Kulturschaffende und Kulturverbundene in der Republik und auch der Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen und seine Vereine und Verbände sind irritiert darüber, dass in der Rede von Tom Buhrow im Übersee-Club in Hamburg ausgerechnet die Kultur an den Pranger gestellt wird. Sind die Aufwendungen für Kultur wirklich das Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Der Kulturauftrag wurde vom Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt und eingefordert, er hat unsere Demokratie stets gestärkt und er stellt die Grundlage für den verpflichtenden Rundfunkbeitrag dar. Die Kosten pro Sendeminute von Tatort und Bundesliga übersteigen diejenigen einer Kultursendung im Fernsehen bei weitem.

Buhrow wollte mit dem Vorschlag, die Klangkörper zur Disposition eines großen Runden Tischs der Neuverhandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stellen, ein Beispiel geben, was der Tisch verhandeln könnte. Der Runde Tisch könnte auch auf andere Leistungen von ARD und ZDF verzichten. Doch die Beispiele verraten eine gefährliche Distanz zum Kultur- und Bildungsauftrag. Buhrow hat unserer Gesellschaft damit einen Bärendienst erwiesen. Schaden nimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk ebenso, wenn er sich von seiner regionalen Struktur lossagt, denn sie stiftet Identität – auch im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung. Die Abbildung des regionalen Musiklebens durch Übertragungen, Veranstaltungen und Berichterstattungen bindet Hörerinnen und Hörer. Zum Programmauftrag gehört unserer Meinung nach auch, einem größeren Publikum die Vielfalt musikalischer Stilrichtungen in der professionellen und in der Amateurmusik zu publikumsfreundlichen Sendezeiten und in angemessenen Anteilen zu präsentieren.

Es ist wahr, dass die Klangkörper, also die Orchester, Big Bands und Chöre, Personalstellen binden und dass Stellenkürzungen mit Blick auf das Repertoire nur begrenzt möglich sind. Die Sender können Orchester, selbst wenn sie es wollten, auch nicht komplett streichen, denn aufgrund der Alters- und Vertragsstrukturen würde es Jahrzehnte dauern, bis es Einsparungen gäbe. Das weiß auch der WDR-Intendant, es dennoch zu fordern, ist purer Populismus. Und die – wenn auch als Frage geäußerte – Ansicht, dass eine Beethoven-Sinfonie in Heidelberg, Halle oder Hamburg immer gleich klingt, also unabhängig etwa von der Akustik der Säle oder davon, ob sie live oder aus der Konserve ertönt, besorgt nicht nur Klassik-Fans.

Reinhard Knoll, Präsident des Landesmusikrats NRW: „Der WDR-Intendant sagt nichts darüber, welchen großen Beitrag die Orchester und der WDR zum Kulturleben der Regionen leisten, welchen Beitrag zur Bildung durch die Initiativen und Projekte zur Musikvermittlung, was angesichts von fehlendem Musikunterricht in den Schulen nicht zu unterschätzen ist. Buhrow schweigt auch darüber, welche Rolle zum Beispiel das WDR-Sinfonieorchester und der WDR durch Kompositionsaufträge und die Wittener Tage für neue Kammermusik für die aktuelle Kunstmusik haben.“

Die Deutsche Orchestervereinigung rechnet vor, dass für die Klangkörper der ARD etwa 36 Cent von der Rundfunkabgabe in Höhe von derzeit 18,36 Euro ausgegeben werden. Das ist nicht wenig, aber ist es unangemessen viel?

Im Bereich Information schätzt die politisch interessierte Hörerschaft, sowohl WDR 5 als auch Deutschlandfunk empfangen zu können. Vielfalt ist besser als nur eine Meinung und bundesweit nur eine Welle für Information und für Kultur. Wie soll eine Welle den verschiedenen Regionen gerecht werden? Es ist in der öffentlichen Wahrnehmung ja jetzt schon ein Problem, wenn über Ereignisse im Rheinland mehr berichtet wird als über solche im Ruhrgebiet oder in Westfalen. Auch etwas anderes darf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht abhandenkommen: Qualitätsjournalismus und Fachlichkeit.

Um eine Veränderung des Systems kommt man sicher nicht herum, denn aus Kostengründen kann keine parallele lineare und digitale Struktur aufgebaut und weitergeführt werden. Der crossmediale Umbau hat bereits begonnen und höhlt das lineare Fernsehprogramm mehr und mehr aus. Die Luft aus zu vielen Wiederholungen wird auf die eine oder andere Art entweichen müssen. Da vieles auch am Geld hängt, sind Einzelfälle von Vorteilsnahmen, Vetternwirtschaft und überhöhten Gehältern, wie sie jetzt beim RBB bekannt wurden, Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf ein Minimum reduziert sehen wollen – weil er in Konkurrenz zu den eigenen kommerziellen Interessen steht. Und vergessen werden darf überdies nicht, dass bei einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der dem Gemeinwohl dienen soll, Fairness den Kulturschaffenden und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber angebracht ist, sei es bei der Vergütung von Rechten oder von erbrachten Leistungen. Das kostet auch Geld, wir sollten es uns leisten.

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