Lager bei Breitkopf & Härtel, Mozart
Lager bei Breitkopf & Härtel  
Photo:  Breitkopf & Härtel

Für die Musikverlage ist der klassische Notendruck schon längst nicht mehr die einzige Einnahmequelle. Erlöse kommen heute auch aus den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften, aus Lizenzen, dem Sync-Geschäft und sogar dem Künstlermanagement.

Die Tätigkeit von Musikverlagen ist geprägt von zwei wesentlichen Faktoren. Zum einen ist dies die Beziehung der beiden Wertesysteme Wirtschaft und Kultur, zum anderen der stetige Medienwandel. Der dem Verlagswesen immanente Dualismus zwischen Wirtschaft und Kultur ist gekennzeichnet von dem immerwährenden Versuch, die schöpferisch Tätigen mit den Mitteln zu versehen, die eine angemessene Vergütung der Verwertung ihrer Musikwerke gestatten, und zugleich eine Entfaltung musikalischer Kunst frei von wirtschaftlichen Zwängen zu gewährleisten. Die ständige Verfügbarkeit von Musik hat sich mittlerweile auch auf die verlagliche Ebene durchgeschlagen. Die globalisierte Welt stellt die Musikverlage vor neue Herausforderungen und gibt neue Spielregeln mit Chancen und Risiken gerade im Online-Bereich auf. War es vor einigen Jahren noch das gedruckte Notenblatt, das für die Verlage der ernsten Musik das Haupt­medium ihres Schaffens darstellte, bieten sie heute daneben auch elektronische Ausgaben an. Für die Verlage der Unterhaltungsmusik lassen sich ähnliche Umbrüche feststellen. War bei ihnen das Verlagsrecht an der Komposition hauptsächlich durch die Medien Radio, Fernsehen und Tonträger wiedergegeben, so stellt sich heute der Streaming-Bereich als das am stärksten wachsende Segment dar.

Definition

Oft werden Musikverlage und Musiklabels verwechselt. Durch eine genaue Beschreibung lassen sich der reine Musikalienhändler und das Musiklabel von einem Musikverlag abgrenzen und dadurch die neuere Geschichte der Musikverlage und ihre Aufgaben nebst Zukunft nachzeichnen.

Ursprünglich war ein Musikverlag ausschließlich für die Vervielfältigung und Verbreitung von gedruckten Notenausgaben seiner Urheber an Orchester und andere Käufer wie Musikalienhändler zuständig. Nach der Erfindung des Notendrucks im 15. Jahrhundert als Beginn und Voraussetzung des Musikverlagswesens setzte sich Ende des 18. Jahrhunderts insbesondere auch durch die Aktivitäten der Verleger in Europa die Lehre vom Verlagseigentum durch, auf der die Idee vom Urheberrecht als geistigem Eigentum fußte. Durch das Aufkommen neuer Einzelmedien und musikkulturelle Entwicklungen im 20. Jahrhundert wandelte sich die Musikverlagstätigkeit. Waren die Verlage mit ihren Noten zunächst unverzichtbare Materiallieferanten für öffentliche Aufführungen und Hausmusik gewesen, verloren sie mit Erfindung der Medien Tonträger, Hörfunk und Fernsehen ihre Bedeutung. Viele Musikverlage wandten sich von dem rückläufigen Notengeschäft ab und konzentrierten sich auf die Auswertung der Nebenrechte, insbesondere der Aufführungs-, Sende- und mechanischen Rechte. Vor allem die sogenannten U‑Musikverlage haben heute kaum noch etwas mit dem Notenvertrieb und der ursprünglichen Anbindung an das druckende Verlagsgewerbe gemeinsam.

Immer mehr Urheber*innen sind zugleich auch die Interpreten ihres Werks. Der Schöpfungsprozess findet mithin nicht selten bei der gleichzeitigen Tonaufnahme statt [1], sodass es die Musikverlage oft mit Interpret*innen zu tun haben. Durch diese teilweise Verflechtung mit den Interessen der Leistungsschutzberechtigten ist das moderne Musikverlagswesen Teil der Musikwirtschaft.

Hinsichtlich der genauen Bestimmung der Aufgaben des Musikverlags lassen sich zwei Auffassungen ausmachen: Während einige am historischen Verlagsbild festhalten und die Ausübung des grafischen Verlagsrechts als unerlässliche Voraussetzung ansehen [2], tragen die anderen der modernen Entwicklung der Musikbranche Rechnung und gehen auch dann von einem Musikverlag aus, wenn dieser kein Papiergeschäft betreibt. [3] Eine gesetzliche Definition des Musikverlags gibt es nicht. Beschreiben lässt er sich durch drei Strukturmerkmale:

  • Einräumung des grafischen Verlagsrechts,
  • Verbreitung und Verwertung des Musikwerks,
  • Bestimmung des Gebrauchs nicht nur einzelner Nutzungsrechte.

Diese Merkmale ergeben sich aus der Verkehrssitte und der gängigen musikverlaglichen Vertragsgestaltung. Sie müssen nicht alle zusammen vorliegen, sondern in einer Gesamtschau dem durch sie gebildeten Typus wesensmäßig entsprechen. Definiert sind Musikverlage demnach dadurch, die musikalische Werkauswertung zu fördern oder anzubahnen, sei es durch den Vertrieb und Druck von Noten und/oder durch den Einsatz für die Nebenrechtsverwertung.

Bild
Außenaufnahme: Eingang der Schott Music Group
Eingang der Schott Music Group  
Photo:  Melanie Gomez

Geschichte der Musikverlage

Für eine Betrachtung der heutigen und zukünftigen Situation der Musikverlage ist die genaue Kenntnis der Geschichte dieser Branche Voraussetzung. Wesentlich ist dabei der Aspekt, dass Musikverlagsgeschichte und ihre Brüche jeweils parallel zur Medienkulturgeschichte verlaufen. An den Übergängen dieser Phasen sind „Kulturschocks“ bzw. neue Medien verantwortlich für das Entstehen neuer Musikverlagstypen. Daher lässt sich die Musikverlagsgeschichte gut an den vier Medienphasen nachzeichnen.

In der Primärmedienphase lässt sich ein ausgebildetes Musikverlagswesen nicht nachweisen. In der Sekundärmedienphase der Printmedien (ca. 1400–1800) dominieren die Druckmusikverlage, die heute auch als E‑(Ernste-)Musikverlage bezeichnet werden. Erste Zentren bilden sich dabei in Italien, England und Deutschland; zudem gründen sich führende Häuser im Bereich der ernsten Musik. Am Ende dieser Sekundärmedienphase erreicht die Druckproduktion ihren Höhepunkt. Dabei spielt erstmals das eine Rolle, was modern als „Cluster“ beschrieben wird: Erst durch das Vorhandensein, den Austausch und das Zusammenspiel von Verlagen, Konservatorium, Konzertspielstätten, Druckereien und ausgebildeten Arbeitskräften konnte beispielsweise die Stadt Leipzig ihre weltweit einzigartige Dominanz im Musikverlagswesen erreichen.

Jeweils mit dem Auftreten neuer Medienphasen erscheinen neue Formen von Musikverlagen. Am deutlichsten ist dies zu sehen beim Übergang von der Druckmedienzeit zu den elektronischen Medien (Tertiärmedienzeit ca. 1800–1990). Das Radio und die Tonträgermedien brachten eine neue Art von Musikverlag hervor, nämlich den Popularmusikverlag bzw. U‑(Unterhaltungs-)Musikverlag. In der Tertiärmedienphase gründeten sich weltweit fast nur noch Verlage dieser Gattung. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihren Umsatz nicht aus dem Hauptrecht Musikdruck erwirtschaften, sondern durch die Vermarktung der Nebenrechte wie etwa dem Rundfunksenderecht u. ä. Der Anteil der Umsätze der Musikverlage ernster Musik am Gesamtaufkommen aller Musikverlage in dieser Phase sank unter 15 Prozent. Soweit noch Musik gedruckt wurde, wuchs die Auflage kleinformatiger Ausgaben mit wenigen Seiten zu Ungunsten großer vielseitiger Werkausgaben. Vermehrt befassten sich Verlage in dieser Zeit damit, die elektronischen Medien für ihre Zwecke zu nutzen. Hörfunk und Fernsehsender wurden mit fertigen Promotionsexemplaren versorgt und haben damit zur Verbreitung der Werke beigetragen. Songs wurden den Künstler*innen angeboten, wodurch Musikverlage in dieser Zeit eine andere Rolle annahmen. Bei Notenausgaben waren noch primär Verlage für die Herausgabe zuständig; nun nahmen die Musiklabels diese Stellung bei den Künstler*innen ein, welche die Songs der Urheber*innen und ihrer Verlage interpretierten. Das musikverlagliche Zentrum verschob sich von Deutschland in die USA.

