ELBJAZZ 2022
ELBJAZZ 2022  
Photo:  Dario Dumancic

Mit einem umjubelten Auftritt der Nils Landgren Funk Unit auf der Hauptbühne bei Blohm+Voss und einem beeindruckenden Konzert von US-Sängerin Lady Blackbird im Großen Saal der Elbphilharmonie ist das zweitägige ELBJAZZ am Abend des 4. Juni als eines der ersten großen Kulturevents in Präsenz erfolgreich zu Ende gegangen und bewies, wie hungrig Fans und Publikum nach zwei Jahren ELBJAZZ-Pause auf Livemusik vor der einzigartigen Kulisse des Hamburger Hafens waren.

Nicht mühelos war die Planung und Organisation der zehnten ELBJAZZ-Präsenzausgabe unter den aktuellen, durch die Pandemie veränderten Begebenheiten der Livemusik-Branche und der allgemeinen Publikumsstimmung – und dennoch ein bemerkenswerter Erfolg: Am Freitag (3. Juni) kamen 11.000, am Samstag (4. Juni) 13.000 Besucher*innen zum ELBJAZZ. Bei frühsommerlichen Temperaturen, zwei Tagen durchgehend Sonnenschein und bester Stimmung feierten die Gäste die rund 50 internationalen Acts auf insgesamt sechs Bühnen, die sich auf die zwei Festivalzentren in der HafenCity und auf dem Werftgelände von Blohm+Voss verteilten. Der Spielplan wurde durch ein vielseitiges Rahmenprogramm und eine Aftershowparty im Mojo Club ergänzt.

Die programmatische Spannbreite war auch in diesem Jahr sehr weit: Von Swing, Funk und Soul über Hip-Hop, Vocal-, Piano- und Fusion-Jazz bis hin zu Pop und Folk war musikalisch alles vertreten:

Am Festival-Freitag sorgte das Berliner Trio Bobby Rausch für technoide Jazzrock-Grooves. Drummer Jürgen Meyer spielte das einstündige Set mit breitem Grinsen und brachte die Stimmung mit seiner Ansage auf den Punkt: „Was für ein geiles Festival!“  Bobby Rausch gehörte zu den weniger großen Namen, doch wie so oft beim ELBJAZZ zählte nicht der Bekanntheitsgrad, sondern die Reaktion des Publikums. In diesem Fall: Tanzen!

Auf der Hauptbühne zeigte das Kollektiv Jazzanova gleichzeitig, wie hochklassiger Souljazz aus Deutschland klingen kann – smooth und melodisch, mit grandiosen Vocal- und Bläser-Features.

Wer zwischen den Bühnen über das Werftgelände schlenderte, schaute immer wieder in glückliche Gesichter – dazu trug nicht nur das herrliche Sommerwetter bei Temperaturen um 24 Grad bei. Die Besucher*innen waren offensichtlich froh, das Festival rund um die riesige, an einem Kran hängende Discokugel zurückzuhaben. ELBJAZZ ist ein echtes Entdeckerfestival, nach dem vielen der Name des ghanaisch-britischen Sängers Myles Sanko im Gedächtnis bleiben dürfte. Sanko begeisterte mit seiner warmen Soul-Stimme und bezog das Publikum immer wieder in seine Show ein.

Melody Gardot war einer der Stars des ELBJAZZ-Line-ups. Die US-Amerikanerin betrat die Hauptbühne ganz in schwarz und zog das Publikum mit ihrer grandiosen Stimme sofort in den Bann. Mit einem eleganten Mix aus Jazz und Bossa Nova und Songs auf Portugiesisch, Französisch und Englisch zählte ihr Konzert zu den Höhepunkten des ersten Festivaltages.

Während die Besucher*innen auf dem Werfgelände Zeugen eines atemberaubenden Sonnenuntergangs wurden, wurde auf der anderen Elbseite unter geschlossenem Dach gefeiert. Freundeskreis-Rapper Max Herre zeigte als Teil der Band Web Web in der Elbphilharmonie, dass er es nicht nötig hat, im Mittelpunkt einer Show zu stehen. Web Webs unbändiger Spiritual Jazz im Stile der frühen Siebziger Jahre sorgte im Großen Saal für Standing Ovations.

Am Festival-Samstag waren schon nachmittags tausende Besucher*innen bei strahlendem Sonnenschein dabei, während das Golden Dawn Arkestra aus Texas seinen psychedelischen Space-Rock mit Disco-Feuer auf der Hauptbühne abfackelte. Anschließend wurde mit Schlagzeuger Silvan Strauss der Gewinner des Hamburger Jazzpreises 2021 gekürt. Der junge Hamburger kombinierte den Fusion-Funk seiner Band Toytoy kongenial mit den Virtuos*innen der NDR Bigband.

Auf der Bühne Am Helgen riss der gerade einmal 21-jährige Matthew Whitaker das Publikum mit seinem furiosen Funk-Jazz zu Begeisterungsstürmen hin. Der blinde US-Amerikaner wechselte zwischen Flügel und Hammond-Orgel – und spielte zum Schluss beide gleichzeitig.
Der Samstagabend gehörte dagegen zwei Veteranen des internationalen Jazz. Ehe die Nils Landgren Funk Unit das begeisterte Publikum in die Nacht entließ, bewies John McLaughlin mit seiner Band The 4th Dimension, dass sein Jazzrock nichts an Geschwindigkeit und Virtuosität verloren hat.

Absätze

"Für mich war es eine der schönsten Erfahrungen, endlich wieder intensiv Live-Musik mit unserem Publikum und all‘ den Künstler*innen erleben und teilen zu können."
Autor
ELBJAZZ-Festivalleiter Alexander Schulz

ELBJAZZ-Festivalleiter Alexander Schulz zieht eine durchweg positive Bilanz: „Wir freuen uns sehr über diese zwei gelungenen und erfolgreichen Tage, aber insbesondere auch darüber, dass das Elbjazz nach zwei Jahren Pandemie und weitestgehendem kulturellen Stillstand abermals als Großevent in Präsenz stattfinden konnte. Für mich war es eine der schönsten Erfahrungen, endlich wieder intensiv Live-Musik mit unserem Publikum und all‘ den Künstler*innen erleben und teilen zu können. Dass das alles nicht selbstverständlich ist, haben uns die vergangenen Monate einmal mehr gezeigt. Für uns war die Planung und Organisation des diesjährigen Festivals unter den gegebenen Umständen nicht immer leicht, wir waren mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert – sei es in Bezug auf die deutlich gestiegenen Produktionskosten insgesamt, auf ein international ausgerichtetes Musikprogramm mit erschwertem Routing und auch hinsichtlich der zunächst zurückhaltenden Stimmung bei potenziellen Ticketkäufer*innen, die erst noch motiviert werden mussten. Aus diesem Grund möchte ich unseren Gästen, unseren Partnern und Sponsoren und allen aufgetretenen Acts für ihr Vertrauen und ihre Treue meinen großen Dank aussprechen.“