Der Schweizer Komponist Klaus Huber erhält in diesem Jahr den mit 200.000 dotierten internationalen Ernst von Siemens Musikpreis. Huber, der am 30. November 1924 in Bern geboren wurde, gilt als eine derüberragenden Persönlichkeiten der Neuen Musik. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste überreicht ihm die hohe Auszeichnung am 15. Mai 2009 bei einem Festakt in den Münchner Kammerspielen. Die Laudatio hält der Schweizer Musikpublizist Max Nyffeler.
Klaus Huber studierte Violine bei Stefi Geyer sowie Komposition bei seinem Patenonkel Willy Burkhard in Zürich und anschliessend bei Boris Blacher in Berlin. 1959 gelang ihm mit seiner Kammerkantate Des Engels Anredung an die Seele bei den Weltmusiktagen in Rom der internationale Durchbruch. In Hubers reichem und vielgestaltigem uvre, das auch drei Opern umfasst, verbindet sich neueste Musiksprache mit den Kontrapunkt-Techniken der Alten Musik. So komponierte er etwa seine Lamentationes Sacrae et Profanae (1993-1997) gezielt als Ergänzung zu den Responsorien Carlo Gesualdos. Klaus Huber hat stets betont, dass ihm das reine Materialdenken der Avantgarde unzureichend dünkt. Es geht ihm vielmehr auch um Transzendenz, einerseits um eine geistliche Musik, wie sie sich schon in den frühen Vertonungen mystischer Gedichte andeutet, andererseits aber auch um ein humanes und politisches Engagement in der Gegenwart. Ein Schlüsselwerk sind so die Cantiones de Circulo Gyrante von 1985. Texte der Hildegard von Bingen stehen neben einem Gedicht Heinrich Bölls über die im Krieg zerstörten Kirchen Kölns.
Die Zerrissenheit der Zeit im Kalten Krieg wird so in seinem Stück
inwendig voller Figur
für Chorstimmen, Lautsprecher, Tonband und Orchester thematisiert, die Unterdrückung der Menschen vor allem in seinem grossen Oratorium Erniedrigt — Geknechtet – Verlassen — Verachtet
(1975/78-1981/82). Hubers Musik ist geprägt von der Befreiungstheologie und den Texten des nicaraguanischen Priesters und Dichters Ernesto Cardenal: sie ist Klage und Anklage. Weitere Schwerpunkte in seinem Schaffen bilden etwa die Auseinandersetzung mit dem Werk des im Stalinismus verfolgten Dichters Ossip Mandelstam oder die Frage nach Gerechtigkeit und Frieden, die ihn gerade auch in seinen jüngsten Werken wie Quod est Pax? Vers la raison du coeur
oder Miserere Hominibus beschäftigt. Die letzten beiden Jahrzehnte waren zudem durch ein vertieftes Studium der arabischen Kultur und Musiktheorie geprägt. Klaus Huber band das dritteltönige Maqamat-System in seine Musik ein, verwendete Texte des palästinensischen Dichters Mahmud Darwisch (zum Beispiel in Die Seele muss vom Reittier steigen
, 2002) und schuf damit eindringliche Plädoyers für eine kulturelle Toleranz.
So hat sich sein Schaffen stets gewandelt und weiterentwickelt. Hubers Offenheit und Dialogbereitschaft prägten ihn auch als Kompositionslehrer an der Musik-Akademie Basel (1961-1973) und vor allem an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg i. Br. (1973-1991). Er verstand es, nicht nur Handwerk zu vermitteln, sondern zum Nachdenken anzuregen und die Individualität seiner Schülerinnen und Schüler zu fördern. Zu diesen zählen die beiden Ernst von Siemens-Preisträger Wolfgang Rihm und Brian Ferneyhough sowie Persönlichkeiten wie Younghi Pagh-Paan, André Richard, Kaija Saariaho, Toshio Hosokawa, Claus-Steffen Mahnkopf und Michael Jarrell. Klaus Huber war und ist ausserdem als Gastprofessor tätig und gründete 1969 das Internationale Komponistenseminar Boswil (CH). Seine gesammelten Schriften und Gespräche sind 1999 unter dem Titel Umgepflügte Zeit beim Verlag MusikTexte erschienen.
Klaus Huber hat zahlreiche Preise erhalten, so 1970 den Beethoven-Preis der Stadt Bonn und 2009 den Musikpreis Salzburg. Er ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Akademie der Künste Berlin, der Freien Akademie der Künste Mannheim, Ehrenmitglied der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik IGNM sowie Ehrendoktor der Universität Strasbourg.
Am 15. Mai 2009 werden auch Förderpreise in Höhe von 2.100.000 vergeben. Die drei Komponisten-Preise gehen an die in Freiburg lebende Chinesin Lin Yang, an den in Prag lebenden Tschechen Miroslav Srnka und an den in Paris lebenden Italiener Francesco Filidei.
Ausführlichere Informationen zu Preis und Förderungen.
Detaillierte Liste der Förderungen 2009.
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