Schema zur Geschichte des Musikverlagswesens
Photo:  Schema Christian Baierle

Wirtschaftszweig Musikverlag

Die 2020 erschienene Studie „Musikwirtschaft in Deutschland“ gibt u. a. Auskunft über die aktuelle Situation der sogenannten U- und E‑Musikverlage in Deutschland bis 2019; sie bildet also die „Corona-Jahre“ 2020 und 2021 mit ihren dramatischen Veränderungen noch nicht ab. [4] Aus der Studie geht hervor, dass sich die Landschaft der U- und E‑Musikverlage in Deutschland in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert hat. Die Anzahl der Musikverlage ist leicht rückläufig. Eine im Weltmarkt deutliche Tendenz zur Konzentration zeigt sich auch in Deutschland: Medienkonzerne und größere Verlage kaufen kleinere Unternehmen auf und erweitern so das Portfolio ihrer Rechte. Diese Entwicklung dürfte sich weiter fortsetzen, denn der hohe personelle und logistische Aufwand und die rückläufigen Erträge aus herkömmlichen Vergütungen erschweren vor allem kleineren E‑Verlagen das Überleben, besonders in einer so existenziellen Krise wie den Corona-Jahren. Dennoch erzielten im Jahr 2018 insgesamt 1.049 Unternehmen und damit kaum weniger als vier Jahre zuvor einen Großteil ihrer Umsätze mit musikverlegerischen Tätigkeiten. [5] Der Anteil der Musikverlage am Gesamterlös der Musikwirtschaft (13,6 Milliarden Euro) lag im Jahr 2019 bei 583 Millionen Euro, der Anteil an der Bruttowertschöpfung der Musikwirtschaft lag bei vier Prozent. [6]

Abbildung 1
Unternehmen und Umsätze der Musikverlage in Deutschland 2018
Abbildung: Unternehmen und Umsätze der Musikverlage in Deutschland 2018
Vollständige Statistik anzeigen

Kleine und kleinste Verlage mit einem Umsatz unter 100.000 Euro bilden die Mehrzahl der Unternehmen. Viele davon werden nebenberuflich von Einzelpersonen oder von Familien betrieben, die das Geschäft von Generation zu Generation weitergegeben haben. Im Jahr 2018 haben 86 Verlage Umsätze von 1 bis 10 Millionen Euro erzielt; nur elf Verlage erreichten mehr als 10 Millionen Euro Umsatz. [7] Haupteinnahmequelle ist mit 56 Prozent die Ausschüttung von Verwertungsgesellschaften, gefolgt von 16 Prozent aus dem traditionellen Papiergeschäft, also der Herstellung und dem Verkauf von Musikalien. Weitere Einnahmen generieren Musikverlage durch Lizenzerlöse aus der Wahrnehmung von Autorenrechten (sechs Prozent), dem Synch-Geschäft (zehn Prozent) und der Vergabe von weiteren Lizenzen z. B. für Merchandisingprodukte (drei Prozent). [8] Viele Unternehmen sind auch in anderen Teilbereichen der Musikwirtschaft aktiv, unterhalten etwa CD-Labels und oder ein Artist Management. [9]

In den letzten fünf Jahren stieg der Gesamterlös der Musikverlage um rund 30 Millionen Euro. Das steht im Widerspruch zu negativen Prognosen aus dem Jahr 2015, die stagnierende bzw. sinkende Umsätze erwarteten. [10] Gründe hierfür werden in der Studie nicht genannt, könnten aber unter anderem in der besseren Zusammenarbeit der internationalen Verwertungsgesellschaften und dem Einsatz moderner Technik bei Inkasso und Abrechnung an die Berechtigten durch die Verwertungsgesellschaften liegen. Mit fast 2.500 Beschäftigten ist die Zahl der Mitarbeiter*innen gegenüber der Vorgängeruntersuchung im Jahr 2014 deutlich gestiegen, nämlich um fast 40 Prozent. Dahinter steht jedoch kein proportionales Umsatzwachstum, sondern lediglich die veränderte Beschäftigungsart: Inzwischen sind wesentlich mehr Mitarbeiter*innen in sozialversicherungspflichtigen Jobs (dazu zählen auch Minijobs) beschäftigt als 2014.

Musikverlage bieten Urheber*innen [11] verschiedene Dienstleistungen rund um deren künstlerisches Schaffen an, die unten, geteilt nach U- und E‑Verlagen, näher erläutert werden. Vor allem unterstützen sie Urheber*innen dabei, Vergütungen für ihre kreative Arbeit zu erhalten. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Einzelne keine Chance haben, alle weltweiten physischen und digitalen Verwertungen ihrer Werke, deren Nutzung in Filmen, Werbespots, in den sozialen Medien wie TikTok, YouTube oder Facebook zu observieren. Ebenso wenig können sie ihre Interessen gegenüber den weltweit operierenden Plattformen, sämtlichen Verwertern im internationalen Musikmarkt und gegenüber der Politik vertreten. Musikverlage unterstützen Urheber*innen dabei und sind ihrerseits im Deutschen Musikverleger-Verband (DMV) organisiert. [12] Derzeit engagieren sich 320 Musikverlage im DMV, und zwar sowohl U- als auch E‑Verlage, die hier zentrale Fragen ihrer Arbeit diskutieren und Lösungen abstimmen, fachliche Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben der Bundesregierung und der Europäischen Union äußern, Öffentlichkeitsarbeit leisten und sich im Kulturleben insgesamt für die Themen der Musikverlage stark machen.

Bild
Breitkopf & Härtel: Bearbeitung eines Notentextes
Photo:  Breitkopf & Härtel

Organisation von Musikverlagen

Die allgemeinen Abteilungen bei E- und U‑Musikverlagen unterscheiden sich nicht; je nach Größe des Betriebs gibt es für jeden dieser Bereiche eigene Stellen oder zusammengefasste Tätigkeitsfelder.

Verlagsleitung
Die Leitung in einem kaufmännisch eingerichteten Verlag kann je nach Gesellschaftsform verschieden gestaltet sein und diverse Aufgaben haben. Grob zu unterteilen ist zwischen gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben, allgemeinen Aufgaben und musikverlagsspezifischen Aufgaben. Gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben in größeren Verlagen können z. B. die Kontrolle der Abgaben der monatlichen Lohnsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldungen umfassen; weiterhin – je nach Größe des Unternehmens – eventuell die Offenlegung des Jahresabschlusses eines Lageberichts sowie die Vorlage derselben an eventuelle Gesellschafter und die rechtzeitige Bestellung eines Abschlussprüfers. Auch die Kontrolle der Abgabe einer Jahressteuererklärung fällt in den Aufgabenbereich der Verlagsführung. Zudem hat diese die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ständig zu überprüfen und für die Durchführung einer ordnungsgemäßen Buchführung zu sorgen. Zudem müssen verlagsrelevante Gesetzesänderungen beachtet werden.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Verlagsleitung ist die Festlegung der Programmrichtlinie und der Firmenphilosophie. Dies hat direkt Auswirkungen auf das Repertoire des Musikverlags und damit auf sein individuelles Handlungsfeld.

