Ist Musik ohne Musiker*innen, Instrumente und Tonträger denkbar? Das Festival im Haus der Kulturen der Welt umkreist klanglich und diskursiv die Frage, wie sich die Produktion von Musik verändert. Und feiert, wie die Welt heute klingt.

"Klassische“ Instrumente verlieren immer mehr an Bedeutung, selbst auf dem Smartphone lassen sich heute professionelle Tracks produzieren, Software-Tools wie Autotune verändern unsere Hörgewohnheiten. Tonträger wie Platten oder Tapes werden zur Reminiszenz. In Konzerten, Talks, Installationen und Filmen wird dieser Wandel beim Musikfestival Das Verschwinden der Musik für das Publikum erlebbar.

Jan St. Werner und Andi Toma ("Mouse On Mars“) bringen per Videokonferenz die Sounds von vier Künstler*innen aus unterschiedlichen Orten in den USA in Einklang. Ein Jam, der in Echtzeit gemischt wird und die Fehlbarkeiten zeitgenössischer Videokommunikation in die Improvisationspraxis integriert. Die Multimediakünstlerin Olivia Block steuert aus Chicago found sounds und elektronische Klänge bei, während der Theoretiker DeForrest Brown Jr., auch als Speaker Music bekannt, in New York City den Sampler bedient. Der Multimediakünstler und Programmierer Adi Gelbart arbeitet mit einer Lyrik schreibenden Maschine namens Alpha zusammen. Gemeinsam mit dem Streichquartett des Kammerensemble Neue Musik Berlin wird Gelbart Alphas Gedichte in einem Konzert für Streicher, Sprachsynthese und Elektronik interpretieren.

Die Künstler*innen Holly Herndon und Mat Dryhurst laden Frances Stonor Saunders für eine Live-Aufnahme ihres Podcasts Interdependence ein. Sie diskutieren unter anderem die Beziehungen zwischen der CIA und intellektuellen Bewegungen während der Nachkriegszeit – und wie sie mit der Förderung von Avantgardemusik zusammenfielen.

Maria Eriksson (Humlab, Umeå University) hat mit einem schwedischen Forschungsteam und den Mitteln des Reverse Engineerings den Streamingdienst Spotify auseinander genommen um seiner inneren Funktionsweise auf die Spur zu kommen. Bei der Paneldiskussion Soundtracking Every Moment: Music as Data sprechen sie und weitere Gäste darüber, wie Streamingdienste und Plattformökonomie die Welt der Musik verändern. Die Paneldiskussion Looking at Music: After the Laptop Performance geht der Frage nach, welche visuellen Ausdrucksformen Bühnenshows haben können, wenn Musik komplett am Rechner entsteht.

Dmitry Morozov präsentiert unter dem Namen ::vtol:: die Klanginstallation destructor, in der ein gelooptes Tape mit Musik und Radiogeräuschen bespielt wird, zugleich aber elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt wird, die den Klang (zer-)stört. Das in Mexiko-Stadt gegründete Kollektiv Interspecifics präsentiert das Recurrent Morphing Radio. Es bedient sich populärer Musik, die auf den Algorithmen und Vorschlagslogiken von Streaming-Plattformen basiert – und generiert daraus mithilfe von neuronalen Netzen cyber-surrealistische Stücke. In einer Installation im HKW und auf der Projekt-Webseite wird auf diese Weise hörbar, wie ökonomische Prozesse die Rezeption und Produktion von Musik homogenisieren. Die Perfomance Hauch auf der Dachterrasse des HKW sowie im Tiergarten erforscht die Stimme als Identitätsträger und setzt die Körper der Performenden in Kontrast zu post-dystopischen Umgebungen.

Mit seiner Dokumentation Unplugged erkundet der Regisseur Mladen Kovačević die Tradition des Blätterblasens, eines Musizierens mit den Mitteln der Natur im ländlichen Serbien - und hat damit eine Antwort auf die Frage: Was, wenn der Strom abgeschaltet würde und alle Instrumente verstummen?

Die Sars-CoV-2-Pandemie hat dem Wandel im Erleben der Musik einen zusätzlichen Schub gegeben. Im Vorfeld des Festivals zeigt eine Videoserie seit Mai 2020, wie Musiker*innen die momentanen Einschränkungen produktiv nutzen.

Festival mit Konzerten von s t a r g a z e, Andi Toma & Jan St. Werner (Mouse on Mars), Olivia Block, DeForrest Brown Jr., Forbes Graham, Bonnie Jones, George Lewis, Adi Gelbart & KNM; Vorträgen und Installtionen von Holly Herndon & Mat Dryhurst, Agnès Gayraud, Interspecifics u.v.a.
Videoserie mit Beiträgen von Lucrecia Dalt, Barbara Morgenstern, Matias Aguayo, Lamin Fofana, Tellavision, Eblis Álvarez (Meridian Brothers) u.v.a.

Festival und Videoserie kuratiert von Zuri Maria Daiß und Detlef Diederichsen.

Das komplette Programm unter www.hkw.de/verschwindendermusik

Alle Veranstaltungen finden unter den geltenden Schutz- und Hygienebestimmungen statt.
Im Falle von Programmänderungen aufgrund der aktuellen Situation werden Ticketinhaber*innen zeitnah per E-Mail informiert.
Wichtige Informationen zu Ihrem Besuch: hkw.de/besuch

Hauch unterstützt von Musik der Jahrhunderte und dem Elektronischen Studio der Akademie der Künste.
Escape from America [Total Recall] in Kooperation mit Non-Event und Goethe Institut.
Im Rahmen von Das Neue Alphabet (2019-2021), gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Das Haus der Kulturen der Welt wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Auswärtigen Amt.

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