Die drei Komponisten-Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung gehen 2019 an die Kanadierin Annesley Black, an Ann Cleare aus Irland und Mithatcan Öcal aus der Türkei. Die Auszeichnung für vielversprechende junge Komponisten ist jeweils mit 35.000 Euro dotiert und wird ergänzt durch die Produktion einer Porträt-CD. Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt 2019 insgesamt 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Der größte Anteil – über 3 Millionen Euro – entfällt auf die weltweite Unterstützung von Projekten im Bereich der zeitgenössischen Musik. Der im Januar bekanntgegebene Ernst von Siemens Musikpreis 2019, mit dem die in Berlin lebende, britische Komponistin Rebecca Saunders geehrt wird, ist mit einem Preisgeld von 250.000 Euro ausgestattet.
Komponisten-Förderpreise 2019 an Annesley Black, Ann Cleare und Mithatcan Öcal Wenn Annesley Black über ihre Musik spricht, ist immer wieder vom Modus des Suchens, Findens und Entdeckens die Rede. Ein Blick in ihren Werkkatalog genügt, um einen Eindruck von der enormen Bandbreite dieser produktiven Windungen zu bekommen: Seilspringer, Kampftechniken des Kung Fu, der Apple-Gründer Steve Jobs oder László Moholy-Nagys Licht-Raum-Modulator tauchen im Umfeld ihrer Stücke ebenso auf wie die Haushaltsreform im Südsudan oder asiatisches Schattentheater. Dass hier auf den ersten Blick fast nichts primär Musikalisches aufscheint, sollte nicht täuschen: Annesley Black ist eine Meisterin der Anverwandlung – und es gibt kaum etwas, was unter ihrem Zugriff nicht zum Klingen gebracht würde. 1979 in Ottawa in Kanada geboren, absolvierte sie ein Kompositions-studium bei Brian Cherney an der McGill University in Montreal. Im Anschluss setzte sie ihre Studien in Deutschland fort – zunächst bei York Höller und Hans Ulrich Humpert in Köln, dann bei Mathias Spahlinger, Orm Finnendahl und Cornelius Schwehr in Freiburg. Seit 2013 ist sie Lehrbeauftragte für Musiktheorie an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Im Mai 2018 wurde Annesley Black als neues Mitglied in die Sektion Musik der Berliner Akademie der Künste gewählt.
Mit Ann Cleare wird eine Komponistin ausgezeichnet, die im Bereich von Konzertmusik und Oper sowie mit ausgedehnten Klangumgebungen und hybrider instrumentaler Gestaltung arbeitet. Ihr Werk untersucht die statische und skulpturale Natur des Klanges und wagt sich vor in die äußersten Bereiche von Timbre, Textur, Farbe und Form. Sie erschafft hochgradig psychologische und körperliche Klangräume, die den Zuhörer ermutigen, über die Komplexität unseres Lebens nachzudenken und die Poesie von Kommunikation, Veränderung und Wahrnehmung zu erforschen. Ann Cleare studierte am University College Cork sowie am IRCAM, Paris, und wurde an der Harvard University in Cambridge zum Ph.D. promoviert. Sie ist Assistant Professor für Musik und Medientechnologien am Trinity College Dublin. Als künstlerische Mitarbeiterin wird sie in den nächsten Jahren an der Entwicklung von Programmierung und Produktion elektronischer Musik des Dublin Sound Lab arbeiten. Sie wird vom irischen Zentrum für zeitgenössische Musik – Contemporary Music Centre, Ireland (CMC) – vertreten, das auch viele ihrer Partituren bereitstellt. Ihre Werke werden bei Project Schott New York verlegt. Ann Cleare ist Projektbeauftragte bei Sounding the Feminists (#STF), einer Gruppe, die die Prinzipien von Gleichheit, Fairness, Inklusivität und Diversity im irischen Musikleben vertritt.
