Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 13. Oktober den Referentenentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts veröffentlicht. Es handelt sich um die größte Urheberrechts-Reform seit zwei Jahrzehnten, die zugleich dazu dient, das Urheberrecht an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes in der Europäischen Union anzupassen.
Für Urheber und Urheberinnen, Künstlerinnen und Künstler hat diese Anpassung existenzielle Bedeutung, sahen sie sich in den vergangenen Jahren doch zunehmend durch international tätige Internetplattformen von den Erlösen ihrer Arbeit abgeschnitten. In dieser Situation gab eine neue Richtlinie der Europäischen Union Hoffnung, die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Das darauf hin entstandene Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts hat der Landesmusikrat NRW erfreut begrüßt. Insbesondere schätzten wir die praxisnahen Vorschläge und den Beitrag zu einer Versachlichung der Debatte. Manche Konkretisierung konnte man da noch allenfalls erraten.

Nun liegt der Referentenentwurf vor und führt bei den Urheberinnen und Urhebern sowie ausübenden Künstlerinnen und Künstlern zu deutlicher Kritik. Ihre Interessenvertreter wie zum Beispiel Initiativen, Verwertungsgesellschaften und Verbände, darunter auch der Landesmusikrat NRW, fordern, dass diese Akteure im Entwurf gleich benannt und angemessen behandelt werden.

Wir weisen darauf hin, dass die Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes neben Anpassungen des Urheberrechtsgesetzes auch das Entstehen eines völlig neuen Urheberrechts-Dienstanbieter-Gesetzes bedeutet.

  • Der Landesmusikrat NRW begrüßt, dass künftig die Plattformbetreiber in die Verantwortung für geschützte Inhalte genommen werden und Lizenzverträge abschließen müssen. Bislang hatte die Rechtslage die Verantwortung bei den Nutzerinnen und Nutzern der Plattformen gesehen, die geschützte Inhalte dort einstellen. Dies ist ein wesentlicher Schritt zur Wiederherstellung eines Markts für kulturelle Güter im digitalen Bereich. Denn das Gesetz stellt "User-generated content“-Plattformen mit anderen Plattformen gleich. Damit sehen wir das von vielen geforderte "Level Playing Field“ am Horizont.
  • Der Landesmusikrat begrüßt, dass Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler einen Anspruch auf Direktvergütung haben werden. Dies sichert ihnen einen angemessenen Anteil an den Gewinnen der Plattformen, ohne dass Verwerter zwischengeschaltet werden müssen. Um das zu gewährleisten, muss der Gesetzgeber den Anspruch durchsetzbar machen und eine AGB-basierte Einschränkung des Anspruchs verhindern. Dies muss im Gesetzt ausdrücklich stehen. Positiv ist, dass Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler nicht mehr Verträge mit Verwertern abschließen müssen, die verhindern, dass die Erlöse von den Plattformen über die Verwerter an die Urheberinnen und Urheber sowie ausübenden Künstlerinnen und Künstler fließen.
  • Auch sieht der Landesmusikrat die Festlegung fester Beteiligungssätze für Urheberinnen und Urheber sowie ausübenden Künstlerinnen und Künstler beim Presse-leistungsschutzrecht (ein Drittel) und bei der Verlegerbeteiligung (zwei Drittel) als positiv an, beispielsweise für den Kulturjournalismus.
  • Die Auskunftspflicht und das Gebot von Transparenz im Urheberrecht sieht der Landesmusikrat NRW ebenfalls positiv. Wir sind dafür, diese zu einem grundsätzlichen Anspruch zu erheben und nicht in einzelnen Gesetzen und Bestimmungen auszudifferenzieren.
  • Die Auflistung der nicht erfassten Dienste (§ 3 des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes) empfinden wir als wertvollen Beitrag zur Rechtssicherheit.

