Der international führende Gregorianik-Experte Godehard Joppich hat den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2018 erhalten. Die Stadt Schwäbisch Gmünd ehrte ihn mit dieser Auszeichnung für seine großen Verdienste um die Forschung, Lehre und Praxis des Gregorianischen Chorals – einer der bedeutendsten Schätze der europäischen Kirchenmusik. Oberbürgermeister Richard Arnold überreichte die Auszeichnung im Rahmen des Festivals Europäische Kirchenmusik (13. Juli bis 5. August) am Mittwoch, 18. Juli, um 20 Uhr in der Augustinuskirche Schwäbisch Gmünd. Das Festkonzert gestaltet das estnische Vokalensemble "Vox Clamantis“ unter Leitung von Jaan-Eik Tulve.
Der Preis der Europäischen Kirchenmusik ist mit 5.000 Euro dotiert. Seit 1999 zeichnet er hochrangige Interpreten und Komponisten für wegweisende Leistungen im Bereich der Geistlichen Musik aus. Zu den bisherigen Preisträgern gehören die Komponisten Petr Eben, Sofia Gubaidulina, Klaus Huber, Arvo Pärt, Younghi Pagh-Paan, Krzysztof Penderecki, Wolfgang Rihm, Dieter Schnebel, Sir John Tavener und Hans Zender. Zu den Geehrten gehören ferner die Dirigenten Frieder Bernius, Marcus Creed, Eric Ericson, Hans-Christoph Rademann und Helmuth Rilling, der Organist Daniel Roth, der Kammersänger Peter Schreier, der Musikwissenschaftler, Dirigent und Komponist Clytus Gottwald und der Thomanerchor Leipzig. In diesem Jahr wird der Preis der Europäischen Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd zum 20. Mal verliehen.
"Wer singt, betet doppelt!“
Von einer besonderen Begegnung mit Godehard Joppich berichtet Pater Anselm Grün in seinem Buch "Die eigene Freude wiederfinden“ (Herder, 2017): "Als ich mich einmal mit ihm über den Gesang in der Liturgie unterhielt, meinte er, der Sänger habe eine ganz große Verantwortung für die Stimmung, welche die Feiernden erfasst. Wenn er einen Ton aus der ‚Sofaecke‘ anstimme, dann werde sich auch nur eine Liturgie aus der ‚Sofaecke‘ entwickeln. Man hat Angst vor der Freude, die da vielleicht aufkommen könnte. […] In einer Singstunde mit Jugendlichen stimmte Godehard Joppich anschließend das ‚Hagios o theos‘ sehr hoch an. Als einige protestierten, dass es zu hoch sei, erwiderte er: ‚Irgendwann einmal muss man das Sofakissen unter sich wegziehen und hinstehen und singen. Da zeigt sich, ob ich glaube oder nicht.‘“ Godehard Joppich steht seit vielen Jahrzehnten mit charismatischer Überzeugungskraft für das Choralsingen als Verkündigung – als Form des Gebets in musikalischer Gestalt. Voller Begeisterung spricht er von der Intensität der Wort-Ton-Dichte, denn der Mensch allein spricht und singt das Wort, das Wort Gottes existiert ausschließlich im Menschenwort. Diese Kunstfertigkeit und die spirituelle Tiefe, die den Gesängen zugrunde liegt, charakterisieren den modernen Forschungsansatz Godehard Joppichs. Als Mitverfasser der deutschen Antiphonale von Münsterschwarzach und der Antiphonale zum Stundengebet widmet er sich seit 1963 intensiv der Entwicklung des deutschsprachigen Gregorianischen Chorals nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Er leistete Pionierarbeit bei der Erforschung des Gebiets der Semiologie und gilt in Europa als einer der bedeutendsten Erforscher und Interpreten des Gregorianischen Chorals.
Godehard Joppich, 1932 in Breslau geboren, studierte in Rom Philosophie, Theologie und Kirchenmusik. Er war Benediktinermönch in der Abtei Münsterschwarzach, wo er von 1970 bis 1989 als erster Kantor wirkte und später, im Jahr 1990, ausschied. Neben seiner Dozenten- und Referententätigkeit lehrte er von 1973 bis 1980 Gregorianischen Choral und Liturgik an der Musikhochschule München. 1980 bis 1993 wirkte er als erster hauptamtlicher Professor für Gregorianik an der Folkwang Universität der Künste in Essen, wodurch er maßgeblich das Unterrichtsfach Gregorianik im Fächerkanon deutscher Musikhochschulen stärkte. Zeitgleich engagierte er sich in der "Internationalen Gesellschaft für Studien des Gregorianischen Chorals“ und war von 1980 bis 1984 Dozent bei den europaweit gefragten Choralkursen in Cremona (Italien). Mit dem Münchner Vokalensemble "Die Singphoniker“ und Schauspieler Gert Westphal gestaltete Godehard Joppich 1995 ein tief beeindruckendes Konzert im Rahmen des Festivals Europäische Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd. 2002 wurde er vom Allgemeinen Cäcilien-Verband für Deutschland mit der "Orlando-di-Lasso-Medaille“ ausgezeichnet. 2004 leitete er in Schwäbisch Gmünd einen vielbeachteten und bis auf den letzten Platz ausgebuchten Gregorianik-Meisterkurs. Junge Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Europa ließen sich von der Leidenschaft des Kursleiters begeistern. Die Ehrenpromotion der Folkwang Universität der Künste im Fach Musikwissenschaft wurde Godehard Joppich 2007 zuteil. Seit 1990 lebt und arbeitet er in Rodenbach bei Hanau.