Für den 1992 in Hatay, Iskenderun, in der Türkei geborenen Mithatcan Öcal war Musik bis zum Ende der Schulzeit noch keine berufliche Option. Seine Violinstudien am staatlichen Konservatorium der Kocaeli Universität in İzmit brachten ihn in Kontakt mit den Komponisten Mehmet Ali Uzunselvi und Emre Dündar, von denen er entscheidende Impulse und Anregungen zur Komposition erhielt. Beide betrachtet er heute nicht als seine Lehrer, sondern als Ratgeber, Mentoren und Freunde. Mithatcan Öcal lebt als freischaffender Komponist, Musiker und Improviser in Istanbul und ist Gründungsmitglied des Istanbuler Komponistenkollektivs. Mit diesem geht er auf Distanz zur offiziellen Ästhetik und strebt eine Freiheit von Hierarchien und von der Beeinflussung durch die herrschenden Ausbildungs- und Fördersysteme an. Seine Freiheit von den Zumutungen einer Ästhetik, die er als verordnet empfindet, entspricht dabei einer Freiheit zu der selbstbestimmten Wahl der kompositorischen Mittel und Ausdrucksweisen. Mehr als gekonnt kostet er diese Freiheiten in seinen von klanglichem Einfallsreichtum und Imaginationsvermögen nur so strotzenden, immer mit einem Hauch von Ironie gewürzten Werken virtuos aus.
Die Komponisten-Förderpreise sind jeweils dotiert mit 35.000 Euro. Zudem erhalten die jungen Künstler eine in enger Absprache entwickelte und auf höchstem musikalischen und technischen Niveau produzierte Porträt-CD, die in Kooperation mit dem Wiener Label KAIROS entstehen. Die Tonträger, die auch dieses Jahr von herausragenden Solisten, großen Orchestern und namhaften Ensembles für zeitgenössische Musik eingespielt werden, erscheinen im Winter 2019: www.kairos-music.com.
Am 7. Juni 2019 überreicht Thomas Angyan, Kuratoriumsvorsitzender der EvS Musikstiftung und Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde Wien, den drei Komponisten ihre Preise bei einem musikalischen Festakt im Münchner Prinzregententheater. Die Preisträger werden jeweils durch filmische Kurzporträts vorgestellt. Das Ensemble Musikfabrik spielt unter der Leitung von Enno Poppe eine Uraufführung von Mithatcan Öcal, Teile aus Annesley Blacks multimedialem Stück tolerance stacks sowie on magnetic fields von Ann Cleare, ein Werk für großes, in drei Kammermusikgruppen geteiltes Ensemble. Der mit 250.000 Euro dotierte Ernst von Siemens Musikpreis 2019 wird Rebecca Saunders durch Peter Ruzicka, Stiftungsratsvorsitzender der EvS Musikstiftung und Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, überreicht. Das Ensemble Musikfabrik, mit dem Saunders seit vielen Jahren eng zusammenarbeitet, spielt ihr Stück Skin (2016) für Sopran (Juliet Fraser) und 13 Instrumente.
Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt 2019 insgesamt 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Davon entfallen über 3 Millionen auf die Förderung von ca. 140 Musikprojekten weltweit. Dabei werden Vorhaben an der Peripherie wie in den Zentren der zeitgenössischen Musik unterstützt, ob in Eckernförde oder New York, in Tel Aviv, Zagreb oder Graz. Der größte Anteil der Fördergelder finanziert und unterstützt auch 2019 Kompositionsaufträge an Komponisten, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen, bis hin zu den etablierten. Festivals und Konzerte sowie Veranstaltungsreihen, Symposien und wissenschaftliche Publikationen, die sich mit Persönlichkeiten der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und ihrer Wirkungsgeschichte auseinandersetzen, sind der EvS Musikstiftung ein ebenso großes Anliegen, wie die Förderung von Wettbewerben, Akademien und Workshops. Neben dem klassischen Konzertformat wurden auch Konzeptideen ausgewählt, die sich performativen, theatralen, multimedialen und digitalen Formen öffnen. Wille und Mut der Geförderten zum Perspektivwechsel verbindet sich mit der Intension, die Vielgestaltigkeit und Relevanz zeitgenössischer musikalischer Ausdrucksformen auch einem unerfahrenen Publikum zu vermitteln – ganz im Sinne des Stifters Ernst von Siemens, der die Bereitschaft, sich auf die Schönheit des Unerhörten einzulassen, fördern wollte.
Die Antragsfristen für Förderprojekte sind jeweils der 1. März und der 15. September. Nähere Informationen zu allen Förderprojekten sowie zur Antragstellung finden Sie auf unserer Homepage: www.evs-musikstiftung.ch