Rechtsabteilung
Die rechtlichen Fragestellungen des Unternehmens bearbeiten Jurist*innen der Rechtsabteilung, die üblicherweise als Stabsstelle direkt der Geschäftsleitung zugeordnet ist. Die Aufgaben der Rechtsabteilung liegen sowohl in der Beratung nach außen als auch nach innen. In der Beratung nach außen vertritt ein Mitglied der Rechtsabteilung den Verlag allerdings nie rechtsanwaltlich, da dieser nach deutschem Standesrecht ein unabhängiges Organ der Rechtspflege sein muss. Intern berät die Rechtsabteilung eines Musikverlags die Geschäftsleitung und Mitarbeiter zu Fragestellungen aus unterschiedlichen Rechtsgeschäften und überwacht einschlägige Rechtsentwicklung – in einem Musikverlag also insbesondere das Urheber- und Verlagsrecht, die einschlägigen Urteile zu Musikverlagen und die verlagsrechtliche Literatur. Im Musikverlag befasst sich die Rechtsabteilung zudem mit der Gestaltung und Aktualisierung von Verträgen und gibt bei musikalischen Plagiatsfällen eine erste juristische Bewertung ab.

Rechteverwaltung / Copyright-Abteilung
Die Abteilung Rechteverwaltung (üblicherweise in der Branche als „Copyright“-Abteilung bezeichnet) wird in den meisten Verlagen in national und international untergliedert. Die Abteilung befasst sich mit der Anmeldung und Dokumentation der Musikwerke aus dem In- und Ausland und löst Gegenansprüche (Counterclaims) auf. Bei diesem Vorgang melden andere Verlage ebenfalls Ansprüche an einem Werk an, bzw. es treten prozentuale Unterschiede bei den Werkanmeldungen auf, die in Absprache mit Dritten berichtigt werden müssen.

Lizenzabteilung
Die Lizenzabteilung ist verantwortlich für an den Verlag herangetragene Lizenzanfragen. Dies betrifft insbesondere die von den Verlagen direkt wahrgenommenen Rechte, die nicht der GEMA übertragen wurden bzw. im Einzelfall zurückgezogen werden. Dies sind u. a. das Abdruckrecht, das große Recht (Musikaufführung mit szenischer Gestaltung, z. B. Oper oder Musical) und das Filmherstellungsrecht (Synchronisationsrecht), welches die Verbindung von Audiospur mit Musikspur bezeichnet und die Musiklizenzierung für Film- und Werbeproduktionen umfasst.

Income Tracking
Die Income-Tracking-Abteilung eines Musikverlags ist für die Überprüfung und Reklamation von stattgefundenen Musiknutzungen zuständig. Sie kontrolliert vor allem den Einsatz von Musik im Sendebereich (z. B. Musik in Fernsehen und Radio), die korrekte Abrechnung von Konzerten sowie die Erträge aus der Onlineverwertung. Dazu tauscht sich die Abteilung ständig mit den Urhebern und Partnern aus und setzt moderne Technologien wie Monitoringdienste ein, die sämtliche Nutzungen der Musikwerke erfassen. In der Folge reklamiert die Income-Tracking-Abteilung die gefundenen Differenzen bei den weltweiten Verwertungsgesellschaften.

Lizenzabrechnung
Die Lizenzabrechnung eines Musikverlags (innerhalb der Branche als Royalties-Abteilung bezeichnet) befasst sich mit dem Inkasso und der Zuordnung und Ausschüttung der Verlagseinnahmen. Die Abteilung erhält von der Verwertungsgesellschaft, den ausländischen Subverlagen und Lizenznehmer*innen des Verlages Erlöse aus der Verwertung der Musikwerke. Diese ordnet die Lizenzabrechnung den einzelnen vertraglich Beteiligten des Musikverlags zu und rechnet auf Basis der vertraglich festgelegten Beteiligungssummen ab.

Buchhaltung
Die Buchhaltung eines Musikverlags kümmert sich um alle Geschäftsvorfälle, die mit Rechnungen und der Organisation der Zahlungsströme zu tun haben. In Absprache mit der Royalties- und der Copyright-Abteilung werden Ausschüttungen z. B. an Urheber*innen und Subverlage vorgenommen bzw. das Rechnungs- und Forderungsinkasso durchgeführt. Die Buchhaltung kümmert sich auch um die steuerliche Klärung von Detailfragen mit Steuerberatungsunternehmen und den Finanzbehörden. Typische Geschäftsvorfälle sind weiterhin das Ausstellen und das Überwachen von Doppelbesteuerungsformularen, die bei der Lizenzierung von Musikwerken aus dem Ausland bzw. Lizenzzahlungen an das Ausland zu beachten sind.

Personalabteilung
Die Personalabteilung spielt erst in größeren Musikverlagen eine Rolle. Das Leistungsspektrum umfasst u. a. Stellenausschreibungen, Arbeitsvertragsgestaltung, Lohnabrechnung. Themen wie das „Employer Branding“ und „Employee Experience-Plattformen“, also die Darstellung des Unternehmens gegenüber potenziellen neuen Mitarbeiter*innen und das zusammenfassende Angebot von Services für die eigenen Teams, beschäftigen die Musikverlage ebenfalls. Bei kleineren Betrieben wird die Personalabteilung ausgelagert bzw. das Aufgabenspektrum von anderen Abteilungen übernommen (Geschäftsleitung, Rechnungswesen). Einige Verlage schließen die Abteilungen Personal, Rechnungswesen, Rechtsabteilung und Verwaltung zur „Business Affairs“-Abteilung oder einfach als „Administration“ zusammen.

Bild
Verkauflager bei Breitkopf & Härtel
Verkauflager bei Breitkopf & Härtel  
Photo:  Breitkopf & Härtel

Organisation und Aufgaben von E‑Musikverlagen

Der Begriff „E‑Verlag“ entspricht der Logik der Verwertungsgesellschaften, die immer noch zwischen E- und U‑Musik unterscheiden. Das „E“ steht für die sogenannte „ernste Musik“; die Differenz zur „U‑Musik“ als „Unterhaltungsmusik“ liegt nach diesem Verständnis in einer andere Schöpfungshöhe, größerer Komplexität der Faktur und höherem Anspruch an die Ausübenden und Hörer. Diese traditionelle Unterscheidung wird aber bei Weitem nicht allen musikalischen Schöpfungen gerecht. Um ungewollte Implikationen des Begriffs „E‑Verlag“ zu umgehen, wird er im weiteren Text durch „klassischer Musikverlag“ ersetzt. [13] Richtig ist, dass dieser in seinem heutigen Aktionsradius noch tief in der bis ins 14. Jahrhundert reichenden Tradition des Musikdruckens und damit in der oben beschriebenen Sekundärmedienphase verwurzelt ist.

Die Organisation eines klassischen Musikverlags leitet sich aus den Servicetätigkeiten ab, die er seinen Urheber*innen im Hinblick auf ihre Werke anbietet und die unten näher erläutert werden. Die Vergütung erfolgt in der Regel durch Einnahmen aus Verwertungen, die sich Verlag und Komponist*in nach dem im Verlagsvertrag geregelten Schlüssel teilen. Urheber*innen schließen mit ihrem Verlag entweder einen Vertrag über Einzelwerke oder für einen bestimmten Zeitraum einen Generalvertrag ab. Ab diesem Zeitpunkt beauftragen Urheber*innen ihren Verlag damit, ihre Werke zu publizieren, für sie Nutzungsrechte zu vergeben und Gebühren dafür kassieren. Der Verlag achtet bei der Vergabe von Lizenzen darauf, dass die Nutzung eines Werks dem Charakter bzw. der inhaltlich-künstlerischen Absicht der Urheber*innen nicht zuwiderläuft und hält dazu im Zweifelsfall Rücksprache mit ihnen. Er sollte, soweit dies unter Einsatz geeigneter Tracking-Software möglich ist, ungenehmigte Nutzungen finden und monetarisieren, oder sie – falls sie dem künstlerischen Gehalt widersprechen – sogar untersagen.

