Der Pianist und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov, Professor für die Geschichte der jüdischen Musik an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit verfolgten und vergessenen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Eine seiner bedeutendsten Entdeckungen ist das Werk des Thüringer deutsch-jüdischen Komponisten Hans Heller (1898-1969), der in Greiz geboren wurde und dort seine Jugend verbrachte. Seine Manuskripte sichtete Nemtsov 2018 im Archiv der Berliner Akademie der Künste. Darunter waren auch einige großformatige Werke von erstaunlich hoher Qualität und beeindruckender Originalität, die weder gedruckt noch je aufgeführt wurden.
Der vorläufige Höhepunkt von Nemtsovs Bemühungen, die Musik Hans Hellers wiederzubeleben, ist die Uraufführung von dessen „Requiem für den unbekannten Verfolgten“ für gemischten Chor und großes Orchester am Donnerstag, 23. September 2021 um 19:30 Uhr im Dom St. Marien zu Erfurt im Rahmen der ACHAVA Festspiele Thüringen. Dieses Werk kann mit dem ‚War Requiem‘ von Benjamin Britten oder dem ‚Polnischen Requiem‘ von Krzysztof Penderecki verglichen werden“, sagt Prof. Dr. Jascha Nemtsov, der sich auf die Uraufführung mit dem MDR-Rundfunkchor und dem MDR-Sinfonieorchester unter Dennis Russell Davies freut. Das Konzert wird auf MDR Klassik live übertragen.
Am Vorabend der Uraufführung, am Mittwoch, 22. September, findet um 19:00 Uhr in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein Hans Heller gewidmetes Gesprächskonzert statt, bei dem Jascha Nemtsov einige seiner Klavierwerke spielen wird. Bereits am 10. September wurden an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Verfolgte Musiker im NS-Thüringen. Eine Spurensuche II“ im Festsaal des Fürstenhauses zwei Vokalkompositionen von Hans Heller aus den späten 1930er Jahren uraufgeführt.
Vor seiner Flucht nach Frankreich 1933 gehörte Hans Heller als vielversprechender junger Komponist zum Berliner Musikerkreis um Franz Schreker. Nach der Besetzung Frankreichs wurde Heller zunächst in ein Internierungslager gebracht und musste später schwerste Zwangsarbeit in der sogenannten Organisation Todt leisten. Einen Tag vor der geplanten Deportation nach Auschwitz konnte er fliehen und wurde dann von Mitgliedern der Résistance versteckt. Sein Versuch, nach dem Krieg in den USA eine neue Existenz aufzubauen, misslang. Mitte der 1950er Jahre kehrte er nach Deutschland zurück, wo er ebenfalls kaum beachtet wurde.