Musik ist zweifellos ein Momentum, mit dem sich alle Kulturen, ob vergangene oder gegenwärtige, auseinandersetzen. Historische Kulturen zu verstehen, bedeutet daher auch, nach deren Musik zu fragen. Die Verflechtung antiker Musikkulturen – des Vorderen Orients, Ägyptens, Griechenlands und Roms – offenbart eine kulturelle Konstante, deren Vermächtnis sich in der abendländischen und orientalischen Musik zeigt. So geht unser modernes Tonsystem auf griechische, ja sogar auf babylonische Tonleitern zurück. Die griechische Kithara gab der modernen Gitarre ihren Namen. Vorläufer der europäischen Kirchenorgel ist die so genannte Hydraulis, eine griechisch-römische Erfindung aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert. Noch heute werden viele Musikinstrumente, die vor über 4000 Jahren zwischen Euphrat und Tigris "erfunden“ wurden, in arabischen und afrikanischen Kulturen, aber auch in nord- und osteuropäischen Ländern gespielt.
In der Sonderausstellung MUS‐IC‐ON! Klang der Antike werden in der Antikenabteilung des Martin von Wagner‐Museums die Klänge und Musikwelten alter Kulturen wieder zum Leben erweckt. Dies geschieht durch die Ausstellung nicht nur greifbarer, sondern auch spielbarer Nachbauten antiker Musikinstrumente. Sie stammen aus den Kulturkreisen des Vorderen Orients, Ägyptens sowie Griechenlands und des alten Rom und sind teilweise bis zu 4500 Jahre alt. Hierin besteht das Innovative von MUS-IC-ON!: der multimediale Zugang zur Musik vergangener Kulturen. Zusätzlich zu den Musikinstrumenten, die von den Besuchern gespielt werden können, erheben mehrere Medienstationen sowie ein Audioguide mit Klang- und Musikbeispielen die Ausstellung zu einem alle Sinne ansprechenden Erlebnis.
Ein Rundgang durch die Ausstellung
Angelehnt an die Wanderausstellung Archaeomusica des von der EU geförderten European Music Archaeology Project (EMAP) setzten sich die Kuratoren von MUS-IC-ON! Klang der Antike zum Ziel, die Klänge der Antike verstärkt über das eigene Spiel der Musikinstrumente den Besuchern erlebbar zu machen. Neben unzähligen Replikaten, die im Zuge der Arbeiten von EMAP hergestellt und der Würzburger Ausstellung zur Verfügung gestellt werden konnten, wurden weitere, unter anderem auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Nachbauten für die Ausstellung hergestellt. Nicht zuletzt wird hierdurch die Möglichkeit geboten, zumindest die ‚Klänge‘ antiker Musikinstrumente zu neuem Leben zu erwecken. Ganz bewusst wird in der Ausstellung auch auf die Vermittlung absoluter Wahrheiten verzichtet. So jung die interdisziplinäre musikarchäologische Forschung nämlich ist, so lebendig wird diskutiert und so offen sind Lösungen für Probleme, die erst als solche benannt wurden.
Bereits über ihre Namen, "Ursprünge“ – "Spurensuche’ – "Werkstatt“ – "Musikwelten“ – geben die vier Ausstellungsräume eine Idee von den Inhalten, die den Besucher dort erwarten. Einblicke in die Anfänge von den ersten, von Menschenhand erzeugten künstlichen Klängen und schließlich der Entstehung von Musik erhält der Besucher im Raum "Ursprünge“. Präsentiert werden hier unter anderem Nachbauten vieler prähistorischer Objekte, die von den Anfängen des Musikinstrumentenbaus erzählen. Dazu gehören unter anderem die bislang ältesten, aus Knochen und Bein gefertigten Flöten aus der Schwäbischen Alb, die in die Aurignacien-Zeit (42000-38000) datiert werden können.