Ein klassischer Musikverlag nimmt seine Aufgaben nicht nur zu Lebzeiten der Urheber*innen wahr, sondern für die gesamte Dauer der urheberrechtlichen Schutzfrist, das heißt in der Regel bis 70 Jahre nach Tod der beteiligten Urheber*innen. Damit ist nicht nur sichergestellt, dass auch die Rechtsnachfolger*innen für diesen Zeitraum Erträge aus der künstlerischen Leistung der Urheber*innen bekommen. Die Urheber*innen haben so gleichzeitig die Gewissheit, dass ihre Musik auch nach ihrem Tod nicht missbräuchlich verwendet wird, etwa in pornografischem oder politisch-extremistischem Kontext. Der Verlag übernimmt also für einen langen Zeitraum eine große Verantwortung für die Betreuung eines künstlerischen Schaffens.

Publikationsformen im Papiergeschäft und im Aufführungsbereich

Drei Aufgabenbereiche prägen die Arbeit der meisten klassischen Musikverlage: die Herstellung eines vervielfältigungsfähigen Notensatzes nach dem Manuskript, ferner Druck, Vermarktung und Vertrieb der Notenausgaben sowie schließlich die Bereitstellung und die Logistik der Mietmateriale für Bühnen- und Konzertwerke.

Unter den Begriff „Papiergeschäft“ subsumiert man alle Produkte, die hergestellt und verkauft werden, sei es über den eigenen Onlinehandel, über Onlineshops dritter Anbieter oder über den stationären Musikalienhandel. Der Terminus bedarf eigentlich einer Überarbeitung, weil die meisten Verlage ihre Noten heute längst nicht mehr nur als gedruckte Ausgabe in Papierform, sondern auch als Datei zum kostenpflichtigen Download anbieten. Das Spektrum der Publikationen reicht von Solostücken, Popausgaben, Chor- und Kammermusik über musikalische Bildungsangebote für die musikalische Früherziehung und Instrumentalschulen und Material für den Musikunterricht bis hin zu speziellen Angeboten für den Hochschulbereich. Hinzu kommen wissenschaftliche Gesamtausgaben und weitere Titel, die die Erträge wissenschaftlicher Arbeit repräsentieren, sowie Partituren von Orchesterwerken und abendfüllenden Opern. Es gibt Verlage, die sich ganz auf ein Genre, eine Produktart oder Kundengruppe spezialisieren [14] und andere, die eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen rund um die Musik anbieten.

Die Einnahmen im Bühnen und Konzertgeschäft hingegen werden aus der Vermietung von Aufführungsmaterial sowie aus der Vergabe von Lizenzen erzielt. Kunden erwerben beim Verlag etwa die Lizenz zum Aufführen einer Oper, die Erlaubnis, ein Werk im Film zu nutzen (Synch-Right) oder auf CD einzuspielen. [15] Auch in diesem Geschäft spielen gedruckte Noten eine unverzichtbare Rolle: Für Bühnen- und Konzertaufführungen benötigt man Aufführungsmaterial, das aus Partituren, Orchesterstimmen und ggf. aus Klavierauszügen, Textbüchern, Chorpartituren und weiteren Einzelteilen besteht. Dieses wird den Aufführenden in Papierform zur Verfügung gestellt. Bei entsprechender Entwicklung digitaler Endgeräte im Aufführungsbereich ist damit zu rechnen, dass die Bereitstellung von digitalem Aufführungsmaterial stärker angefordert wird – derzeit gibt es kaum Nachfrage nach der digitalen Version.

Herstellung und Druck
Viele klassische Musikverlage unterhalten eine Redaktion aus fest angestellten Beschäftigten; Notensatz und Druck werden zumeist extern beauftragt. Die Redaktion – manche Unternehmen verwenden den Begriff Lektorat – besteht aus qualifizierten Musiker*innen oder Musikwissenschaftler*innen, die die Produktion ihrer Urheber*innen inhaltlich beurteilen, auf editorisch hohem Niveau lektorieren und zum Notensatz vorbereiten. Außerdem müssen sie die Marktchancen der Werke einschätzen und die Absatzkanäle defi-
nieren können. Einige Verlage publizieren Titel für sehr unterschiedliche Kundenkreise und beschäftigen entsprechend viele Redakteur*innen: Eine Gitarrenschule für Anfänger erfordert andere Fachkenntnisse als ein Chorwerk, ein Songbuch mit aktuellen Chart-Hits für Keyboarder andere als eine zeitgenössische Oper.

Bei der Produktentwicklung populärer Ausgaben streben die Redaktionen danach, Bestseller zu lancieren. Jährliche Absatzzahlen entsprechender Produkte im fünfstelligen Bereich werden auch heute noch gelegentlich, allerdings längst nicht mehr so regelmäßig wie noch vor wenigen Jahrzehnten erreicht. Zugleich versorgen Verlage auch kleine, aber qualifizierte Kundenkreise mit attraktiven Neuerscheinungen. Hier kommen ihnen die technischen Errungenschaften des Digitaldrucks zu Hilfe, der bei Wahrung einer erstklassigen Druckqualität die Fertigung kleiner und kleinster Auflagen bis hin zum Einzelexemplar ermöglicht.

Ein Spezialgebiet stellt die Publikation von Bühnen-, Orchester und Ensemblestücken im klassischen Musikverlag dar. Denn hier gilt: Mit der Komposition und der Niederschrift in Form einer Partitur sowie deren Druck ist die Arbeit am Werk noch lange nicht abgeschlossen. Um es zum Leben zu erwecken, muss das Aufführungsmaterial für die einzelnen Instrumente des Orchesters gedruckt, kopiert und zur Einzelstimme für jedes Orchesterinstrument gebunden werden. Bei Bühnenwerken wird in der Regel zusätzlich ein Klavierauszug erstellt, der die Gesangsstimmen vollständig abbildet und das Orchester auf einen mit zwei Händen spielbaren Klaviersatz reduziert. All diese einzelnen Bestandteile des Aufführungsmaterials müssen redaktionell vorbereitet und in mehreren Korrekturgängen überprüft werden.

Viele Komponist*innen – und keineswegs nur solche der älteren Generation – notieren ihre Stücke nach wie vor mit dem Stift auf Papier. Sie wollen oder können sich nicht mit dem Notenschreiben am Computer anfreunden, weil sie für den kreativen Prozess des Komponierens das Handwerklich-Körperliche des Schreibens auf Papier brauchen. Überdies zeigt die Erfahrung, dass die meisten für das professionelle Musikleben schreibenden Komponist*innen, die selbst eine Notensatzsoftware einsetzen, im Nachgang die Unterstützung eines ausgebildeten Profis benötigen, um Partitur und Aufführungsmaterial auf den von Ensembles und Orchestern heute eingeforderten Qualitätstand zu bringen. Im Bühnen- und Konzertbereich ist es editorisch die wichtigste Serviceleistung des Verlags, die handschriftlichen oder bereits mit elektronischem Notensatz hergestellten Partituren der Komponist*innen zu einer aufführungspraktischen Veröffentlichung zu bringen.

Der Aufwand bei der digitalen Notation von Musik ist nicht mit der Eingabe eines Texts in eine Software zu vergleichen. Bei der Musik muss eine Vielzahl von Zeichen wie die verschiedenen Notenwerte, Schlüssel, Tempoangaben, Phrasierungen, Pausenzeichen, eventuell grafische Notationen, Vorzeichen, dynamische Angaben und vieles mehr sowohl vertikal als auch horizontal auf den Notenlinien organisiert werden, und das alles ggf. auch unter Berücksichtigung transponierender Instrumente. Ein Stück erklingt nur dann in der vom Komponisten erdachten Weise, wenn den Musiker*innen unmissverständlich klar ist, was gemeint ist – das gilt in besonderem Maß bei Werken der zeitgenössischen Musik. [16]

Obwohl inzwischen sehr gute Notensatzprogramme im Einsatz sind, ist die Herstellung noch immer der anspruchsvollste Schritt auf dem Weg zur Notenausgabe. Die Kosten reichen von wenigen hundert Euro für ein Klavierstück bis zu vierstelligen Beträgen für Orchester- und Ensemblewerke. Für ein groß besetztes Werk, möglicherweise mit Chor und Solisten, müssen hohe fünfstellige Beträge investiert werden.