Kritik und Forderungen

  • Der Landesmusikrat NRW unterstreicht das Recht der Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler auf Auskunft und faire Vergütung für Nutzungen in Lizenzketten. Die erforderliche Technik, die erforderlichen Daten zu liefern, steht zur Verfügung. Der Referentenentwurf ermöglicht es aber, diese Auskunft nicht zu geben. §20 des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes entwertet die Grundlage aus dem Urheberrechtsgesetz und entbindet die Anbieter von der Auskunftspflicht. Wir treten hingegen für die Auskunftspflicht ein.
  • Der Landesmusikrat NRW fordert (wie die Initiative Urheberrecht) Regelungen, die das kollektive Urhebervertragsrecht so ausbauen, dass Zusammenschlüsse von ausübenden Künstlerinnen, Künstlern, Urheberinnen und Urhebern die Interessen ihrer Mitglieder durchsetzen können, ohne negative Folgen zu riskieren. Kollektive Interessenswahrnehmung muss im Gesetz berücksichtigt und Verbandsklagen müssen möglich sein.
  • Der in Deutschland nicht gebräuchliche und rechtlich nicht definierte Begriff des Pastiche sollte nicht als eigenständige Schranke im Urheberrechtsgesetz eingeführt werden (s.o. zu § 51a UrhG). Der Landesmusikrat lehnt auch ein Recht auf lizenzfreien Remix durch Einführung des Begriffs des Pastiche oder einer ähnlichen Formulierung ab.
  • Der Landesmusikrat NRW kritisiert die Schrankenregeln und damit das Tor, durch welches gesetzlich erlaubte Nutzungen von geschützten Inhalten zu nicht-kommerziellen Zwecken ohne Lizensierung möglich werden. Die Plattformen haben in diesen Fällen lediglich eine pauschale Vergütung zu leisten. Die Begrenzung des Ausmaßes dieser Nutzung macht diesen Nachteil für die Urheber nicht erträglich. Denn letztlich ist damit doch der Zugriff auf geschützte Werke genehmigungsfrei möglich.
    Die vorgesehene Nutzung im Umfang von bis zu 20 Sekunden je Film, je Laufbild oder je Tonspur, bis zu 1.000 Zeichen eines Texts oder bis zu 250 kB für Fotos und Grafiken bedeutet eine nicht hinnehmbare Aneignung geschützter Inhalte.
    In 20 Sekunden eines musikalischen Werks können die prägenden Melodien, Haupt- und Nebenthemen, charakteristische Instrumentationen und Sounds sowie alle Klangeffekte enthalten sein. Und in der gegenwärtigen medialen Welt bedeuten 20 Sekunden eine wesentliche Zeitdauer physiologischer Wahrnehmung und Konsums. Plattformen wie TikTok profitieren gerade von solchen massenhaft hochgeladenen Kurzinhalten. Wir lehnen jedes Recht auf Remix (und das Pasticcio) ab, wir lehnen den rechtlich unbestimmten Begriff des Pastiches oder ähnliche Formulierungen ab und wir sind gegen jede Schranke, die die Vereinnahmung von kompletten Werken zulässt.
  • Der Landesmusikrat NRW kritisiert, dass das Bearbeitungsrecht gelockert wird. Der vorgesehene § 23 (1) des Urheberrechtsgesetzes schränkt die Definition der Bearbeitung ein. Die Schöpfungshöhe und Individualität werden unzumutbar entwertet. Der Bearbeiter muss lediglich "Abstand zum benutzten Werk wahren“ – schon ist es sein eigenes Werk und keine Bearbeitung mehr. Diese Möglichkeit muss gestrichen werden.

Der Landesmusikrat NRW fordert eine gründliche Überarbeitung des Referentenentwurfs zugunsten der ausübenden Künstlerinnen und Künstler, Urheberinnen und Urheber wie auch ihrer Verwerterinnen und Verwerter sowie eine engere Orientierung an den Absichten der Richtlinie der Europäischen Union. In der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Urheberrechtslinie der Europäischen Union heißt es: "Artikel17 verfolgt das Ziel, die Nutzung von geschützten Inhalten auf Upload-Plattformen zu monetarisieren und eine angemessene und faire Vergütung der Künstlerinnen und Künstler, der Urheberinnen und Urheber sicherzustellen. Dieses Ziel teilt die Bundesregierung“ und dies sollte auch die nationale Umsetzung der Urheberrechts-Richtlinie prägen.

Düsseldorf, 6. November 2020
Reinhard Knoll, Präsident des Landesmusikrats NRW
Matthias Hornschuh, Vizepräsident und Vorsitzender der AG Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft im Landesmusikrat NRW

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