Auf die "Spurensuche“ begibt sich der Besucher beim differenzierten Blick auf die verschiedenen Quellen zur antiken Musik, seien es Bild- und Schriftmedien wie griechische Münzen oder mesopotamische Keilschrifttafeln oder auch Überreste und Einzelteile der originalen Musikinstrumente.
Mit dem Wissen der Prinzipien der Klangerzeugung ausgestattet werden in der "Werkstatt“ prominente antike Musikinstrumente vorgestellt und deren räumlich und zeitliche Entwicklung vor Augen geführt. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Methoden für den Weg vom archäologischen Fundstück zum spielbaren Instrument aufgezeigt und für die Frage nach der Bedeutung des Instruments auch die archäologischen Fundumstände einbezogen.
Liegt mit dem Fund der berühmten stierförmigen Leiern aus den Königsgräbern von Ur (Irak) eine umfassende Dokumentation originaler Instrumente vor, wonach ein adäquater Nachbau erfolgen kann, so ist das bedeutendste Instrument der griechischen Antike, die Kithara, ausschließlich in Bildquellen dokumentiert. Bedingt durch die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Interpretation werden in der Ausstellung gleich mehrere Nachbauten dieses Instruments präsentiert. Die jüngste Deutung seiner Konstruktion von Dr. Ralf Gehler (Schwerin) konnte ein neuer für die Ausstellung angefertigter Nachbau realisiert werden.
Anschließend begibt sich der Besucher in die "Musikwelten“, dem Herzstück der Ausstellung MUS‐IC-ON!, von der Frage geleitet: Zu welchem Zweck wurden die Instrumente eingesetzt und welche Wirkung sollten diese Klänge erzielen?
Die Grenzen dieser Welt überschreitet Musik im Bereich des "Überirdischen“. Tief surrende Leiern und hell klingende Sistren und Zimbeln dienen der Kommunikation mit den Göttern oder zur Vertreibung von Dämonen. Ein Highlight ist hier der für die Ausstellung angefertigte Nachbau der übermannshohen Kastenleier aus Anatolien, die lediglich von einer reliefierten Vase bekannt ist. Daneben ist aber auch der irdische Einsatz von Instrumentalklängen bedeutsam, ob das "Signal“ bei der Schlacht oder Schalmeien‐ und Harfenklänge bei "Fest und Symposion“. Am Höhepunkt dieser für die Ausstellung konzipierten Entwicklung steht das "Konzert“, bei dem der Selbstzweck des reinen Klangs im Musiker und Virtuosen seinen Ausdruck findet.
Weitere Informationen finden Sie au der Homepage https://www.phil.uni-wuerzburg.de/musicon
Besonderheiten
- Leihgeber: 34 Leihgebende Institutionen und Privatpersonen
- Objekte: über 300 Exponate
Nachhaltigkeit
- Das Martin von Wagner Museum wird maßgeblich neu ausgestattet mit Exponaten (u.a. deutschlandweit einmalige Nachbauten von Musikinstrumenten;3D-Drucke und Abgüsse von weltberühmten Artefakten).
- Ein Begleitband im Umfang von 200 Seiten mit Beiträgen von Universitätsmitgliedern, Studierenden und externen Experten in der musikarchäologischen Forschung wird erstellt.
- Der Museums-Homepage wird dauerhaft ein Online-Portal mit weiteren Daten zu den Ausstellungsstücken und Klangbeispielen angegliedert.
Eckdaten
Ort: Ausgestellt wird in vier Räumen der Antikensammlung des Martin von Wagner-Museums auf insgesamt 300 qm.
Zeit: Eröffnet wird "MUS-IC-ON!“ am 10. Dezember 2019 und wird bis zum 12. Juli 2020 zu sehen sein.
Personen: Die Ausstellung wird in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Dr. Florian Leitmeir (Klassische Archäologie), Dr. Dahlia Shehata (Altorientalistik) und Dr. Oliver Wiener (Institut für Musikforschung) vorbereitet, die in Planung und Organisation durch das erfahrene und spezialisierte Museumspersonal unterstützt.
Begleitband
ISBN 978-3-95826-122-8
URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-188181