In den letzten Jahren hat sich das Interesse der jungen Leute für Kunst und Kultur in der Fläche kaum verändert: 10% der 14- bis 24-Jährigen interessieren sich für Klassische Musik, 7% für das Klassische Theater und nur 3% für die Oper. Das Fazit des 2. Jugend-KulturBarometer: "Leuchtturmprojekte reichen nicht aus, es fehlt an nachhaltigen kulturellen Bildungsprogrammen, die in der Fläche verankert sind."
Mit dem 2. Jugend-KulturBarometer, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) durchgeführt wurde, liegen nicht nur erstmals seit 2004 wieder umfangreiche empirische Daten zu kulturellen Interessen und Aktivitäten junger Leute in Deutschland vor, sondern es ist erstmals möglich, im Rahmen von Zeitvergleichen Auswirkungen von Maßnahmen in der kulturellen Bildung zu bewerten.
Bildungsschere bei Künstlerisch-kreativen Hobbyaktivitäten nimmt weiter zu
Mit aktuell 45% hat der Anteil der jungen Leute, die aktuell eine künstlerische Hobbyaktivität ausüben, um drei Prozentpunkte leicht abgenommen. Diese punktuellen Ausfälle können jedoch nicht auf die Umstellung von G9 auf G8 zurückgeführt werden, sondern auf ein weiteres Auseinanderklaffen der Bildungsschere: Ist der Anteil unter den derzeitigen Gymnasiasten bei künstlerisch-kreativen Freizeitaktivitäten im Sinne eines breiten Kulturbegriffs, der auch Break-Dance tanzen oder Grafitti sprayen beinhaltet, seit 2004 sogar um acht Prozentpunkte auf 60% gestiegen, hat er unter den Hauptschülern und Hauptschulabsolventen von 35% auf 25% weiter abgenommen. Das Interesse am Fotografieren hat bei den jungen Leuten weiter zugenommen und der Anteil entsprechender Hobbyaktivisten (13%) liegt jetzt an zweiter Stelle der künstlerisch-kreativen Freizeitaktivitäten nach dem Spielen eines Musikinstruments (15%).
Mehr Chancengleichheit bei Kulturbesuchen mit der Schule
Um neun Prozentpunkte – von 60% auf 69% - ist der Anteil der jungen Leute gestiegen, die schon mindestens einmal mit der Grund- oder weiterführenden Schule ein Theater, Museum oder Konzert besucht haben. Angesichts der wachsenden Kooperationsbereitschaft der Kultureinrichtungen in den letzten Jahren, sich hier zu öffnen, wird deutlich, dass es hier konzentrierter flächendeckender Bildungsinitiativen bedarf, um allen Schülern diesen Zugang zu ermöglichen. Erfreulich bei dem Zuwachs: Der Anteil der Hauptschüler bzw. Hauptschulabsolventen, die mit der weiterführenden Schule mindestens ein Kulturangebot besucht haben, konnte von 15% auf 28% nahezu verdoppelt werden. Dennoch ist die Chance der Realschüler (45%) und Gymnasiasten (59%) immer noch höher, über die weiterführende Schule Kultureinrichtungen kennenzulernen. Dass der Zuwachs an Kulturbesuchen, wie die Studie belegt, nicht im Einklang mit dem Kulturinteresse steht, ist ein Beleg dafür, dass solche Aktivitäten nicht als alleinstehender Event praktiziert, sondern thematisch eingebettet werden müssen in die bestehende schulische wie außerschulische Praxis.
Ohne schulisches Engagement nimmt Chancenungleichheit weiter zu
Erstmals wurde im 2. Jugend-KulturBarometer auch die Nutzung der jungen Leute von Bildungsangeboten in Kultureinrichtungen erfasst. 50% der jungen Leute haben schon einmal oder mehrmals beispielsweise eine Führung im Museum, einen Workshop im Theater oder eine Einführung eines Konzerts besucht. Wie wichtig auch hier eine Vernetzung zwischen Schule und Kultureinrichtungen ist, zeigt der Umstand, dass der private Zugang zu solchen Bildungsangeboten über Eltern, Freunde, soziale Kontakte bei jungen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund (21%) oder aus bildungsfernen Kontexten (20%) deutlich seltener erfolgt als bei der jungen Bevölkerung insgesamt (33%). Sehr engagiert in der kulturellen Bildung sind dagegen die Eltern aus bildungsnahen Kontexten: 51% der jungen Leute, deren Eltern beide Abitur haben, besuchten schon kulturelle Bildungsangebote in Theatern, Orchestern oder Museen.
Erstmals Zahlen zur Kulturnutzung junger Menschen mit Migrationshintergrund
Im Rahmen des 2. Jugend-KulturBarometers wurde erstmals auch das Kulturinteresse der jungen Leute mit Migrationshintergrund untersucht und hier auch speziell Interessen an „geographischen“ Kulturräumen gemessen. So haben 61% der jungen Leute mit türkischem Migrationshintergrund schon eine oder mehrere Veranstaltungen besucht, die Kunst aus dem islamisch geprägten Kulturraum thematisierte, jedoch nur 19% Veranstaltungen mit klassischen Kulturangeboten des europäischen Kulturkreises. Der Anteil junger Menschen ohne Migrationshintergrund, die nach eigenen Angaben bisher Veranstaltungen mit klassischer Kunst aus dem europäischen Kulturraum besuchten, liegt vergleichsweise bei 26%, noch aktiver sind hier beispielsweise junge Menschen mit russischem Migrationshintergrund (37%). Eine einseitige „geographische“ Ausrichtung der Kulturinteressen kann allerdings auch bei jungen Leuten ohne Migrationshintergrund trotz bestehender Einwanderungseffekte beobachtet werden: So haben aus dieser Gruppe nur 5% schon einmal eine Veranstaltung mit Kunst aus dem islamischen Kulturkreis besucht.
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