Ist ein Werk gedruckt und uraufgeführt, so ist die Arbeit des Verlags daran nicht beendet. Nach der Uraufführung erfolgt die Materialauswertung, das heißt, Fehler, „unpraktische“ oder missverständliche Notationen und sogar Passagen, die den Komponisten bei der ersten Aufführung künstlerisch nicht überzeugt haben, müssen in der Partitur und danach in sämtlichen Stimmen korrigiert werden. Es kommt immer wieder vor, dass Komponist*innen Jahre später Überarbeitungen früherer Stücke vornehmen. Der Verlag muss sicherstellen, dass sämtliches Aufführungsmaterial überholter Fassungen eingezogen und nur die jeweils gültige Version angeboten wird.

Die Zielgruppe des Papiergeschäfts ist neben den B2B-Kunden (Musikalienhandel und Onlineshops) eine unendlich große, heterogene Menge von Musiker*innen, Musiklehrkräften, Musiklernenden und musikinteressierten Leserinnen und -lesern.
Autor
Christiane Albiez

Marketing, Promotion, Vertrieb und PR
Diese Bereiche arbeiten in zwei Richtungen: Zum einen beobachten und kennen sie im internationalen Markt die Käuferschaft von Noten, seien es Musikalien- und Buchhändler, Onlineshops oder Direktkunden. Sie wissen, was Kundeninnen und Kunden für das Musizieren, das Lehren und Lernen brauchen und geben so Impulse für die Verlagsproduktion. Zum anderen kennen sie die Produkte des Verlages sehr gut und entscheiden, wie eine zielgruppengerechte Vermarktung aussehen muss und welche Kanäle sich am besten für den Vertrieb eignen. Aktuelles Fachwissen im Marketingmix ist gefragt: Kenntnisse der Online-Vermarktung und des Dialogs mittels Social Media spielen eine ebenso wichtige Rolle wie ein sicherer Umgang mit den gängigen Grafikprogrammen, um Werbemittel wie Kataloge oder Flyer erstellen zu können.

Elementare Aufgaben des klassischen Produktmarketings erbringen die Musikverlage für beide großen Produktgruppen, also sowohl für Kauftitel als auch für die Bühnen- und Konzertwerke: Alle Publikationen sollten mit den wichtigsten Daten (Besetzung, Entstehungsjahr) auf den Verlags-Webseiten präsentiert werden, angereichert um weiterführende Informationen (z. B. Einführungstexte in mehreren Sprachen, Notenbeispiele, Hörproben etc.); Kataloge und zielgruppenspezifische Newsletter werden erstellt und versandt. Hinzu kommt der Arbeitsbereich der Produkt-PR, der Berichterstattung über und Rezensionen der Verlagsprodukte akquiriert.

Darüber hinaus stellen die Publikationen des Papiergeschäfts und die des Aufführungsbereichs weitere, sehr unterschiedliche Anforderungen an die Vermarktung. Die Zielgruppe des Papiergeschäfts ist neben den B2B-Kunden (Musikalienhandel und Onlineshops) eine unendlich große, heterogene Menge von Musiker*innen, Musiklehrkräften, Musiklernenden und musikinteressierten Leserinnen und -lesern. Sie haben völlig unterschiedliche Interessen, und der Verlag wird versuchen, die jeweiligen Bedürfnisse – nach Noten für ihr Instrument, ihr Streichquartett, ihren Chor oder ihr Bandoneon-Orchester – zu erfüllen.

Die Zielgruppe des Bühnen- und Konzertgeschäfts ist naturgemäß sehr viel kleiner und homogener, weil die Zahl der Klangkörper, Institutionen und Festivals, die Bühnenaufführungen und Konzerte veranstalten, im Vergleich zur großen Masse der Musikinteressierten überschaubar ist. Hier ist es Ziel von Marketing und Vertrieb (in vielen Verlagen wird für deren Aktivitäten der Begriff „Promotion“ verwendet), Entscheider*innen im Musikleben dazu zu inspirieren, die Werke der Verlagskomponist*innen aufzuführen. Zu den Entscheidern gehören Intendantinnen und Intendanten von Bühnen und Orchestern ebenso wie Dirigenten und Solistinnen, Dramaturginnen und Regisseure. Je genauer der Verlag seine Kunden und deren Interessen kennt, desto präziser wird er passende Vorschläge unterbreiten können. Jedes Jahr entstehen allein in Deutschland Dutzende neue Opern und hunderte Ensemble- und Orchesterstücke. Der Verlag unterstützt seine Urheber*innen im harten Wettbewerb um einen der begehrten Plätze in den Konzert- und Opernprogrammen.

Logistik und Verwaltung des Mietmaterials
Eine Besonderheit im professionellen Musikleben und im Tätigkeitsprofil der klassischen Musikverlage ist den wenigsten Konzertgästen bewusst: Die Noten auf den Pulten im Orchestergraben und jene, mit denen Chor und Solist*innen ihre Partien einstudiert haben, vermietet der Verlag. Bühnen und Orchester bestellen das Material beim jeweiligen Verlag und bezahlen für die Nutzung. Das hat für beide Seiten Vorteile: Der Klangkörper muss für die zahlreichen Stücke in seinem Repertoire kein Notenmaterial einlagern und instand halten. Er bezahlt nur für die konkrete Nutzung in den jeweiligen Aufführungen. Verlage liefern Aufführungsmaterial entweder selbst für Aufführungen ins Ausland oder schließen mit ausländischen Verlagen vor Ort entsprechende Vertretungsverträge ab. Für viele Werke der professionellen Bühnen- und Konzertpraxis halten sie sowohl „ungespieltes“ als auch „eingerichtetes“ Material vor, also solches, in das während vorausgegangener Nutzungen bereits Fingersätze, Wendestellen, Bogenstriche und ggf. Kürzungen eingezeichnet wurden. Dies kann den Notenwarten der Orchester bei der Vorbereitung von Aufführungen viel Arbeit ersparen. Manche Klangkörper reservieren von ihnen benutztes und eingerichtetes Material schon lange im Voraus für die nächste Aufführungsserie und schließen dafür einen Liege- oder Dauermietvertrag ab.

Die Höhe der Materialmiete hängt u. a. von Länge und Besetzung des Stücks, der Anzahl der Aufführungen, der gewünschten Dauer der Miete, der Zahl der verfügbaren Sitzplätze eines Konzert- oder Opernhauses und der Höhe der Eintrittspreise ab. Bei Werken des kleinen Rechts (Konzertwerke) legen die Verlage den Preis fest. [17] Bei Werken des großen Rechts wird regelmäßig eine Leitlinie für die Höhe der Materialmiete zwischen dem Deutschen Bühnenverein und dem Verband deutscher Bühnen- und Medienverlage verhandelt und in der Rahmenvereinbarung „Regelsammlung Bühne“ festgehalten.

Für den Musikverlag als Rechteinhaber ist die Notenvermietung über mehrere Jahrzehnte eine zwar aufwändige, aber realistische Möglichkeit, seine hohen Investitionen in die Erstellung des Materials nach und nach zu amortisieren, und überdies ein wichtiges Instrument der Kontrolle über die Nutzungen seiner urheberrechtlich geschützten Werke. Allerdings haben einige Musikverlage in den vergangenen Jahren die eigene Anmietung von Lagerhallen und die personalintensive Verwaltung einer Leihbibliothek aus wirtschaftlichen Gründen an größere Verlage abgegeben, die Materialpflege und Logistik als Dienstleistung anbieten.

