Die Kölner Saxofonistin Luise Isabel Volkmann wird mit dem "Kathrin-Preis / Kathrin Lemke Scholarship for Young Jazz Improvisers" 2021 ausgezeichnet. Der Preis ist nach der 2016 im Alter von nur 44 Jahren verstorbenen Berliner Jazz-Saxofonistin Kathrin Lemke benannt, die am 27. September 1971 in Heidelberg geboren wurde
Gemeinsam mit Kathrin Lemkes Mutter, Irene Lemke-Stein, der Mannheimer DESTAG-Stiftung, dem Internetportal jazzpages.de und der Zeitschrift JAZZTHETIK stiftet das Jazzinstitut Darmstadt die Auszeichnung, die alle zwei Jahre in Form einer vollfinanzierten, einwöchigen Werkstattphase in Darmstadt gewährt wird.
Erster Preisträger 2019 war der Perkussionist Joss Turnbull.
Die Workshop-Woche des zweiten Kathrin-Preises findet vom 11. bis 17. April 2021 statt. Luise Volkmanns Residenz in Darmstadt, in der sie sich mit der intensiven Ästhetik und Musik des afrofuturistischen Komponisten Sun Ra auseinandersetzen wird und mit ihrem frischformierten zehnköpfigen LEONESauvage Ensemble eine neuartige Performance erschaffen möchte, endet am Samstag, den 17. April mit einem Werkstattkonzert in der Bessunger Knabenschule. Nach Stand der Dinge kann dieses nur virtuell stattfinden. Die offizielle Verleihung des Kathrin-Preises an Luise Volkmann und das Preisträgerkonzert mit LEONESauvage finden dann im Rahmen des 17. Darmstädter Jazzforums "Roots_Heimat – Wie offen ist der Jazz?" am 1. Oktober 2021 statt.
Neben Luise Volkmann waren fünf weitere Musikerinnen von den Mitgliedern der Jury für den Preis nominiert worden: Almut Kühne, Rieko Okuda, Marie Krüttli, Els Vandeweyer und Theresia Philipp.
Wolfram Knauer (Juryvorsitzender): "Luise Volkmann ist eine geradezu idealtypische Trägerin des Kathrin-Preises. Ihre intensive Auseinandersetzung mit den afroamerikanischen Wurzeln und Konventionen des Jazz, immer im Bewusstsein um die eigene Position einer im Hier und Jetzt spielenden westeuropäischen Musikerin, nimmt Diskurse auf, die in der heutigen Zeit viele junge Menschen weltweit bewegen."
Die Faszination, durch Kunst eine ideale Gesellschaft zu erschaffen
Für Luise Volkmann steckt auch in instrumentaler Musik politische Aussagekraft. An Sun Ras Musik fasziniert sie, wie dessen crossmediale Bühnenrituale das Publikum dazu zwingt, sich mit dem in der afroamerikanischen Kultur verankerten Geist hinter der Musik auseinanderzusetzen. Mit LEONEsauvage hat sie ein Konzept entwickelt, das als eine Art "soziomusikalisches Konstrukt" ähnliches erreichen will: Rituale entwerfen, Kultur inszenieren, Ausrasten, Tanzen ... LEONEsauvage wurde bereits in Paris und Kopenhagen realisiert, jeweils mit lokalen Musiker:innen. Beim Kathrin-Preis wird Luise Volkmann für eine neue, NRW-basierte Ausgabe der Band recherchieren und proben.
Ihre Kurzresidenz in Darmstadt wird dabei alle Möglichkeiten auskosten, die sich in unserer Stadt bieten: Sie plant Recherchen in den Archiven des Jazzinstituts zu Sun Ra, zur afrikanischen Diaspora, zum Black Atlantic, zum sozio-musikalischen und politischen Einfluss von Musik, und während der Proben mit dem neuen Ensemble wird sie mit ihren Kolleg:innen auch den Unterbau ihres Projekts diskutieren, die afro-amerikanische Diaspora also und wie wir als Europäer mit dieser umgehen. Hier will Luise Volkmann zu Ritualität recherchieren, um ein neues Ritual frei von kultureller Aneignung zu erfinden und zugleich gemeinsam mit einer Bühnbildnerin und Designerin vielleicht auch einen verrückten Kleidungsstyl entwickeln, der Tradition aufnimmt und gleichzeitig etwas Neues schafft.
