Musik Installationen Nürnberg ist ein viertägiges, internationales Festival für Musik als performative Raumkunst: Vom 7.–10. Juli 2022 werden acht verschiedene Orte der Stadt mit musikalischen Installationen bespielt, die angekündigt, spontan oder rund um die Uhr stattfinden und die Präsenz und teilweise Partizipation des Publikums in den Mittelpunkt rücken. Durch die Interaktion von Klängen, Künstler:innen und Besucher:innen entstehen musikalisch-performative Situationen jenseits des Konzerts, die den Raum als zentrales musikalisches Erfahrungsmoment aufwerten. Das Festivalzentrum im Musikverein in der Kantine Nürnberg dient während des Festivals als Anlaufpunkt für die Gäste und interessierte Bürger:innen sowie diskursiven Formaten.
Musik Installationen Nürnberg positioniert sich in einemnoch unerschlossenen Zwischenfeld der darstellenden Künste: die Werke funktionieren in ähnlicher Zeitlichkeit wie Klangkunst, jedoch mit den lebendigen Körpern der Musiker*innen; in ähnlicher Intermedialität wie die Oper, jedoch ohne deren narrative Dramaturgie; in ähnlicher Hingabe an das Akustische wie ein Konzert, jedoch ohne dessen segmentierende Zeitpolitik und Bühnensituation.
Die teilnehmenden Kunstschaffenden kommen aus den Sparten Musik, Tanz, bildende Kunst, Musiktheater und Schauspiel. Die musikalischen Genres reichen vom klassischen Instrumentarium bis hin zu Elektro- und Popmusik mit experimentellen Ansätzen. Das Publikum ist während der vier Festivaltage eingeladen, sich frei und individuell zwischen den einzelnen Installationen in der Stadt zu bewegen und dabei die verschiedenen Arbeiten und ihren Kontext in Nürnberg kennenzulernen.
Künstler:innen und Orte
Wojtek Blecharz & Vala T. Foltyn, verschiedene Orte auf dem Ehem. Reichsparteitagsgelände
"I once saw a falling star" ist ein mehrstündiges Klangritual des Komponisten Wojtek Blecharz und der Performance-Künstlerin Vala T. Foltyn. Auf Grundlage eines Archivs von Krakower NS-Widerstandskämpferinnen erforschen sie im Kontext des Reichsparteitagsgeländes, wie Territorien der Gewalt durch queere und spirituelle Gesten umcodiert werden können.
Benjamin van Bebber und Leo Hofmann im Borgo Ensemble
Das Borgo Ensemble ist ein Kulturforum, in dem Experimentieren, Gemeinschaftsarbeit und Austausch im Mittelpunkt stehen. Benjamin van Bebber und Leo Hofmann werden für die Zeit des Festivals gemeinsam mit dem Tanz/Musiker-Duo Jonathan Burrows + Matteo Fargion sowie der Musikerin Francesca Fargion aus London in den Räumen des Borgo wohnen, arbeiten und Gäste empfangen: In wohnlichem Ambiente mit Küche, Bibliothek und Galerie erfinden sie Rituale musikalischer Gastfreund:innenschaft, kochen, singen und servieren Tee.
DAF - Dynamisch Akustische Forschung im Kohlenhof
Mit einer Klanginstallation aus dynamischen Lautsprecherobjekten eignet sich die DAF (Dynamisch Akustische Forschung) ein leerstehendes Gebäude und auch den öffentlichen Raum an. Innerhalb der Installation finden Konzerte und Performances statt, die kollaborativ den Raum aktivieren und eine Landschaft aus Klang, Bild und Bewegung erzeugen.
Nile Koetting im SB –Space Between, S-Bahn-Station Nürnberg-Steinbühl
Für SB –space between am S-Bahnhof Steinbühl entwickelt Nile Koetting mit Komponist:innen, Künstler:innen und Datenanalyst:innen ein audiovisuell-sensorisches Szenario: Inmitten dieses rein funktionalen Transitortes, der gezeichnet ist von Verkehrslärm und der täglichen Hektik vieler Menschen, wird ein Ort der Ruhe, des Innehaltens und der Kontemplation geschaffen – auch im Modus des Overnight.
