Mann erzeugt Klänge mittels mit Wasser gefüllten Gläsern
Konzert während der Donaueschinger Musiktage 2021  
Foto:  Ralf Brunner  /  SWR

Zeitgenössische Musik ist weder ein stabiler, konturenscharfer Begriff, noch bezeichnet dieser ein ästhetisch präzise abgezirkeltes Terrain. Er benennt vielmehr eine bemerkenswert vielfältige Kunstklangproduktion von heute und den Jahrzehnten zuvor sowie eine aktuelle vielgesichtige, offene und offener werdende Szene.

Die Infrastruktur der zeitgenössischen Musik in Deutschland ist in ihrer Vielfalt bemerkenswert. Schon die Zahl der deutschsprachigen Bezeichnungen, die synonym für die in den letzten gut 100 Jahren entstandene „ernste“ Musik und das damit verbundene Aufführungs- und Publikationswesen stehen, ist immens und vermag davon einen ersten Eindruck zu vermitteln: z. B. zeitgenössische Musik, Musik des 20./21. Jahrhunderts, moderne Musik, aktuelle Musik, akute Musik, Musik unserer/der Zeit, Avantgarde-Musik, Musik der Gegenwart, neue bzw. Neue Musik (mithin auch neueste Musik). Bereichert wird dieses breite Feld von Begriffen – meist von Journalist*innen oder Konzertveranstaltern erfunden – seit etlichen Jahren noch um inhaltlich weiter gefasste Bezeichnungen wie Klangkunst, audiovisuelle Kunst, Musikperformance, Hörkunst, Radiofonie, Ars Acustica oder Musik im Netz. Deren dazugehörende Phänomene sind oft im Zwischenbereich von Bildender Kunst und (E-)Musik angesiedelt, präsentieren sich als klingende Räume oder tönende Objekte, spielen ästhetisch mit den mannigfachen produktionstechnischen Möglichkeiten der (neuen) Medien und überwinden die traditionellen Grenzen künstlerischer Genres. Auch diese Ausdrucksformen sind oft im Bereich der zeitgenössischen Musik beheimatet und werden auf den einschlägigenFestivals und in der Fachpresse häufig als solche präsentiert. Selbiges gilt für die zwischen arriviertem Jazz und „ernster“ Avantgarde changierende Improvisierte Musik sowie für das sogenannte neue, von der narrativen Oper sich abgrenzende Musiktheater, das seit den 1990er Jahren einen großen Zuspruch erlebt. Kurzum: Zeitgenössische Musik ist weder ein stabiler, konturenscharfer Begriff, noch bezeichnet dieser ein ästhetisch präzise abgezirkeltes Terrain. Er benennt vielmehr eine bemerkenswert vielfältige Kunstklangproduktion von heute und den Jahrzehnten zuvor sowie eine aktuelle vielgesichtige, offene und offener werdende Szene, die sich vornehmlich aus dem Geist der „ernsten“ Musik speist – bislang jedenfalls. Denn die Übergänge zu arrivierten Formen der sich wesentlich rasanter entwickelnden populären Musik und zum Jazz – und umgekehrt von diesen zur neuen Musik – sind mittlerweile überaus fließend. Die einstigen Grenzen und Demarkationslinien zwischen den Genres verringern sich zunehmend, sodass das Spektrum dessen, was der Begriff zeitgenössische Musik alles umfasst, ein großes Terrain verschiedenster musikästhetischer Artefakte benennt.  

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Eine Gruppe von Personen springt während einer Performance
Tanzperformance in Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste  
Foto:  Peter R. Fiebig  /  grafox gestaltung und fotografie

Die stetig wachsende und diversifizierende Mannigfaltigkeit zeitgenössischer Musik bildet ein markantes Kennzeichen unserer Zeit, ein Merkmal, das positiv zu bewerten ist: Noch nie erreichte während der letzten 100 Jahre so viel zeitgenössische Musik die Öffentlichkeit wie heute, noch nie gab es so viele Spezialensembles. Mit dieser vor allem seit den 1980er Jahren zu konstatierenden Entwicklungsdynamik geht ein stark erhöhter Finanzbedarf zur Realisierung von Konzerten und Projekten einher. Denn die zeitgenössische Musik bedarf wie jede andere Form „ernster“ Musik (zu im Übrigen allen Zeiten) der materiellen Unterstützungdurch die Gesellschaft. Doch die z. T. seit Jahren anhaltenden monetären Kürzungen im Kulturbereich (bzw. die gleichbleibenden Haushaltetats bei steigenden Kosten) schränken die weitere Entwicklung der zeitgenössischen Musik als Live-Erlebnis mitunter ein. Immerhin haben einige Kommunen und Bundesländer im Anschluss an das von der Kulturstiftung des Bundes aufgelegte Projekt „Netzwerk Neue Musik“ (2007– 2011) ihre bisherige Förderung in diesem Sektor erhöht. Auch der Bund hat mit dem 2016 auf Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gegründeten Musikfonds ein weiteres Förderinstrument für die zeitgenössische Kunstklangproduktion etabliert, das derzeit mit ca. zwei Millionen Euro ausgestattet ist. Zudem engagieren sich seit einigen Jahren immer mehr private und öffentliche Stiftungen für die neue Musik. Indes haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die bislang verlässliche Finanzsäulen der zeitgenössischen Musik darstellten, ihr Engagement im Vergleich zu dem vor etwa 20 oder 30 Jahren spürbar verringert, vor allem was den Anteil an Eigenveranstaltungen betrifft.