Luise Volkmann ist dabei eine geradezu idealtypische Trägerin des Kathrin-Preises. Ihre Auseinandersetzung mit den afro-amerikanischen Wurzeln und Konventionen des Jazz im Bewusstsein um die eigene Position einer im Hier und Jetzt spielenden westeuropäischen Musikerin nimmt Diskurse auf, die in den Musikszenen von Köln, Berlin, Kopenhagen, Paris, London, New York und sonstwo geführt, die aber immer auch gerade in Darmstadt thematisiert werden. LEONEsauvage ist dabei keinesfalls ein "Antragsprojekt"; es setzt Recherchen fort, die Volkmann in ihrer Musik genauso wie in ihrem Engagement zu diversen gesellschaftspolitischen Themen geführt hat, und es fußt auf den Erfahrungen, die sie mit den Pariser und Kopenhagener Editionen sowie mit anderen Projekten (wie etwa dem Großensemble Été Large) sammeln konnte.
Termin: Luise Volkmann wird vom 11. bis zum 17. April 2021 in Darmstadt an ihrem Projekt arbeiten. Am Freitag, dem 1. Oktober 2021, wird sie bei einem Konzert in Darmstadt offiziell den Kathrin-Preis entgegennehmen.
Informationen zur Preisträgerin Luise Volkmann
Die 1992 geborene Saxofonistin und Komponistin Luise Volkmann stammt ursprünglich aus Bielefeld. Sie studierte Jazzsaxofon und Flöte an den Musikhochschulen in Leipzig und Paris und macht derzeit ihren Master in Jazzkomposition und Musikwissenschaft in Köln. Ihre Arbeit spielt sich im Bereich des zeitgenössischen Jazz, der Komposition sowie der freien Improvisation ab. Als Komponistin war sie 2016 Artist in Residence in der Cité Internationale des Arts de Paris. Sie war von 2014 -2020 Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung.
2017 veröffentlichte Luise Volkmann ihr Debütalbum mit Été Large bei Nils Wograms Label nWog Records, das von der ZEIT unter die besten Alben 2017 gewählt wurde. 2019 erhielt sie den Auftrag für eine Komposition zum Bauhaus-Jubiläum; 2020 gewann sie eine Kompositionsresidenz im italienischen Montepulciano.
Ihre Reisen und ihr Leben in Deutschland, Frankreich, Dänemark, in Nahost und Brasilien haben sie zu verschiedenen künstlerischen und sozio-kulturellen Projekten inspiriert. In den drei Schaffensjahren in Paris kooperierte sie mit den unterschiedlichen Kollektiven COAX, Tricolectif und Umlaut und spielte auf deren Festivals. Sie ist Teil des Collectif Loo. In Paris gründete Volkmann die beiden Large Ensembles LEONEsauvage und LEONEsurprise sowie die beiden Quartette Lavanda und Coi.te Quatuor, die Musiker:innen aus Jazz, Neuer Musik und Klassik verbinden. Vor allem mit LEONEsauvage arbeitete sie mit unterschiedlichen Gästen wie Satoko Fujii, Sylvain Kassap, Sylvaine Hélary und Natsuki Tamura zusammen. Außerdem arbeitete sie in Paris verstärkt auch als Performancekünstlerin, etwa in Projekten mit dem dortigen Goethe-Institut ("Nuit Blanche", "Beyond Seeing Exposition").
2019 veröffentlichte Luise Volkmann als zweites Album bei nWog Records "RGB" mit dem Trio Autochrom mit Max Santner und Athina Kontou. Das Trio spielte Release-Tourneen in Skandinavien, Deutschland und Frankreich. Kontou und Santer sind außerdem Teil ihrer Großformation "Été Large", die im Herbst 2020 das zweite Album veröffentlichte und aus dreizehn Musikern und Musikerinnen aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen, Dänemark und Schweden besteht. Nach drei Jahren mit Paris als Zentrum ihres Schaffens lebt die Musikerin seit Herbst 2018 in Köln.
BR Klassik bezeichnete ihre Kompositionen mit Elementen aus Jazz und Klassik als "Kammerjazz". Stefan Pieper charakterisiert sie in der Jazz-Zeitung: "Aber wo andere – gerade in großen Besetzungen – labyrinthisch oder auch mal zu exaltiert daherkommen, transportiert Luise Volkmanns eigenwillige musikalische Sprache etwas Entwaffnend-Uneitles!"
Aktuelle Produktion: Été Large – When the Birds Upraise Their Choir, 2020, nWog Records
Zur Webseite der Preisträgerin: www.luisevolkmann.com
Informationen zum Kathrin-Preis
Die Freiheit zu träumen "Vielleicht werde ich später mal Konzerterin!" (Kathrin Lemke, mit 7 Jahren)
Träume spielen in der persönlichen und professionellen Entwicklung junger Musikerinnen und Musiker eine bedeutende Rolle. Musikalische Wünsche und Sehnsüchte zu verwirklichen fördert die Fähigkeit, die notwendige Reife für ein manchmal entbehrungsreiches Künstlerleben zu erlangen.