Organisation und Aufgaben von U‑Musikverlagen

Da Unterhaltungsmusikverlage ihre Erträge hauptsächlich aus der Verwertung der Nebenrechte erwirtschaften, haben sich dort Abteilungen herausgebildet, die der Förderung dieser Rechte zuträglich sind. Dies sind insbesondere die A&R bzw. Creative-Abteilung und die Synch-Abteilung.

A&R- bzw. Creative-Abteilung
Das Finden und Auswerten von Musikwerken übernimmt im Musikverlag die sogenannte A&R (= Artist & Repertoire) Abteilung (einige Musikverlage fassen sämtliche damit verbundenen Handlungen auch als Kreativabteilung oder „Creative“ zusammen). Dabei kann zwischen der Betreuung der Autoren an sich und deren Werken unterschieden werden:

 
Betreuung der AutorenBetreuung der Kompositionen
  • Talent Scouting
  • Beziehungsmanagement & Networking
  • (Digitale) Co-Writings & Sessions
  • Writing Camps
  • Verbesserung der Verlagswerke durch Beratung
  • Pluggingprozess der Verlagswerke durch z. B. Pitching an Labels, Management etc.


In der A&R-Abteilung werden neue und etablierte Urheber*innen und ihre Musikwerke zunächst einer Qualitätskontrolle unterzogen und ggf. unter Vertrag genommen. Dabei orientiert sich die A&R-Abteilung an der gemeinsam mit der Geschäftsleitung abgesprochenen Signing-Strategie. Danach geht die A&R Abteilung in zwei Zielrichtungen vor. Zum einen geht es darum, die verlaglichen Urheber*innen zu entwickeln. Dies wird dadurch vorangetrieben, dass ihre Stärken und Schwächen genau analysiert werden. Co-Writings oder sogenannte Songwriting-Camps mit anderen Urheber*innen dienen dann dazu, das Writing zu verbessern und/oder neue Song zu schreiben.

Weiterhin werden alle Aktivitäten koordiniert, die das Musikwerk an sich betreffen, so z. B. die Vorstellung des Musikwerks bei Künstler*innen, Managements oder Musiklabels (sogenanntes Songplugging). Für den Musikpitching-Prozess, der die Verteilung der Songs innerhalb des Songpluggings bezeichnet, haben sich für die A&R-Abteilung spezialisierte Softwares durchgesetzt. Cloudbasiert bieten sie einen sehr einfachen Zugriff für die Adressaten und sind oft mit verlagseigenen CRM- und/oder Newsletter-Programmen verknüpft, um zielgruppengerecht Songs anbieten zu können.

Synch-Abteilung
Ein wichtiger Faktor im Bereich musikverlaglicher Auswertung ist die Platzierung von Musikwerken in Fernsehen, Film und Werbung. Dazu unterhält die Synchronisationsabteilung (der Ausdruck beruht auf der Synchronisation von Tonspur und Filmspur) eines Musikverlags Kontakte zu den Unternehmen und Verantwortlichen in Film, Fernsehen und Werbung.

Die Synch-Abteilung stellt szenisch passende Musik zusammen, berät bei der Anfrage von Hit-Verlagswerken (sogenannte Source Musik, da von einer bestehenden [Rechte-]Quelle [= Source] lizenziert) und vermittelt Verlagskomponist*innen für die Hintergrundmusik (sogenannte Score Musik [von engl. Score = Film- oder Partiturmusik], die noch in den Underscore, also der Hintergrundmusik, und Original Songs = exklusiv produzierte Songs, unterteilt werden kann). Zudem leitet die Abteilung Musikaufstellungen an die Copyright-Abteilung sowie Musikfiles an das Income Tracking weiter. Zu ihren Aufgaben gehört ferner die Pflege von Musikplaylisten, die für die AV-Branche relevante Songs des Verlagsrepertoires zusammenfassen – so z. B. gruppiert nach Genres, Schlagworten, Jahren etc. Diese Zusammenstellungen werden heutzutage über moderne Playlistprogramme und Musikdatenbanken abgewickelt, die einen gesicherten durchsuchbaren Zugriff auf das musikalische Repertoire eines Musikverlags geben.

 
Aufgaben der Synch-Abteilung in Richtung Verlag und Autor*innenAufgaben der Synch-Abteilung in Richtung Film, Fernseh- und Werbeproduktionsfirmen
  • Scouting von Film- und Werbekomponist*innen
  • Suche nach Projekten und Networking mit Film-, Fernseh- und Werbeproduktionsfirmen
  • Beratung der Komponist*innen im Hinblick auf Musik für audiovisuelle Produktionen
  • Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen des Musikverlags
  • Beratung der Film-, Fernseh- und Werbeproduktionsfirmen hinsichtlich Score und Source Musik
  • Erstellung von Playlists und Befüllung von Musikdatenbanken

Perspektiven der Branche

Musikverlage stehen vor einem Zeitenwendepunkt. Die Digitalisierung muss in dieser zum Teil konservativ geprägten Branche mit großer Geschwindigkeit stattfinden. [18] Dies trifft sowohl auf die klassischen E- als auch auf die U‑Musikverlage zu. Zwar sind Musikverlage seit jeher mit großen Datenmengen vertraut. Jedoch werden diejenigen im zukünftigen, sich verschärfenden Wettbewerb Vorteile erzielen, die diese Daten im Rahmen einer umfangreichen Digitalisierung für sich und ihre Urheber und Partner nutzbar machen können und neue digitale Geschäftsfelder erobern.

Die Digitalisierung hat sich für die Musikverlage weltweit zum zentralen Thema entwickelt. Dabei wird der Begriff der Digitalisierung vielfach ohne ein klares Bild davon verwendet, was genau darunter zu verstehen ist. Ein eindeutiges Verständnis ist jedoch Voraussetzung, um die mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen erfolgreich bewältigen und aktuelle und zukünftige Chancen nutzen zu können. Nur Musikverlage, die eine klare Vorstellung davon haben, was genau die Digitalisierung beinhaltet, können eine ganzheitliche und nachhaltige digitale Transformation aufsetzen.

Bild
Noten für Popmusik bei der Leipziger Buchmesse
Noten für Popmusik bei der Leipziger Buchmesse  
Photo:  Tom Schulze  /  Leipziger Buchmesse

Entwicklung der Digitalisierung bei Musikverlagen

Die Digitalisierung in der Musikverlagswirtschaft lässt sich insbesondere durch drei Entwicklungen definieren:

  1. Die Automatisierung musikverlaglicher Geschäftsprozesse hat die Zielsetzung, Effizienz, Qualität und Geschwindigkeit zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu reduzieren. Dies kann z. B. durch die Verbindung verschiedener Geschäftsprozesse erreicht werden,  etwa die automatische Vertragserstellung und Anmeldung bei Verwertungsgesellschaften. Es ist hierbei zu beachten, dass nur bei weitreichender Automatisierung auch später Funktionen der künstlichen Intelligenz über diese Prozesse gesetzt werden können.
  2. Die Musikverlage müssen Interaktionen zwischen Urheber*innen und Verlagspartnern entlang der jeweiligen Kundenreise, der sogenannten „Customer Journey“ transfomieren und dabei auf neue Anforderungen und Kundenbedürfnisse achten. Dies können Royalty-Portale sein oder auch der Aufbau neuer Verlagsabteilungen – beispielsweise bei den U‑Musikverlagen der Aufbau von Know-how hinsichtlich der Platzierung von Musikwerken bei digitalen Diensten und deren Playlists.
  3. Im Hinblick auf das Verlagsrepertoire können neue Technologien helfen, Musik zu analysieren und zu beschreiben: Eine Anwendung ist beispielsweise das so genannte „Sonic Searching“ oder „Autotagging“ von Musikwerken. Hierbei wird der oftmals viele tausende Musikstücke umfassende Musikkatalog eines Verlages durch künstliche Intelligenz erfassbar gemacht, sodass entweder vergleichbare Musik benutzt werden kann, um ähnliche Musik zu finden bzw. der Computer die Verschlagwortung der gesamten Musikdatenbank aufgrund von Algorithmen übernimmt. Ein anderes Anwendungsbeispiel ist im U‑Musikverlag das datenbasierte Scouting von neuen Autor*innen und Werken. Auch wenn die Intuition eines A&R Managers gerade im Hinblick auf neue Musik auch in Zukunft nur schwer digitalisierbar sein wird, so können moderne KI-gestützte Big-Data-Analysen doch in der Auswahl und Bestimmung neuer Musiktrends und Musikautor*innen helfen.