Cellist klopft mit Lutscher gegen sein Musikinstrument
Foto:  Astrid Karger  /  SWR
Dirigent blättert in einer großen Partitur
Donaueschinger Musiktage (2021)  
Foto:  Ralf Brunner  /  SWR
Gitarrist klopft auf seine E-Gitarre und zupft Saiten am Hals des Instruments
Foto:  Astrid Karger  /  SWR

Der derzeitige Stand der zeitgenössischen Musik in der Bundesrepublik Deutschland erweist sich daher als ein ambivalenter: Einerseits ist eine kontinuierliche Zunahme an Komponist*innen, Interpret*innen, Musikwissenschaftler*innen, Produzent*innen und Publizist*innen in diesem Bereich zu konstatieren, zudem ein stetig wachsendes Publikum, das sich sehr für gegenwärtige musikalische Ausdrucksformen interessiert und sich mit ihnen auf hohem Niveau auseinandersetzen darf; andererseits wird dieses ästhetische wie rezeptible Wachstum durch ausbleibende oder nicht genügende finanzielle Mittel oft gebremst. 

Konzert- und Festivallandschaft

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, von denen nahezu alle eine Redaktion für neue Musik unterhalten, sind ein wichtiger Motor für die Vielfalt der zeitgenössischen Musik. Dies betrifft sowohl die Produktion und Information als auch die Distribution. Dabei spielen auch die sendereigenen Klangkörper (Orchester, Chöre, teils auch die Big Bands), von denen sich manche sehr stark für die Musik unserer Zeit engagieren, eine große Rolle. Zudem betreibt der Südwestrundfunk (SWR) seit 1971 das in Freiburg ansässige Experimentalstudio, in dem in Koproduktion von Komponisten und Audiotechnikern (live-)elektronische Werke laborhaft entwickelt und realisiert werden. Mit den alljährlich stattfindenden Donaueschinger Musiktagen (seit 1921) besitzt das Musikleben Deutschlands nicht nur das älteste Festival zeitgenössischer Musik weltweit, sondern zugleich eines der bis heute international renommiertesten. Das Festival wird seit Anfang der 1950er Jahre wesentlich vom SWR in Kooperation mit der Stadt Donaueschingen und anderen Partnern getragen. Ein weiteres wichtiges Festival – die Wittener Tage für neue Kammermusik – veranstaltet der Westdeutsche Rundfunk (WDR) seit 1969 in Allianz mit der Kommune. Auch andere deutsche Sendeanstalten besitzen eigene Festival- und Konzertreihen: etwa das gemeinsam von Deutschlandfunk Kultur und Radio Berlin-Brandenburg (rbb) getragene Festival Ultraschall in Berlin (seit 1998) sowie das seit 2011 im Rhein-Main-Gebiet stattfindende Festival Cresc…, eine Biennale für moderne Musik, die – initiiert und nachhaltig finanziert vom öffentlichen Kulturfonds Frankfurt RheinMain – das Ensemble Modern und das hr-Sinfonieorchester gemeinsammit weiteren Partnern aus der Region realisieren. Die Sinfonieorchester einzelner öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten engagieren sich langfristig für die zeitgenössische Musik auch in eigens dafür gegründeten Konzertreihen, etwa musica viva (Bayerischer Rundfunk, seit 1948) oder Musik der Zeit (WDR, seit 1951), in denen vielfach Auftragskompositionen uraufgeführt werden.

Zentral für die Landschaft der neuen Musik sind auch die gesendeten Musikprogramme, ihre zugleich kultur- wie bildungspolitisch orientierten, über die unterschiedlichsten Aspekte der zeitgenössischen Musik mehrmals pro Woche informierenden Sendungen. Manche Redaktionen für neue Musik haben eigene Sendereihen entwickelt und realisiert, mit denen sie gerade für die Vermittlung zeitgenössischer Musik programmatische und pädagogische Maßstäbe gesetzt haben und so ein überaus großes und breites Publikum erreichen. 

