Wie klingt eine Organette? Und wie klangen die sechs Preußischen Sonaten, als Carl Philipp Emanuel Bach sie vor beinahe dreihundert Jahren komponierte? Im gerade gestarteten Digitalisierungsprojekt TASTEN erschließen Forscher besondere Instrumente und Werke des Leipziger Musikinstrumentenmuseums auf eine völlig neuartige Weise: Sie digitalisieren Toninformationsträger und Tonvorräte filigraner Instrumente, die zum Teil nur fragmentarisch überliefert sind und bisher nicht zum Klingen gebracht werden konnten. Auch die für sie komponierten Werke können digital erklingen - so, wie sie der Komponist einst erdachte.
Die Sammlung historischer Tasteninstrumente im Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig gehört mit ihren wertvollen Clavichorden, Cembali, Hammerflügeln und Orgeln zu den bedeutendsten der Welt. Einige dieser Tasteninstrumente sowie zahlreiche historische Notenrollen bekommen nun einen ganz besonderen Auftritt: Sie werden im Projekt TASTEN digitalisiert, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
"Wir digitalisieren 36 Tasteninstrumente mit insgesamt 2.222 Tasten, auf denen man - idealerweise - fast 11.000 Töne spielen könnte. Davon kann man analog nur einen Bruchteil zum Klingen bringen, digital aber alle," erläutert Prof. Dr. Josef Focht, Projektleiter und Direktor des Musikinstrumentenmuseums der Universität Leipzig. "Grundlegende Idee des Projekts ist es, mithilfe von Messmatrizen die Klangkonzeptionen der Tasteninstrumente zu visualisieren und ihre Tonvorräte bereitzustellen." Über besondere Temperatur- und Stimmungsvarianten erklingen viele Werke der Musikgeschichte wieder neu - und fast so, wie sie der Komponist zu seiner Zeit konzipierte. "Wir wissen heute beispielsweise wie eine Quinte klingt. Doch sie klang in jeder Epoche unserer Zeitgeschichte anders. Diese Nuancen können wir erlebbar machen", ergänzt Focht.
Neben den Tasteninstrumenten scannen die Forscher unter anderem auch Notenrollen für Klaviere damaliger Musikautomaten ein, die vor über 100 Jahren von berühmten Pianisten eingespielt wurden. "Stellvertretend seien hier Edvard Grieg, Ferruccio Busoni und Max Reger genannt. Sie nutzten die auf dem Lochstreifenprinzip beruhende Technik einer Selbstspielapparatur für Klaviere und konservierten ihr eigenes Klavierspiel auf Papierrollen. Diese empfindlichen Objekte werden nun digitalisiert, beschrieben, gereinigt, gegebenenfalls restauriert und aufgenommen", sagt Dr. Heike Fricke, Koordinatorin des Forschungsprojekts TASTEN. Denn lange vor der Erfindung der Schallplatte baute man in Leipzig diese Musikautomaten, die Musik in die Gaststätte, den Salon oder in die gute Stube brachten. Das Forschungsprojekt will den Schatz an historischen Interpretationen nun heben und der Forschung in Bild und Ton digital zur Verfügung stellen.
In einem ersten Schritt werden die Tasteninstrumente nun fotografiert und vermessen - neben den Außenmaßen des jeweiligen Objekts nehmen die Forscher auch die Frequenzen auf. Die Notenrollen werden gescannt und müssen anschließend digital "zusammengesetzt" werden. Das größte Objekt im Projekt ist die Kinoorgel mit etwa 7.500 Pfeifen.
Über eine Online-Plattform werden die Digitalisate später auch öffentlich zugänglich gemacht: Von überall auf der Welt können Interessierte dann die Tasteninstrumente oder den historischen Musikautomaten des Leipziger Musikinstrumentenmuseums spielen.
Das BMBF fördert das Forschungsprojekt für 30 Monate mit 600.000 Euro.