„Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten“, meinte einmal der österreichische Komponist Gustav Mahler. Was motiviert also schätzungsweise mehr als drei Millionen Sängerinnen und Sänger in Deutschland dazu, sich privat in einem Laienchor zu engagieren? Wie sind sie soziodemographisch zu charakterisieren? In welcher Weise sind sie musikalisch sozialisiert? Solchen Fragen ging eine umfangreiche empirische Studie nach, die von der Professur für Musikpädagogik und Musikdidaktik der KU (Prof. Dr. Peter Brünger) und dem Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Prof. Dr. Gunter Kreutz) gemeinsam durchgeführt wurde. An der standardisierten Befragung, die online und in Papierform erfolgte, nahmen im Zeitraum von Mai bis August 2008 mehr als 3100 Personen teil (32 Prozent männlich, 68 Prozent weiblich).
Chorsängerinnen und –sänger sind laut der Studie hinsichtlich zentraler soziographischer Merkmale untypisch für den Bevölkerungsdurchschnitt und zeigen sogar „ein von der Gesamtbevölkerung eklatant abweichendes Profil“: Auffällig sei der unerwartet geringe Anteil von Hauptschülern sowie der hohe Anteil an Chorsängern mit höheren Bildungsabschlüssen. Dieser vergleichsweise hohe Bildungsgrad der Befragten spiegele sich auch in der beruflichen Stellung der Chorsänger wider. Insgesamt 82 Prozent der Befragten könnten der erwerbstätigen Bevölkerung zugerechnet werden. Lediglich 2,7 Prozent gaben an, entweder arbeitslos oder noch nie berufstätig gewesen zu sein. „Dies legt nah, dass soziokulturelle Einflüsse Mitgliedschaften in Chören stark beeinflussen“, so Brünger und Kreutz.
Aus musikpädagogischer Sicht und vor dem Hintergrund, dass ca. 80 Prozent des Musikunterrichts an Grundschulen ausfielen bzw. fachfremd erteilt würden, sei bemerkenswert, dass die meisten Chorkarrieren in der Grundschule begonnen haben. Für knapp die Hälfte aller Sängerinnen und Sänger sei es zudem die Musiklehrkraft der Grundschule gewesen, die erste Chorerfahrungen vermittelt habe. Ihr Einfluss sei erstaunlicherweise erheblich größer als der Einfluss direkter familiärer Bezugspersonen. Bis zum zwölften Lebensjahr beginnen 60,6 Prozent und bis zum 32. Lebensjahr 90,0 % der Befragten mit dem Singen in Chören. Verhältnismäßig wenige Menschen würden in mittleren und höheren Lebensaltern Chören beitreten. „Diese Daten zeigen, dass die musikalischen Angebote und Aktivitäten der Grundschule ein Fundament für die Motivation bilden, sich einem Chor anzuschließen.“ Im Durchschnitt hätten die Befragten rund 20 Jahre Chorerfahrung; Chorsingen sei eine Freizeitaktivität, die offensichtlich für die meisten Sängerinnen und Sänger einen bedeutenden Teil ihrer Lebensgestaltung bilde.
Die vorliegende Untersuchung zeige abweichend von bisher bekannten Daten ein neues Bild der Laienchorlandschaft, die sich stilistisch in den vergangenen zwei Jahrzehnten differenziert habe: Mehr als drei Viertel aller Chorsänger sei der Tradition entsprechend in einem Gemischten Chor aktiv. An zweiter Stelle rangiere zahlenmäßig der Projektchor, der sich entsprechend seiner Definition über einen vereinbarten Zeitraum mit spezieller Chorliteratur beschäftige und zumeist nicht vereinsmäßig organisiert sei. „Frauenchöre, insbesondere aber Männerchöre spielen rein statistisch betrachtet nur noch eine relativ geringe Rolle“, so die Wissenschaftler. Weit mehr als 1,5 Millionen Menschen seien Mitglied in einem Laienchor unter dem Dach des Deutschen Chorverbands. Etwa genau so groß werde noch die Zahl der Sängerinnen und Sänger in Chören geschätzt, die nicht in einem Verband organisiert sind.
Die ausführliche Studie erscheint im Frühjahr in „Musicae Scientiae (Journal of the European Society for the Cognitive Sciences of Music)”.
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