Jüdisches Kulturerbe neu denken: In den kommenden sechs Jahren koordiniert das Europäische Zentrum für Jüdische Musik an der Hochschule für Musik Theater und Medien Hannover das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtete Schwerpunktprogramm „Jüdisches Kulturerbe“. Zum Start der ersten Förderphase findet am 5. Juli eine Auftaktveranstaltung in der Villa Seligmann statt: Zwischen 10 und 15 Uhr stellen Forschende unterschiedlichster Disziplinen die zugehörigen Forschungsprojekte vor.
Seit den 1980er-Jahren wächst das gesellschaftliche und politische Interesse am Kulturerbe von Jüdinnen und Juden in Europa stetig, dabei jedoch oftmals mit konkurrierenden Interessen. Das Schwerpunktprogramm „Jüdisches Kulturerbe“ hat sich vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt, die diversen Auffassungen von jüdischem Erbe interdisziplinär zu untersuchen. Insbesondere kulturelle, soziale, politische und religiöse Perspektiven auf das Erbe und dessen Konstruktion stehen im Fokus des Programms: Wer hat wie und zu welcher Zeit jüdisches Kulturerbe erforscht? Wie und für was wird das kulturelle Erbe von verschiedenen Interessengruppen genutzt? Welche Strategien können entwickelt werden, um die jüdische Gemeinschaft mehr in die Patrimonialisierung ihres Erbes – den gesellschaftlichen und politischen Prozessen der Kulturerbewerdung – einzubinden?
Der Schwerpunkt der ersten Förderphase (2022-2025) liegt auf einer theoretischen Auseinandersetzung: Elf Teilprojekte werden die sich wandelnden Verständnisse im Umgang mit jüdischem Kulturerbe im europäischen Vergleich erforschen. In der anschließenden zweiten Förderphase (2025-2028) werden die Erkenntnisse und Theorien erprobt und praktisch vertieft. Die Ergebnisse werden auch auf der Website des Schwerpunktprogramms veröffentlicht.
Nicht nur die Objekte und materiellen Manifestationen jüdischen Kulturerbes sollen erforscht werden, ebenso wird intellektuelles sowie immaterielles, sprich gelebtes kulturelles Erbe mit einbezogen. Die Bandbreite der teilnehmenden Forschungsbereiche ist dementsprechend vielfältig: Sie reichen von queeren Perspektiven auf jüdisches Kulturerbe und einer Betrachtung seitens der (empirischen) Kulturwissenschaften/-anthropologie über Musik- und Filmwissenschaft, Architektur, (Kunst-)Geschichte und Jüdische Studien bis hin zu den Critical Heritage Studies.