Die Komponistin Olga Neuwirth ist die diesjährige Preisträgerin der Christoph und Stephan Kaske Stiftung. Der Preis wurde am Dienstagabend (12. November 2019) in München im Künstlerhaus am Lenbachplatz verliehen. Die Laudatio hielt die Komponistin Konstantia Gourzi.
Musik machen – das heißt für die Österreicherin Olga Neuwirth Haltung zeigen. "Ich lasse mich nicht wegjodeln“, übertitelte sie zum Beispiel eine Rede, die sie anlässlich einer Großdemonstration in Wien am 19. Februar 2000 gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ hielt.
Oft werden Komponistinnen gefragt, wen Sie sich als Hörer vorstellen, wenn sie allein – selten im Team – an ihren Werken arbeiten. Olga Neuwirth besitzt eine klare Vorstellung von "ihrem“ Hörer: "Ich möchte bewusst denkende Menschen, Selberdenker, als Zuhörer haben, die in der Musik und in der Kunst überhaupt die Widerspiegelung des suchenden Menschen sehen, der entschlossen ist, das Gewohnte zu begreifen, das Herrschende zu überwinden und ins Unbekannte vorzustoßen – der daher seiner Umgebung gegenüber offener und toleranter ist.“
Diese Selberdenker beschenkt und überrascht die Selberdenkerin Olga Neuwirth seit Jahrzehnten mit ihren musikalischen Einfällen – unbeqem, beharrlich, undogmatisch und mit trotzigem Kampfgeist!
Beeindruckend ist die Vielfalt ihres Schaffens: Musiktheater und Oper, Orchestermusik, Kammermusik, Vokalmusik, Radio-Stücke, Theatermusiken, Filmmusik, Installationen, Ausstellungen und Performances.
Film und Medienkunst, Wissenschaft und Architektur, Literatur und Bildende Kunst verschmelzen bei Olga Neuwirth zu einem genreübergreifenden und audiovisuellen Werkschaffen. Mit ihren scheinbar unerschöpflich sprudelnden Einfällen, die über den Konsens der Neue-Musik-Szene hinausweisen, und nicht zuletzt mit ihrer künstlerischen und menschlichen Haltung hat die Komponistin die Jury überzeugt.
Olga Neuwirth zählt zu den bedeutendsten Komponistenpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Tochter des Jazz-Musikers Harry Neuwirth und Nichte des Musikwissenschaftlers und Wiener-Schule-Spezialisten Gösta Neuwirth wuchs die heute 50-Jährige in der Tradition beider Musikformen auf.
Ein Unfall machte ihren ursprünglichen Plan, Jazz-Trompeterin zu werden, zunichte und so begann sie bereits mit 15 Jahren mit dem Komponieren.
Olga Neuwirth studierte Komposition an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst und am Elektro-Akustischen Institut, beide in Wien. Weitere Studien folgten in San Francisco und Paris.
Mit Mini-Opern nach Texten von Elfriede Jelinek erregte sie 1991 erstmals internationale Aufmerksamkeit. Neue Medien und alte Instrumente sind für Olga Neuwirth keine Widersprüche. 2003 erfolgte beim "steirischen herbst“ in Graz die Uraufführung des Musiktheaters Lost Highway nach dem gleichnamigen Film von David Lynch. Bei den Salzburger Festspielen wurde ihr Trompetenkonzert von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt. Im gleichen Jahr wurde die Komponistin in die Akademie der Künste Berlin berufen. Olga Neuwirth nahm 2007 an der documenta 12 mit der Klanginstallation ...miramondo multiplo... teil.
Olga Neuwirth erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Als erste Komponistin überhaupt wurde sie 2010 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis geehrt.
Bei der Preisverleihung in München hat das Ensemble Zeitsprung unter Leitung von Markus Elsner die beiden Neuwirth-Kompositionen incidendo/fluido (für Piano solo und Zuspiel-CD) sowie Quasare/Pulsare II (für Violine, Violoncello und Piano) aufgeführt.
Die Christoph und Stephan Kaske Stiftung wurde 1988 von Karlheinz und Christiane Kaske in Erinnerung an ihre Söhne Christoph und Stephan mit dem Ziel gegründet, neue Musik zu fördern. Im Geiste dieser Gründungsidee entwickeln Joachim und Dagmar Kaske und ihre Kinder Katharina, Johannes und Fabian die Stiftung weiter.
Die Jury, die den jährlichen Preisträger der Stiftung auswählt, besteht aus den Stiftungsbeiräten Konstantia Gourzi, Minas Borboudakis, Theo Geissler und Andreas Kolb. Der Preis ist mit 7500 Euro dotiert.
Den Preis der Stiftung gibt es seit 1989 und Preisträger waren seither u.a. Pierre Boulez, Peter Eötvös Kaija Saariaho, Mark Andre, Enno Poppe, Josef Anton Riedl, Isabel Mundry und Georges Aperghis.