Die Saxofonistin Kathrin Lemke (1971-2016) beschäftigte sich ihr Leben lang mit der Ausformung ihres persönlichen Sounds und ihrer eigenständigen kompositorischen Handschrift. Ihr war bewusst, dass manchmal kleine Beiträge helfen, ein erträumtes oder bereits angefangenes Projekt Realität werden zu lassen, das dann einen wichtigen Baustein in der Entwicklung zur Musikerpersönlichkeit darstellt. An diese Haltung schließt der "Kathrin‐Preis" an: Er soll in Form einer voll finanzierten Arbeits- oder Werkstattphase im Jazzinstitut Darmstadt jungen Musikerinnen und Musikern eine Woche lang den Rücken für künstlerische, pädagogische oder inszenatorische Projekte freihalten. Er soll Anstoß sein, künstlerisch Neues zu entwickeln oder bestehende Ideen zu verwirklichen.
Grundstock von 25.000 Euro für die ersten fünf Auflagen
Aus dem Nachlass von Kathrin Lemke stiftete ihre Mutter, die Heidelberger Journalistin Irene Lemke‐Stein, insgesamt 25.000 Euro zur Förderung junger Jazzmusiker. Diesen Betrag stellte sie dem Jazzinstitut Darmstadt als zweckgebundene Spende zur Verfügung, welches damit wiederum 2018 den "Kathrin‐ Preis – Kathrin Lemke Scholarship for Young Jazz Improvisers" – ins Leben rief. 2020 stockte die Mannheimer DESTAG-Stiftung den Preistopf mit insgesamt 20.000 Euro auf – jeweils 5.000 Euro bei den kommenden vier Auflagen.
Die Auszeichnung wird fortan alle zwei Jahre von der Mutter der Musikerin, dem Jazzinstitut Darmstadt sowie der Zeitschrift JAZZTHETIK und dem Internetportal jazzpages.de vergeben. Erster Preisträger im Jahr 2019 war der Perkussionist Joss Turnbull (Video zur Preisverleihung).
Residenz, Werkstattphase, Preisträgerkonzert – alle zwei Jahre in Darmstadt
Die Auszeichnung wird in Form einer Residenz gewährt. Diese besteht aus einer einwöchigen Werkstattphase im Jazzinstitut Darmstadt, als deren Abschluss die offizielle Verleihung des Preises und ein Preisträgerkonzert stattfinden.
Die Werkstattphase selbst kann zum Beispiel zur Durchführung eines vorgeschlagenen Projektes oder als Probenzeit vor einer CD‐Produktion oder Tournee, für die Entwicklung genreübergreifender Programme, die Vorbereitung einer Studienreise ins Ausland, als Kompositionszeit oder ähnliches genutzt werden. Über die inhaltliche Ausgestaltung der Woche bestimmen die Ausgezeichneten selbst. Während dieser Woche werden alle Kosten, die unmittelbar mit der Werkstattphase verbunden sind, wie Fahrten, Unterkunft, Tagegeld, Probenhonorare, Honorare für Gastmusiker:innen, Raum‐ und Instrumentenmieten usw. von den Stiftern des Preises übernommen.
Am Ende der Woche geben die Preisträger:innen ein öffentliches Abschluss‐ oder Werkstattkonzert in Darmstadt, bei dem dann auch die feierliche Verleihung des "Kathrin‐Preises" erfolgt.
Namhafte Jury nominiert Young Jazz Improvisers und wählt die Preisträger aus
Die Preisträger:innen können auch aus dem Ausland kommen und werden von einer achtköpfigen Jury ausgewählt. Eine Eigenbewerbung ist nicht möglich.
Der Jury gehören musikalische Wegbegleiter und Freunde Kathrin Lemkes an, etwa der Pianist Jörg Hochapfel oder der Saxofonist Johannes Schleiermacher, Musikerkolleginnen wie die Saxofonistin Angelika Niescier und die Schlagzeugerin Eva Klesse, außerdem der Musikjournalist Hans-Jürgen Linke, der Fotograf Frank Schindelbeck, die Musikpädagogin Angela Ballhorn und die Kulturmanagerin Lena Jeckel. Den Vorsitz der Jury hat Wolfram Knauer, Direktor des Jazzinstituts Darmstadt.
Die Preisträgerin oder der Preisträger wird jeweils am 27. September im Vorjahr der Vergabe bekanntgegeben, dem Geburtstag von Kathrin Lemke.