Im Herbst diesen Jahres findet zum fünften Male das Neue-Musik-Festival Diagonale statt. Am 5. Oktober in der Oetkerhalle Bielefeld und am 6. Oktober im Theater Gütersloh – hier als Eröffnungsveranstaltung des Klassik-Herbstes - werden jeweils über 6 Stunden 300 Mitwirkende aus Musik, Tanz, Kunst, Sprache, Sport und Wissenschaft in 50 Projekten ein einzigartiges Programm präsentieren. Es geht um das Thema Schwärme.
Kollektive Intelligenz und Kreativität, Selbstorganisation, Reaktionsgeschwindigkeit, Stabilität, Schutz, Vitalität, Stimmung, Manipulation und Verführung von Schwärmen sind hochaktuelle Themen in der Forschung verschiedener Wissenschaften.
Der Verein Cooperativa Neue Musik aus Bielefeld möchte diese spannende Thematik nun auch im Bereich aktueller Musik und Kunst ins Licht rücken. Regionale und überregionale Musiker, Künstler und Wissenschaftler aller Richtungen haben innovative und pointierte Projekte, Inszenierungen, Kompositionen, Experimente, Installationen und Vorträge zu diesem Thema erarbeitet.
Schwarmartige Ansammlungen und Selbstorganisations-Bewegungen gibt es offensichtlich überall, angefangen von chemischen und physikalischen Wolkenbildungen verschiedenster Materien über die fantastischen Schwärme in Flora und Fauna, die sozialen und kulturellen Prozesse der Menschen bis hin zu den unendlichen Welten des Mikro- und Makrokosmos. Es scheint eine ausgeprägte Tendenz zu existieren, mit seinesgleichen größere Einheiten zu bilden und Ähnliches zu tun. Gemeinsamkeit bietet u.a. Geborgenheit, Vielfalt, Lust und Spiel; bei den Menschen zum Beispiel auf dem Schulhof, auf dem Fußballplatz oder in der Musik beim Chorsingen, Orchesterspiel und Jam-Sessions. Und in ganz anderen Dimensionen schwärmt es inzwischen weltweit in den digitalen Netzwerken.
Das Festival stellt die Frage: Welche neuen Formen des Zusammenspiels entwickeln sich in unserer Kultur? Wie kann das Prinzip von Führen und Folgen starre Hierarchien überwinden und zu einem lustvollen und die individuellen Potentiale einbeziehenden Miteinander werden? Was ist mit der Freiheit des Einzelnen? Können wir uns vom Schwarmverhalten anderer Lebewesen inspirieren lassen? Welche Gefahren birgt der Schwarm? Und - wofür schwärmen wir eigentlich?
Aus über 100 Bewerbungen wählte die Jury 50 Projekte aus. Z.B. das Erste Improvisierende Streichorchester, das seit fast 30 Jahren neue Formen des Zusammenspiels erforscht. Oder das Wuppertaler Improvisationsorchester, das mit spontan wechselnden Dirigenten arbeitet. Aus Berlin kommt der Performance-Chor, der Psalmenchor aus Bielefeld wiederum setzt leitungsfreie Konzepte des Komponisten Matthias Spahlinger um. Andreas Kaling bespielt die Zwischenräume mit 36 Bläsern seines Blow-Orchesters. Auch Solisten interpretieren den Schwarm: Die japanische Butoh-Tänzerin Minako Seki wird als Insekt ein nächtliches Licht umschwärmen, der Pianist Ulli Götte aus Kassel entwickelt seine Minimal-Music am Flügel zu dichtesten Tontrauben.
Vier Tanzformationen zeigen Choreographien, z.B. die Kleine Schule für Tanz aus Harsewinkel mit 45 Kindern und Jugendlichen oder die Choreographin Christine Grunert mit 30 Senioren aus Herford, jungen Frauen aus Worpswede und Studierenden der DansArt Academy.
Mit Installationen, Bildern, Skulpturen und interaktiven Projekten beteiligen sich 20 Künstler, z.B. der Maler und Philosoph Rudolf zur Lippe aus Berlin mit großen Fahnen, Jürgen Heckmanns mit seinem Projekt „Staub zu Noten“, Annie Fischer mit „Fähnchen im Wind“, Jörg Spätig mit den „Fischer-Chören“ oder Johannes Zoller mit dem „Galaktischen Kreis“.
Sieben Wissenschaftler werden Beiträge aus der Forschung einbringen, u.a. die holländische Forscherin Prof. Charlotte Hemelrijk über Starenschwärme, Prof. Wolfgang Krohn über die „Weisheit der Vielen“, Prof. Günter Küppers über Chaos und Ordnung in Natur und Gesellschaft, Nikita Mattar und die TechFak zu Roboter- und Satellitenschwärmen oder das Kollektiv Ameublement zu sozialen Netzwerken und Datenschutz.
Das Festival beginnt mit der Performance All Over, an der alle Mitwirkenden beteiligt sind und mit dem Publikum durch alle Innen- und Außenräume schwärmen, um plötzlich in ihrer Formation zu kurzen Performances aufzutauchen. Im Anschluss werden in vier Räumen parallel im halbstündigen Wechsel Konzerte, Inszenierungen und Vorträge stattfinden, während im offenen Foyerbereich die Kunst-Installationen besucht werden können. Das Finale bildet einen Countdown aller Projekte, in dem sie ihre Aufführungen im direkten Nacheinander in 3 Minuten nochmals auf den Punkt bringen.
Das Festival findet in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Bielefeld und dem Theater Gütersloh statt und wird gefördert mit Mitteln des Landes Nordrheinwestfalen, der Hanns-Bisegger-Stiftung, der Stadt Gütersloh und diversen Sponsoren. Die künstlerische Gesamtleitung liegt bei Willem Schulz und Marcus Beuter.
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