Er war einer der bedeutendsten und produktivsten Komponisten des 16. Jahrhunderts und machte München erstmals zum Zentrum der Musik: Orlando di Lasso, dessen rund 1.350 Werke nun komplett ediert in 47 Bänden vorliegen. Auch eine Datenbank mit Lassos Handschriften ging vor kurzem online. Den Abschluss des Mammutwerkes begeht die Bayerische Akademie der Wissenschaften am 4./5. November mit einem Fachsymposium sowie einem Konzert der Singphoniker. Akademiepräsident Thomas O. Höllmann betont die internationale Reichweite des Hofkapellmeisters: „Orlando di Lasso war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Leiter der Münchner Hofkapelle. Seine Werke wurden aber auch in den wichtigsten Zentren Europas aufgeführt. Er war Kosmopolit im besten Sinne des Wortes.“

Kulturelles Erbe sichern

Orlando di Lasso war ein überdurchschnittlich produktiver Komponist: Mehr als 1.350 Werke sind von ihm überliefert. Er bediente alle zeitgenössischen geistlichen wie weltlichen Gattungen, komponierte Motetten, Madrigale, Chansons, deutsche Lieder, Messen, Magnificat, Hymnen, Zyklen wie die Bußpsalmen. Alle Werke versammelt nun erstmals die Orlando di Lasso-Gesamtausgabe in 47 Bänden. Sie dient der wissenschaftlichen Sicherung und Dokumentation europäischen Kulturgutes von herausragender Bedeutung und ist zudem eng mit München und der Geschichte Münchens verbunden. Das Notenmaterial wurde auf der Basis aller heute bekannten gedruckten sowie wichtiger handschriftlicher Quellen kritisch ediert und als Vorhaben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen des Akademienprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und vom Freistaat Bayern gefördert.

Von der Grundlagenforschung in die Aufführungspraxis

Die Arbeit der Musikwissenschaftler dient jedoch keineswegs nur Fachleuten, wie Herausgeber Bernhold Schmid betont. Während der Editionsarbeit stand gerade auch der Transfer in die Praxis immer wieder im Fokus der Aufmerksamkeit. So berieten die Projektmitarbeiter bei Neuaufnahmen von Lassos Werken, sprachen Einführungen bei Konzerten und verfassten Beihefte zu CDs. Auch in die universitäre Lehre brachten sie ihre Expertise über Orlando di Lasso und die musikwissenschaftliche Editionsarbeit ein.

Produktiver Hofkapellmeister: Orlando di Lasso

Der in München tätige Orlando di Lasso (1530/32–1594) ist der wohl bedeutendste, jedenfalls der erfolgreichste und berühmteste Komponist der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sein Werk, das zu Lebzeiten und noch lange danach in Drucken und Handschriften sehr weit verbreitet war, gehört heute zum Repertoire zahlreicher Vokalensembles, die sich mit Musik der Renaissance beschäftigen. Lasso zählt zu den am meisten aufgenommenen Komponisten der älteren Musikgeschichte, zahlreiche Tonträger zeugen von der Vielgestaltigkeit seines Œuvres. Immer wieder überschritt er die satztechnischen Grenzen der Gattungen. Gerade auf diese Weise trieb er die Internationalisierung des Stiles vor 1600 voran. Gerühmt wurde und wird Lasso für seine musikalische Ausdeutung der vertonten Texte. Nicht nur in diesem Zusammenhang wird immer wieder auf die Extravaganz seiner kompositorischen Schreibart verwiesen.

BAdW-Podcast: Lassos bewegtes Leben

Bevor Orlando di Lasso 1556 nach München kam, hatte er bereits ein bewegtes Leben hinter sich: So wurde der junge Chorknabe Orlando aufgrund seiner ausnehmend schönen Singstimme insgesamt dreimal entführt – nachdem seine Eltern ihn zweimal zurückgeholt hatten, blieb der jugendliche Orlando bei seinem dritten Entführer. Wieso das damals gängige Praxis war, wohin ihn sein weiterer Weg führte und welcher profane Grund ihn schließlich nach München brachte, erzählt Dr. Bernhold Schmid im Podcast. Auch die ausführliche Geschichte der Gesamtausgabe und die Frage, wie musikhistorische Grundlagenforschung, Quellen- und Editionsarbeit eigentlich funktionieren, beleuchtet ein neuer Podcast.

Gesamtausgabe Orlando di Lassos:

Orlando di Lasso, Sämtliche Werke, hg. v. H. Leuchtmann, B. Schmid u. a., 21 Bde., 2., nach den Quellen revidierte Aufl., Wiesbaden 1962–2021.

Sämtliche Werke, Neue Reihe, hg. v. P. Bergquist, W. Boetticher, J. Erb, S. Hermelink u. a., 26 Bde., Kassel 1956–95.

Datenbank: www.lasso.badw.de/lasso-digital

Fachtagung: Orlando di Lasso - Der Münchner Hofkapellmeister und die Gesamtausgabe seiner Werke

04. November 2021  –  05. November 2021

Bayerische Akademie der Wissenschaften

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