Ein besonderes Lehrangebot am Institut für Klavier der Weimarer Musikhochschule feiert sein 15-jähriges Bestehen. Das sogenannte „Blindenprojekt“ unter der Leitung von Diplompädagogin Viola Michaelis betreut aktuell sechs sehgeschädigte Klavierschüler*innen im Alter zwischen 8 und 39 Jahren, die zum Teil am überregionalen Förderzentrum Sehen in Weimar unterrichtet werden. Im Unterricht an der Diesterwegschule hospitieren regelmäßig Klavierstudierende mit der Vertiefung Instrumentalpädagogik, die sich zwei Semester lang mit den Bedürfnissen von sehgeschädigten Lernenden auseinandersetzen.
Dieses Spezialseminar mit dem Titel „Klavierunterricht bei Sehschädigung“ gehört zur didaktischen Ausbildung junger Klavierpädagog*innen. Die Idee dazu entwickelte die Weimarer Professorin Bettina Bruhn im Jahr 2009. Seit 2011 ist Viola Michaelis als Lehrende im Projekt aktiv. Sie sammelte auf Weiterbildungen, in der täglichen Praxis und in Gesprächen mit blinden Kolleg*innen und Lernenden Erfahrungen, die sie für die Studierenden aufbereitete. Der Lehrstoff ist in insgesamt zehn Themenbereiche gegliedert. Da Theorie und Praxis untrennbar miteinander verbunden sind, ist das Hospitieren der Studierenden im Unterricht ein fester Bestandteil der Unterweisungen.
„Der Klavierunterricht wird nicht nur zum Teil in den Räumen des Förderzentrums Sehen erteilt, die Studierenden können hier auch den Schulbetrieb beobachten“, erklärt Viola Michaelis. „Besonders am Tag der offenen Tür können sie Erfahrungen in der Lebenswelt sehgeschädigter Schüler*innen machen, Bildungswege zur Kenntnis nehmen, optische und elektronische Blindenhilfsmittel kennenlernen, Lehrmaterial in Brailleschrift sehen und sich Dunkelversuchen stellen.“
Im Mittelpunkt des Blindenprojekts stehen die Klavierlernenden und das Aneignen adäquater Erfahrungen durch die Studierenden, um in der Lehrpraxis angemessene didaktische Entscheidungen treffen zu können. „Für die Lernenden ist es ein wichtiges Ziel des Projektes, Musik in ihr Leben zu integrieren, da ihre Freizeitbetätigungen naturgemäß eingeschränkt sind“, so Michaelis. „Voraussetzungen für das Freizeitmusizieren zu schaffen steht gleichberechtigt neben dem Ziel, besonders Begabten auch eine Berufsperspektive zu eröffnen.“ In den vergangenen 15 Jahren wurden insgesamt ca. 25 Sehgeschädigte, darunter sehbehinderte und blinde Lernende, Kinder mit AD(H)S, geistiger Behinderung, Hörbehinderung und Sprachbehinderung unterrichtet. Mittlerweile ist das Projekt auch in das Inklusionsnetzwerk Thüringen (VdM) eingebunden.