Auf der Seite der klassischen E‑Musikverlage beginnt die Digitalisierung im Speziellen naturgemäß mit der Zurverfügungstellung der digitalen Ausgaben der Partituren und Werke. Auch hier sind die darauf aufbauenden digitalen Szenarien in allen denkbaren Formen erweiterbar von der cloudbasierten Abonnementverwaltung (als Ersatz für die so genannten Leihmaterialien) bis hin zur direkten Zurverfügungstellung auf digitalen Tablets bei Orchestern.

Besondere Perspektiven der klassischen E‑Verlage

Von den Auswirkungen der Corona-Krise der Jahre 2020 und 2021 erwarten die klassischen Musikverlage einen Schub für die digitale Transformation, die weiterhin der einflussreichste Trend für die gesamte Musik- und Medienbranche bleiben wird. Darunter sind drei Aktionsfelder zu subsumieren: die Digitalisierung von Geschäftsprozessen (etwa Auslagerung von Daten in die Cloud statt Speicherung auf einem eigenen Server), die Entwicklung digitaler Produkte (z. B. Notendateien, Apps) sowie die Schaffung neuer Geschäftsmodelle (z. B. Streaming statt Kaufen).

Erkennbar ist, dass sich das Spielen vom digitalen Endgerät schneller verbreitet als dies vor der Krise zu beobachten war. Für Musizierende hat die Online-Verfügbarkeit von Notenausgaben viele Vorteile: Sie können auf ihrem Tablet eine unbegrenzte, persönliche virtuelle Notenbibliothek mit sich führen und jederzeit nutzen. Handelt es sich um XML-Dateien, können sie sich den Notentext als Audiodatei vorspielen lassen, einzelne Parameter des Notensatzes verändern, individuell passende Stellen zum digitalen „Umblättern“ einrichten oder automatisch blättern lassen sowie zusätzliche Inhalte wie Audio- und Videoaufnahmen einbinden. In XML-basierten Dateien lassen sich revidierbare Einzeichnungen in den Noten vornehmen, diese auf weitere Ausgaben übertragen und mit anderen Musiker*innen teilen, etwa mit den Mitgliedern des eigenen Streichquartetts oder der eigenen Band. Dank OCR-Technik kann man Scans von Noten in Apps integrieren, in denen der reine Notentext zum „enriched content“ erweitert wird.

Bei den professionellen Opern- und Konzertorchestern haben sich digitale Notenpulte mit entsprechender Ausstattung noch nicht durchgesetzt, obgleich schon seit Jahren zentrale Anbieter als Drehscheibe zwischen den Verlagen und den Klangkörpern funktionieren und Apps eine Vielzahl von nützlichen Features anbieten, die den Wechsel auf das digitale Material attraktiv machen. Um den digitalen Vertriebsweg im Aufführungsbereich zu bedienen, müssen die Verlage in die Digitalisierung ihrer Bestände investieren; dabei ist von Millionen von Seiten die Rede, die vor der Erfindung des elektronischen Notensatzes händisch per Notenschrift oder Notenstich erstellt wurden. Überdies müssen sie sich überlegen, wie sie das digitalisierte Material vor unkontrollierter Verbreitung und vor ungenehmigten Nutzungen schützen. Datensätze lassen sich im Internet mit wenigen Klicks am Computer über die Grenzen von Ländern und Kontinenten weitergeben – auch in Länder, in denen andere Schutzfristen gelten als im Ursprungsland. Verlage testen derzeit praxistaugliche DRM- (Digital Rights Management) Systeme, zum Beispiel in Form von Dateien, die nach der eingeräumten Nutzungsdauer vom Tablet verschwinden, oder prüfen App-Anwendungen, die Noten mit Geofencing-Systemen ausrüsten und so die räumliche Nutzung begrenzen.

Im vergangenen Jahrzehnt ist der Umsatz, den klassische Verlage mit Nutzungsrechten an und dem Verkauf von Musikdateien erzielen, nur sehr langsam gewachsen; in der Corona-Krise hat das Geschäft jedoch deutlich an Fahrt aufgenommen. Gleichwohl bleibt ein Risiko: Die mit der Erstellung eines Produkts im Musikbereich verbundenen Kosten sind von der Frage, ob eine physische oder digitale Ausgabe verkauft wird, nahezu völlig unberührt. Gegenwärtig erwarten Kund*innen, entsprechend den Usancen der Buchbranche, aber für den Download einen spürbar niedrigeren Preis als beim Printprodukt. [19]

Im Bereich des Aufführungsmaterials müssen die klassischen Verlage gleich mehrere Herausforderungen bewältigen: Erstens werden nicht alle Klangkörper weltweit gleichzeitig auf die Nutzung von digitalem Material umsteigen, sodass der Verlag weiterhin beide Produktformen vorhalten muss, seine Lagerkosten also nur schrittweise über einen langen Zeitraum reduzieren kann. Zweitens bleiben die oben beschriebenen personalintensiven Arbeiten rund um Erstellung, Verwaltung und Logistik auch bei digitalem Aufführungsmaterial erhalten. Schon jetzt – zumindest war dies vor den massiven Umsatzeinbrüchen durch Corona der Fall – widmen Verlage einen Großteil ihrer Investitionen der systemseitigen Unterstützung und der Entwicklung neuer Technik, um Prozesse und Material schnell zu digitalisieren.

In der Corona-Krise wurden neue Formen des Musizierens erprobt, manche bewähren sich, andere nicht. Für das Selbststudium ist eine Fülle neuer Apps auf dem Markt erschienen, die spielerisch und intuitiv Kenntnisse am Instrument vermitteln; sie finden besonders bei erwachsenen Neu- und Wiedereinsteigern Anklang. Chöre haben Apps eingesetzt, die ein zeitlich synchrones Zusammensingen aus der Distanz ermöglichen, mit zum Teil frustrierendem, zum Teil akzeptablem Ergebnis. Instrumentallehrkräfte nutzten im Corona-Jahr 2020 oft zum ersten Mal digitale Möglichkeiten, um den Unterricht auch unter dem Verbot persönlicher Kontakte fortzusetzen. Hier sind die Rückmeldungen gemischt, denn die Qualität des Unterrichts hängt derzeit noch zu sehr von der technischen Ausstattung und der Internetverbindung der privaten Haushalte ab. Nicht alle Lehrkräfte und Schüler*innen können kurzfristig Tablets, Headsets oder Webcams anschaffen. Nicht möglich ist auch die haptische Anleitung am Instrument, die vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler brauchen; der Bereich der musikalischen Früherziehung wurde ebenso weitgehend lahmgelegt wie der Unterricht im Ensemblespiel. [20]

Als Vorzüge des Distance Learning wurden die entfallenden Fahrwege und die Ortsunabhängigkeit genannt. Im digitalen Unterricht mit größeren Kindern und Jugendlichen sind Apps hilfreich, mit denen die Schüler*innen zum Beispiel das eigene Überergebnis direkt aufnehmen und zur Beurteilung und Korrektur an die Lehrer*innen schicken können. Außerdem lassen sich die klassischen Formate (Noten, methodische Texte, Grafiken in Print oder PDF) durch digitale Zusatzinhalte (Audio, Video-Tutorials und animierte Notensätze mit Zusatzfunktionen) sinnvoll ergänzen. Dieses Zusammenspiel von Präsenz- und Fernunterricht wird auch nach dem Ende der Corona-Krise fortbestehen und zur Bereicherung des Lernens beitragen. Einige Verlage bieten Applikationen und mediengerechten Content für das noch junge Distance Learning, das mit motivierenden Funktionalitäten und Gamification für die Generationen Z und Alpha, der Wischen vertrauter ist als Blättern, attraktiv sein dürfte.

