Den emotionalsten Auftritt des diesjährigen Young Euro Classic-Sommers gab es am Freitag, dem 1. September: Die jungen Künstlerinnen und Künstler aus Portugal vergossen zunächst Freudentränen, als ihr bravouröser Auftritt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. Dann die Zugabe: Das Jovem Orquestra Portuguesa spielte den als "Ode an die Freude“ und Europahymne bekannten vierten Satz aus Beethovens Neunter, eine eher konventionelle Wahl – doch statt am Ende die Ode zu singen, traten einige der jungen Künstler ans Mikrofon, bekannten sich zu Europa und seinen Werten: "Wir glauben an Europa!“ – und deuteten an, dies könne aus finanziellen Gründen das letzte Konzert dieses wunderbaren Orchesters gewesen sein. Nun wurde ziemlich hemmungslos geweint – auf der Bühne und auch im Publikum.

Würdigung neuer Musik: Portugiesin Mariana Vieira erhält Komponistenpreis

Am Sonntag hatte Portugal dann Grund zu triumphieren! Vor dem fulminanten Abschlusskonzert mit dem neu geschaffenen Cuban-European Youth Orchestra zeichnete der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, die erst 19-jährige Mariana Vieira mit dem Europäischen Komponistenpreis aus. Er honoriert die beste Uraufführung bzw. Deutsche Erstaufführung, die während des Festivals gespielt wurde, mit 5.000 €.

Die Uraufführung mit dem Titel "Raíz“ Konzert für Oboe, Klarinette, Tuba, Harfe, Kontrabass, Marimba und Orchester wurde von einer Laienjury unter der Leitung des Musikwissenschaftlers Gerrit Bogdan aus sechs nominierten Werken ausgewählt. "Die junge Komponistin Mariana Vieira eröffnet dem Publikum mit ihrem Stück ‚Raíz‘ faszinierende und un-erhörte Klanglandschaften“, heißt es in der Jurybegründung.

Die für den Komponistenpreis nominierten Werke stehen beispielhaft für das Anliegen des Festivals, auch zeitgenössischer klassischer Musik einen besonderen Stellenwert einzuräumen. Nicht weniger als 223 Ur- und Deutsche Erstaufführungen wurden in den 18 Jahren Young Euro Classic präsentiert. Im Festivalprogramm wurden außerdem Höhepunkte moderner Musik wie Messiaens "Turangalîla-Symphonie“ (Schleswig Holstein Festival Orchester), Toshio Hosokawas "Sternlose Nacht“ (Chor und Orchester der Elisabeth University of Music, Hiroshima) und das Violinkonzert Nr. 2 "The American Four Seasons“ sowie "Aguas da Amazonia“ von Philip Glass (Baltic Sea Philharmonic) interpretiert, ferner über 20 weitere Werke des 20. und 21. Jahrhunderts.

Young Euro Classic 2017 – ein Bekenntnis der Jugend zu Europa

Seit 18 Jahren steht Young Euro Classic dafür, ein Festival mit begeisternden Konzerten und zugleich einer klaren politischen Botschaft zu sein. Lange war diese Botschaft schlichte Selbstverständlichkeit, in diesem Jahr war das Bekenntnis zu Europa für viele der jungen Künstlerinnen und Künstler – vor allem aus Osteuropa – eine echte Herzensangelegenheit. Deutlich wurde das zum Beispiel beim Auftritt des Moldovan National Youth Orchestra: Die Musikerinnen und Musiker aus der Republik Moldau, einem der ärmsten Länder des Kontinents, konnten es kaum fassen, im Konzerthaus auftreten zu dürfen und in Berlin gefeiert zu werden. "As an artist, for me Europe is an openness of ideas“, beschreibt Irina, eine 18-jährige Bratscherin, den Zusammenhang von Kultur und Politik.

Die politische Entwicklung der letzten zwei Jahre hat dafür gesorgt, dass viele junge Musikerinnen und Musiker – auf der Bühne wie hinter den Kulissen – das Bedürfnis zeigten, Young Euro Classic als Symbol und als Ort für die Erfüllung ihrer künstlerischen und politischen Träume zu bezeichnen.

24.000 Besucher bei Young Euro Classic 2017

Das wichtigste Jugendorchesterfestival der Welt präsentierte, einschließlich des Pre-Openings am 3.7., an 19 Tagen 19 Konzerte, an denen rund 1300 Musikerinnen und Musiker aus aller Welt mitwirkten. Die Veranstaltungen wurden von 24.000 Festivalfans besucht.

Bilanz der Festivalleitung

"Dies war schon die 18. Ausgabe von Young Euro Classic – und ich bin sehr glücklich darüber, dass das Festival trotzdem absolut taufrisch daherkam“, so Festivalchefin Gabriele Minz: "Das Programm war höchst abwechslungsreich und voll von musikalischen Überraschungen; fast jeder Abend bot absolute Highlights und kleine Abenteuer.“ Dieter Rexroth, künstlerischer Leiter des Festivals, ergänzt: "Das musikalische Niveau war insgesamt sehr hoch, die jungen Musiker und Orchester werden immer besser – auch dank der erstklassigen Dirigenten und Solisten, die wir erleben durften. Young Euro Classic 2017 hat gezeigt: Hier spielt die Zukunft.“

Die Zukunft spiegelte sich auch im Publikum: Nicht nur die Mitglieder der Jugendorchester, sondern auch die überdurchschnittlich zahlreichen Konzertbesucher der jungen Generationen brachten grenzenlose Begeisterung ein.

Online nachsehen und nachhören

Die Konzertabende vom 24. bis zum 30.8. konnten über ARTE CONCERT – eine Produktion von EuroArts in Kooperation mit Arte – gestreamt werden (www.arte.tv/de/videos/RC-014971/young-euro-classic-2017/) und sind darüber hinaus in der Arte Mediathek verfügbar.