Die Donaueschinger Musiktage 2017 sind am Sonntag (22. Oktober) mit einem Konzert des SWR Symphonieorchesters zu Ende gegangen. Das traditionsreichste Festival für Neue Musik hinterfragte vom 19. bis 22. Oktober etablierte Konzertformen, das Diktat der Maschine und widmete sich dem Thema Gleichberechtigung in der Neuen Musik.

Im Eröffnungskonzert setzten sich das SWR Symphonieorchester und das SWR Experimentalstudio in teils kontrovers aufgenommenen Werken mit der zentralen Frage des diesjährigen Festivals auseinander: Welchen Einfluss haben technische Erweiterungen auf die Beziehung zwischen Musik und ihrem vermeintlich autonomen Schöpfer? Aufgegriffen wurde diese Frage in einigen weiteren Konzerten, wie dem des Ensemble Intercontemporain mit Alexander Schuberts "Codec Error“. Das Ictus Ensemble spielte zudem mit unterschiedlichen Konzertformaten, wie bei den Werken von Francesca Verunelli oder Martin Schüttler.

Aufheben der Grenzen

Das von Laurent Chétouane inszenierte Konzert "Transit“ mit dem Solistenensemble Kaleidoskop hob die Grenzen zwischen den Werken von Michael von Biel, Chiyoko Szlavnics, Dmitri Kourliandski und Sebastian Claren ebenso auf wie die zwischen Bühne und Zuschauerraum. In Bill Dietz‘"École de la claque“, einer Schule des Klatschens, wurde das Publikum selbst zum Akteur. Die Musiktage endeten mit dem Abschlusskonzert des SWR Symphonieorchesters und Uraufführungen von Bunita Marcus, Márton Illés und Chaya Czernowin. Mit Klangskulpturen und Installationen waren die Musiktage auch in Donaueschinger Museen, in Parks und in der Stadtbibliothek präsent. Die 20 Uraufführungen des Festivals waren allesamt Kompositionsaufträge des Südwestrundfunks (SWR). Bei den Donaueschinger Musiktagen wurden Stücke von 17 Komponisten und neun Komponistinnen aus 18 Ländern aufgeführt.

Das Selbstbewusstsein der Neuen Musik hinterfragen und ihre Möglichkeiten erweitern

Björn Gottstein, Leiter der Donaueschinger Musiktage: "Die Donaueschinger Musiktage leben von den Kontroversen und den Widersprüchen. Viele Komponisten haben bewusst Grenzen von Stil und Genre überschritten. Sie haben das Selbstbewusstsein der Neuen Musik hinterfragt und ihre Möglichkeiten erweitert. Das ist für mich die wichtigste Erkenntnis des diesjährigen Festival-Jahrgangs. Der Neuen Musik gehen weder die Fragen noch die Ideen aus. Das dürfen wir in Donaueschingen Jahr um Jahr erleben."

Orchesterpreis an Márton Illés

Der Preis des SWR Symphonieorchesters bei den Donaueschinger Musiktagen 2017 geht an das Werk "Ez-tér (Es-Raum)“ des Komponisten Márton Illés. Die Jury in ihrer Begründung: "Die Komposition stellt auf sehr eigene Weise Fragen und gibt selbstbewusste Antworten. Fragen zum Beispiel nach dem Entstehen von Klängen – wo kommen sie her, wer produziert da gerade, was wir hören? Auch für routinierte Orchestermusiker hat dieses Stück noch Überraschendes parat.“ Mit der Auszeichnung verpflichtet sich das Orchester, sich für weitere Aufführungen des prämierten Werkes einzusetzen.

Hier wird Musik tabulos neu gedacht

Gerold Hug, Programmdirektor Kultur des SWR: "Aufregende Tage in Donaueschingen liegen hinter uns. Ungewöhnliche Orte, nie gehörte Klänge, neue Konzertformate haben die Besucherinnen und Besucher herausgefordert. Hier wird Musik tabulos neu gedacht. Der Südwestrundfunk ist den Donaueschinger Musiktagen seit 1950 tief verbunden und unterstützt sie nach Kräften – sei es durch Kompositionsaufträge oder seine Ensembles. Mehr als 30 Stunden Übertragungen und Programm in Hörfunk, Fernsehen und Internet tragen die Musiktage in die Welt.“

Internationales Zentrum für Neue Musik

Oberbürgermeister Erik Pauly: "Die Musiktage sind für Donaueschingen das kulturelle Highlight des Jahres, denn das Festival macht die Stadt für einige Tage zum internationalen Zentrum der Neuen Musik: Komponisten, Dirigenten, Musiker, allen voran die Klangkörper des SWR, und Klangkünstler stellen ihre Neuschöpfungen u. a. in den Donauhallen, in den Schulen, im ehemaligen Offizierskasino, im Schlosspark, in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen und im Museum Art.Plus vor. Wir freuen uns über diese enorme Resonanz des Festivals bei Musikliebhabern aus dem In- und Ausland und danken allen, die zum Erfolg beigetragen haben.“

Die Musiktage in SWR2 und auf SWRClassic.de

Neben dem Eröffnungs- und dem Abschlusskonzert zeigte SWRClassic.de, das Webportal für die Orchester, Ensembles und Festivals des SWR, auch das Konzert mit dem Ictus Ensemble als Live-Videostream. Alle drei Konzerte stehen auch nach den Musiktagen auf SWRClassic.de und auf Youtube als Video on Demand bereit. Das Kulturradio SWR2 sendete sechs Konzerte live und wird alle Konzerte als Mitschnitt ausstrahlen.

Ausblick: die Donaueschinger Musiktage 2018

Die Donaueschinger Musiktage 2018 finden vom 18. bis 21. Oktober statt. Auf dem Programm stehen dann neue Orchesterwerke von Malin Bång, Ivan Fedele, Benedict Mason, Jānis Petraškevičs, Simon Steen-Andersen und Marco Stroppa. Neben dem Ensemble Modern, dem Ensemble Cikada und dem ensemble mosaik, dem SWR Experimentalstudio, dem SWR Symphonieorchester und dem SWR Vokalensemble ist 2018 erstmals auch die SWR Big Band zu Gast. Kompositionsaufträge ergingen außerdem u. a. an Ragnhild Berstad, Francesco Filidei, Klaus Lang, Isabel Mundry, Brigitta Muntendorf, Koka Nikoladze, Enno Poppe und Agata Zubel. Das Pariser Studio IRCAM ist mit einer neuen Produktion von Georges Aperghis zu Gast.

Die Kulturstiftung des Bundes fördert die Donaueschinger Musiktage 2017 im Rahmen ihrer Spitzenförderung. Weitere Förderer sind das Land Baden-Württemberg, die Ernst von Siemens Musikstiftung, die Stadt Donaueschingen und der Südwestrundfunk. Weitere Informationen unter www.SWR.de/kommunikation. Videos, Bilder, Texte und Ausschnitte von Proben, Konzerten und Performances unter www.SWR.de/donaueschingen.

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