Eine weitere mit der Digitalisierung verbundene Fragestellung wird die Perspektive der klassischen Musikverlage in den kommenden Jahren prägen: Wie entwickelt sich weltweit das Urheberrecht? Positiv könnte wirken, dass sich immer mehr Staaten die Vorstellung vom geistigen Eigentum und dessen immateriellem (und materiellem) Wert zu eigen machen. Der steigende Wohlstand in Wachstumsländern und das Interesse an der via Internet global zugänglichen westlichen Musikkultur könnte mehr klassische Konzerte nach sich ziehen.

Nachteilig könnte sich auswirken, dass jene Nutzer*innen, die mit dem Internet groß geworden sind, aus dessen frühen wilden Jahren eine „Haben ohne Bezahlen“-Mentalität erlernt haben. „Was im Internet verfügbar ist, darf ich nehmen, nutzen und weitergeben“ ist eine verbreitete Auffassung, die Netzaktivist*innen und inzwischen auch einige Politiker*innen vertreten. Zuletzt ist 2020/21 in der Öffentlichkeit eine Debatte darum entbrannt, wie eine 2019 beschlossene EU-Richtlinie in deutsches Recht (DSM-Richtlinie) [21] umgesetzt werden soll. Diese hatte zum Ziel, das Missverhältnis zwischen den Einnahmen von Internet-Plattformen mit urheberrechtlich geschützten Inhalten und der minimalen (oder ganz fehlenden) Beteiligung der Urheber*innen daran zu beheben. Im Juni 2021 hat der Bundestag beschlossen [22], dass Dienste künftig Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern abschließen und Einnahmen aus Nutzungen abrechnen müssen.

Grundsätzlich halten sich in der mittel- und langfristigen Perspektive der Musikverlage die Chancen und die Risiken die Waage. Gerade in der digitalen globalisierten Welt können Urheber*innen von der Zusammenarbeit mit einem professionell aufgestellten Verlag profitieren, und nur, wenn die Kooperation zu beiderseitigem wirtschaftlichen Nutzen ist, werden Urheber*in und Verlag langfristig mit Freude und Gewinn daran festhalten. Eine besonders fruchtbare Zusammenarbeit gelingt immer dann, wenn das gemeinsame Ziel über das vertraglich Vereinbarte hinaus in voller Überzeugung, mit entsprechendem Engagement und in gegenseitigem Vertrauen verfolgt wird.

Christiane Albiez verantwortet in der Geschäftsleitung des Verlages Schott Music den Bereich Concert, Opera & Media. Zuvor war sie in verschiedenen Branchen (Hochschule, Orchester, Medien und Werbeagenturen) tätig. Albiez studierte Musikwissenschaft, Germanistik und Kommunikationswissenschaft in Bonn und Berlin.

Prof. Dr. Christian Baierle ist Geschäftsführer der ROBA Music Publishing Gruppe. Er ist Mitglied in zahlreichen Gremien der Musikbranche und lehrt an verschiedenen Universitäten. Sein Buch „Der Musikverlag“ hat sich als Standardwerk zu diesem Thema etabliert.

Footnotes

  1. Vgl. Claudia Rossbach, Ulrich Joos, Vertragsbeziehungen im Bereich der Musikverwertung unter besonderer Berücksichtigung des Musikverlags und der Tonträgerherstellung, in: Friedrich-Karl Beier [u. a.] (Hrsg.), Urhebervertragsrecht; Festgabe für Gerhard Schricker zum 60. Geburtstag, München 1995, S. 333–368.

  2. Für viele: Erich Schulze, Urhebervertragsrecht, München 1982, S. 10, 62 E.

  3. Für viele: Hartwig Ahlberg, Ist der Musikverleger noch Verleger?, in: Rainer Jacobs, Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Festschrift für Peter Raue zum 65. Geburtstag, Köln 2006, S. 353–361.

  4. Vgl. Musikwirtschaft in Deutschland 2020. Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Musikunternehmen unter Berücksichtigung aller Teilsektoren und Ausstrahlungseffekte. Berlin 2020.

  5. Im Jahr 2015 waren 1.075 Musikverlage in Deutschland tätig. Vgl. Musikwirtschaft in Deutschland. Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Musikunternehmen unter Berücksichtigung aller Teilsektoren und Ausstrahlungseffekte. Berlin 2015, S. 48.

  6. Vgl. Musikwirtschaft in Deutschland 2020, S. 17f.

  7. Vgl. ebd., S. 52.

  8. Vgl. ebd., S. 53.

  9. Vgl. ebd.

  10. Vgl. Musikwirtschaft in Deutschland 2015. S. 51.

  11. In diesem Text ist nicht nur von Komponist*innen, sondern immer wieder von „Urheber*innen“ oder „Werkberechtigten“ die Rede. Denn bei vielen Werken, zum Beispiel bei Songs, aber auch Opern und Musicals, wirken mehrere Kreative an der Entstehung mit, etwa Komponist*in, Textdichter*in, Übersetzer*in. Sie alle können Anspruch auf Erlöse aus den Nutzungen des Werks haben.

  12. Vgl. die Selbstdarstellung des DMV unter https://www.dmv-online.de/der-dmv/verbandsaufgaben (Zugriff: 30. Juni 2021).

  13. In einigen Publikationen findet man als Alternative den Terminus „Print- und Lizenzverlag“.

  14. Der Stuttgarter Verlag Carus etwa hat sich auf geistliche und weltliche Chormusik spezialisiert und bietet entsprechende Noten, Bücher, CDs und Apps. Der G. Henle-Verlag in München ist weltweit für seine Urtext-Ausgaben bekannt.

  15. Der Verlag vergibt nur die Lizenz für CD-Aufnahmen von Werken großen Rechts. Aufnahmen von Werken kleinen Rechts lizenziert die GEMA.

  16. Insbesondere Profimusiker*innen reagieren angesichts knapper Probenzeit verärgert auf unklare oder gar irreführende Notation und alles, was das rasche Erfassen des musikalischen Verlaufs erschwert.

  17. Die Aufführungsrechte nimmt bei Werken des kleinen Rechts eine Verwertungsgesellschaft wahr, in Deutschland die GEMA. Sie kassiert die entsprechenden Tantiemen, die anschließend an Urheber und Verlag ausgeschüttet werden. Bei Werken des großen Rechts gehört es zu den Aufgaben des Verlags, das Aufführungsrecht vertraglich mit der Bühne zu regeln und die Einnahmen an die Urheber*innen zu verteilen.

  18. Vertiefend zum Thema: Christian Baierle, Digitalisierung der Musikverlage, in: Alexander Endres, Hubert Wandjo (Hrsg.), Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung, Baden-Baden 2021 (i. Dr.).

  19. Noten unterliegen wie Bücher einer gesetzlichen Preisbindung. Derzeit liegt der Preis für die Download-Ausgabe etwa 30 Prozent unter dem der gedruckten Ausgabe.

  20. Verschiedene Umfragen belegen, dass während der ersten Corona-Phase im Jahr 2020 die Probleme in der Wahrnehmung der Unterrichtenden überwogen, vgl. etwa https://www.tonkuenstler-muenchen.de/global/downloads/TKVM/Corona-Umfrage-der-Tonknstler-Mnchen-auf-der-Website.pdf (Zugriff: 30. Juni 2021).

  21. Directive on Copyright in the Digital Single Market.

  22. Zum Hergang der Beschlussfassung vgl. die Dokumentation beim Deutschen Bundestag: https://dip.bundestag.de/vorgang/.../273942 (Zugriff: 29. Juni 2021).