Heinrich Horwitz & Decoder Ensemble im Z-Bau
In ihrer genreübergreifenden Performance begeben sich Heinrich Horwitz, Choreograph:in und Schauspieler:in aus Berlin, und das Hamburger Decoder Ensemble in künstlerische Zwischenwelten, bestimmt von historischen Halbwesen und musikalischen Cyborgs. Die Künstler*innen nutzen die Stadt und die Konzertbühne des Z-Baus als Plattform, um die Geschichte Nürnbergs zu verqueeren: Ein Autokorso lockt in den Garten des Z-Baus, einem magischen Ort für Konzerte und Clubnächte, in dem die „Summertime“ pompös erstrahlt.
Göksu Kunak & Astrit Ismaili im Neues Museum Nürnberg
Göksu Kunak und Astrit Ismaili werden im Neuen Museum eine zweite Ebene hinter dem Foyer bespielen: Astrit Ismaili war in den 90ern Kinderpopstar im Kosovo. Göksu Kunak verbrachte die 90er-Jahre in der Türkei. Zusammen lassen sie den Kunstraum zu einem rohen Performance-Space werden, in dem sie anhand von Popsongs aus dem Kosovo und der Türkei untersuchen, wie Popmusik die soziopolitischen Veränderungen in ihren Heimatländern zwischen den 1980er und 2000er Jahren verarbeitete.
Lester St. Louis in der St.-Egidien-Kirche
Der New Yorker Improvisationskünstler Lester St. Louis und acht weitere Künstler*innen werden eine einen fluiden Performanceraum kreieren, der von den Künstler*innen über viele Stunden hinweg in Bewegung gehalten wird. So ändert sich die Wahrnehmung für die Besucher:innen kontinuerlich – von immersiv bis hin zu meditativ.
Creamcake im Heizhaus
Mit „Collective Intimacy / Stains of Time“lädt das Berliner Kollektiv Creamcake die Künstler*innen Ewa Poniatowska, Steve Katona, bod [包家巷] und Lauryn Youden ein, mit eigenständigen Positionen eine raue Ambient-Party und ein diskursives Labyrinth im ehemaligen Heizhaus von Quelle zuentwerfen: ein dynamisches Raumkonzept aus ständiger musikalischer Bewegung mit Gesang, Performance und Installation.
Diskursprogramm
Parallel zu den acht Musikinstallationen findet im Festivalzentrum ein Diskursprogramm statt, das Raum bietet, um die Ästhetiken, Formen und Formate der einzelnen Produktionen zu diskutieren. Dabei wird insbesondere auf die Fragestellungen von Raum, Zeit und Körperlichkeit in Bezug auf westliche und nicht-westliche Spätmodernen eingegangen. Eingeladene Gäste: Isabel Lewis, Adham Hafez, Christoph Haffter
Programmkalender
Das gesamte Programm inklusive Hörbeispiele und Google-Map ist auf der Website der Musik Installationen Nürnberg einsehbar. Tickets können über das Buchungsportal Reservix erworben werden.
Über die Initiatoren
Gegründet und geleitet wird Musik Installationen Nürnberg von dem Herausgeber und Kuratoren Bastian Zimmermann sowie dem Komponisten und Kurator Laure M. Hiendl. Zimmermann gibt die Zeitschrift „Positionen – Texte zur aktuellen Musik“ heraus und arbeitet seit vielen Jahren als Dramaturg für verschiedenste Musiktheater- und Performance-Produktionen. Seit 2018 kuratiert er die Reihe „Music for Hotel Bars“, die in Berlin startete und seither in weiteren Städten umgesetzt wurde. Hiendls Arbeit als Komponist und Performer bewegt sich in den Zwischenbereichen von Konzert, Performance, Musiktheater und Installation. Hiendl promovierte bei George Lewis an der Columbia University in New York und ist Assistenzprofessor für Komposition an der Universität Mozarteum Salzburg.