Die Donaueschinger Musiktage 2015 sind gestern Abend mit einem Konzert des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg zu Ende gegangen. Vom 16. bis 18. Oktober standen insgesamt 18 Uraufführungen auf dem Programm, allesamt Kompositionsaufträge des Südwestrundfunks (SWR). Die Musiktage waren unter anderem geprägt durch unterschiedliche Wege in der Auseinandersetzung mit der sinfonischen Tradition. Dies kam gleich zur Eröffnung am Freitag in sehr gegensätzlichen Werken, beispielsweise von Richard Ayres und Johannes Kreidler, zum Ausdruck. Einen Aufbruch in der Neuen Musik verkörperten am Samstag (17.10.) die Auftritte des belgischen Ensemble Nadar und das Ensemble Mosaik unter Leitung von Enno Poppe. Sie experimentierten unter Einsatz von Live-Elektronik und Videoperformances mit neuen, teilweise spektakulären Präsentationsformen im Konzert. Zur Uraufführung kamen dabei u. a. Werke von Michael Beil und Orm Finnendahl.
Besondere Höhepunkte der Donaueschinger Musiktage waren darüber hinaus ein umjubeltes, konzertfüllendes Werk von Olga Neuwirth, interpretiert vom IRCAM, Paris, und dem Ensemble Intercontemporain, sowie das Abschlusskonzert mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Es präsentierte unter Leitung von François-Xavier Roth neue Werke von Mark Andre, Alvin Curran u. a. Vier Klanginstallationen und eine SWR2 Now Jazz Session mit der dänischen Saxofonistin Lotte Anker vervollständigten das Programm. In einem Festakt am Sonntag wurde der im November 2014 verstorbene langjährige Festivalleiter Armin Köhler geehrt. Das Programm von 2015 war zum größten Teil noch von Köhler konzipiert worden.
Mit dem diesjährigen Festival gab der neue künstlerische Leiter Björn Gottstein (47) seinen Einstand in Donaueschingen: „In diesem Jahr hat sich in besonderem Maße gezeigt, dass es nicht darauf ankommt, in welchem Medium, mit welchen Mitteln und welchen künstlerischen Strategien ein Komponist zu Werke geht. Entscheidend ist, dass der Künstler für sein Werk entflammt, dass er sich in seinen Gegenstand versenkt. Dann sind nachhaltig ästhetische Erfahrungen sowohl in der Instrumentalmusik als auch in der elektronischen Musik, der Medienkunst oder der performativen Kunst möglich.“
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg hat zum Abschluss der Musiktage den Orchesterpreis 2015 für das nach Auffassung der Musiker „bemerkenswerteste Orchesterwerk des Festivals“ verliehen. Er geht an die Komposition „über“ für Soloklarinette (Jörg Widmann), Orchester und Live-Elektronik von Mark Andre. Die Jury war bewegt und berührt von der „Feinheit der Klänge“ dieses Werks: „In Donaueschingen gibt es Raum für Entwicklungen, für Experimente. Das öffnet auch Räume für grundsätzliche Fragen. Zum Beispiel: Was ist eigentlich ein Orchesterstück? Die Komposition für und mit Orchester geht an die Grenzen einer solchen Definition. Klänge, auf unterschiedliche Weise von den verschiedenen Beteiligten erzeugt, verweben sich ineinander, bis zur Ununterscheidbarkeit der Quellen. Das hat uns fasziniert.“ Mit der Auszeichnung verpflichtet sich das Orchester, sich für weitere Aufführungen des prämierten Werkes einzusetzen.
SWR-Hörfunkdirektor Gerold Hug über den Stellenwert der Neuen Musik für den SWR: „Der Name der Donaueschinger Musiktage verbindet sich seit mittlerweile 65 Jahren mit SWF und SWR. Verknüpft ist damit zugleich ein starkes programmliches Bekenntnis: Der SWR ermöglicht Spitzenkultur und verortet sie fest in der Region. Kulturangebote sind wesentlicher Teil des Bildungsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Innerhalb dieses Spektrums ist der Stellenwert der Neuen Musik hoch. Die Szene junger Komponisten und Interpreten ist sehr aktiv. Der SWR bildet diese lebendige Musiklandschaft ab und setzt mit dem Bekenntnis zur Avantgarde zugleich einen eigenen künstlerischen Schwerpunkt unter den Landesrundfunkanstalten der ARD.“
Donaueschingens Oberbürgermeister Erik Pauly: „Die Musiktage sind für die Stadt Donaueschingen das Alleinstellungsmerkmal auf internationalem Niveau. In amtlicher Funktion durfte ich dieses faszinierende Highlight nun zum zweiten Mal miterleben. Mit großer Neugier auf jedes neue Stück und was für Ideen sich darin verwirklichen, wurden meine Erwartungen bestätigt. Bereits im Eröffnungskonzert beeindruckten zwei Dirigenten, die mit- und gleichzeitig auch gegeneinander Orchesterteile dirigierten. Vom Fachmann bis zum musikalisch Interessierten - bei den Musiktagen kommen alle, die Musik lieben, auf ihre Kosten. Das macht dieses Festival so einzigartig. Mein Dank gilt allen Beteiligten, allen voran unserem neuen Leiter, Björn Gottstein, der die schwere Aufgabe der Nachfolge Armin Köhlers souverän gemeistert hat.“
Förderer des Festivals sind die Kulturstiftung des Bundes, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Donaueschingen, die Ernst von Siemens Musikstiftung und der Südwestrundfunk. Vier Konzerte wurden live im Kulturprogramm SWR2 übertragen, alle anderen werden zu einem späteren Zeitpunkt gesendet.
Die Donaueschinger Musiktage 2016 finden vom 14. bis 16. Oktober statt. Dann wird das neue SWR Symphonieorchester seinen Einstand geben. Kompositionsaufträge ergingen u. a. an Peter Ablinger, Patricia Alessandrini, Joanna Bailie, Frank Bedrossian, James Dillon, Peter Eötvös, Bernhard Gander, Wieland Hoban, Martin Jaggi, Jan W. Morthenson, Rebecca Saunders, Klaus Schedl, Martin Smolka, Marco Stroppa und Michael Wertmüller. Neben dem SWR Symphonieorchester sind u. a. das SWR Vokalensemble Stuttgart, das Experimentalstudio des SWR, das Calder Quartet, das Ensemble Recherche, das Pariser IRCAM und das Klangforum Wien zu Gast.
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Quelle
http://www.swr.de