Künstlerische Leitung: Nikolaus Müller
Projektleitung: Christoph Caesar
Partner und Geldgeber für die Viedoaufzeichnung sind:
- Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
- Thüringer Staatskanzlei
- Landesmusikrat Thüringen e.V.
- Panorama-Museum Bad Frankenhausen (https://www.panorama-museum.de)
Repertoire:
Pau Casals: O vos omnes (1942)
Heinrich Schütz: Verleih uns Frieden gnädiglich / Gib unsern Fürsten (1648)
Manfred Schlenker: „Tat“ (1989)
Texte und Anmerkungen
Pau Casals (1876-1973)
O vos omnes (1942) [Klagelieder Jeremiae 1, 12 u. 18]
für vierstimmigen gemischten Chor
Casals ist 1938 den Franco-Regime entflohen in die französischen Pyrenäen, wo er auch den Beginn des 2. Weltkrieges und die Invasion der Deutschen 1942 miterlebt hat. Er wurde aufgefordert vor Hitler zu spielen, weigerte sich und fasste den Entschluss damals, den Rest seines Lebens dem Frieden zu widmen.
Heinrich Schütz (1585-1672)
aus Geistliche Chormusik 1648
Schütz stellte die Sammlung von 29 Motetten, die sowohl frühere als auch neue Kompositionen enthält, am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648, zusammen. Der originale Titel lautet Geistliche Chor-Music, Erster Theil. Schütz widmete die Sammlung Leipzig, wobei er im Widmungsschreiben den Bürgermeister und Rat adressierte und den Chor (heutiger Thomanerchor) hervorhob. Es ist das erste Werk, das Schütz nicht Hof oder Adel widmete.
Verleih uns Frieden gnädiglich (SWV 372) – 2:05
für fünfstimmigen gemischten Chor
[Martin Luther (1483-1546), 1529 - in Nachdichtung der gregorianischen Antiphon Da pacem]
Gib unsern Fürsten und aller Obrigkeit (SWV 373) – 1:55
für fünfstimmigen gemischten Chor
[Johann Walter (1496-1570), 1566]
Manfred Schlenker (*1926)
aus Bonhoeffer-Motette (1989)
Nr. 5 „Tat“ [aus Dietrich Bonhoeffer (1906-1945): „Stationen auf dem Wege zur Freiheit“, 1944]
für sechsstimmigen gemischten Chor
Manfred Schlenker komponierte die Motette nach Texten von Dietrich Bonhoeffer zum 50-jährigen Bestehen der Kirchenmusikschule Greifswald 1989. Bonhoeffer schrieb das Gedicht „Stationen auf dem Wege zur Freiheit“ am Abend des 21. Juli 1944 in der Zelle des Militärgefängnisses Berlin-Tegel, nachdem er die Nachricht vom Fehlschlag des Attentates auf Adolf Hitler am 20. Juli erhalten hatte. Er selbst bezeichnete die Verse als „Rohbau“.