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Ein afrikanisches Ensemble mit verschiedenen klassischen und traditionellen Musikinstrumenten spielt auf einer Theaterbühne
„The Head and the Load“, William Kentridge, Ruhrtriennale (2018)  
Foto:  Ursula Kaufmann  /  Ruhrtriennale 2018

An der institutionellen Schnittstelle von Produktion und Distribution (inklusive Information und Publikation) sendereigener Projekte zeitgenössischer Musik erweist sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland als eine der wichtigsten infrastrukturellen Säulen der neuen Musik. Seine Relevanz kann durch die ergänzende Programmierung von senderfremden Projekten – Aufzeichnungen von Konzerten, Produktionenmit freien Ensembles, Vergabe von Auftragskompositionen (auch elektronische und Hörspiel-Musik), Berichte und Essays von freien Autor*innen – nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumindest für den Hörfunkbereich. In den jeweiligen Fernsehprogrammen ist das Aufkommen zeitgenössischer Musik sehr gering. Im Hörfunkbereich haben sich in den letzten Jahren die Sendeminuten mit zeitgenössischer Musik in manchen Rundfunkanstalten erhöht, in anderen Sendern aber verringert. Deutlich weniger als noch vor einigen Jahren begegnet man der neuen Musik allerdings im Tagesprogramm. 

Kommunen, Länder und Bund

Nahezu in jeder deutschen Großstadt sowie in etlichen kleineren Städten und Gemeinden finden sich namhafte Festivals, Konzertreihen und/oder Initiativen für zeitgenössische Musik. Seit den 1980er Jahren haben sie eher zugenommen, als dass sie weniger geworden sind. Über 100 solcher Aktivitäten in den unterschiedlichsten Kommunen ließen sich auflisten. Manche davon sind nur von kurzlebiger Dauer, andere existieren hingegen schon viele Jahre und sind selbst zur Institution geworden. Großformatige Veranstaltungen wie die beiden großen Berliner Klangkunst-Retrospektiven sonambiente (1996 und 2006) oder Sound Art im ZKM Karlsruhe (2012/13) stellen ausschließlich Werke eines erweiterten Musikwie Kunstbegriffs in den Mittelpunkt ihrer Programmatik und sprengen so den gewohnten Festivalbetrieb. Zuweilen ist die zeitgenössische Musik auch in kommunale Festivals, Musikfeste oder Konzertreihen integriert, sodass sie – z. B. beim Beethovenfest Bonn – eine Programmsäule neben anderen Musikformen bildet.

Bei den auf eine Region ausgerichteten Musikfestspielen, die teils maßgeblich privat finanziert sind (Rheingau Musik Festival, Schleswig-Holstein Musik Festival), beim Musikfest Berlin oder thematischen Projekten wie dem Klavier-Festival Ruhr steht ebenfalls oft Zeitgenössisches, mitunter Brandaktuelles neben Älterem auf dem Programm. Dasselbe gilt auch für einige der auf mehrere Kunstsparten ausgerichteten Veranstaltungen, bei denen die zeitgenössische Musik einen zentralen Programmschwerpunkt neben anderen künstlerischen Produktionen unserer Zeit bildet. Sind diese Mischkonzeptionen finanziell noch verhältnismäßig gut ausgestattet und verfügen über eigene Infrastrukturen, so haben es die rein auf zeitgenössische Musik konzentrierten Festivals in den unterschiedlichsten Städten, die sich meist der Initiative Einzelner oder eines Vereins verdanken, oft schwer, sich längerfristig zu behaupten. Aber es gibt auch einige Verstetigungen und Neugründungen zu benennen. Seit 2002 existiert in Berlin die zu den vom Bund getragenen Berliner Festspielen gehörende MaerzMusik, die sich seit 2014 als „Festival für Zeitfragen“ versteht, sowie – in Nachfolge der 1982 gegründeten Inventionen – das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (Berliner Künstlerprogramm) seit 2014 organisierte Festival experimenteller Musik und Sound Art mit dem Namen mikromusik. Das 2011 gegründete Festival Acht Brücken – Musik für Köln (Nachfolger der programmatisch eher gemischten MusikTriennale Köln) legt den Akzent vornehmlich auf die zeitgenössische Musik und bietet in ihrem Selbstverständnis auch den lokalen Komponist*innen, Klangkünstler*innen und Interpret*innen eine Plattform. Dieses jedenfalls temporäre Zusammengehen von etablierten Institutionen (Kölner Philharmonie) und freier Szene sollte Modellcharakter für andere Kommunen haben. 

Orchester und (freie) Ensembles / Musiktheater

Neben den Rundfunkklangkörpern ist auch auf den Spielplänen der anderen öffentlich finanzierten Orchester zeitgenössische Musik in unterschiedlicher Konzentrierung vertreten. Manche der Orchester engagieren sich regelmäßig für die zeitgenössische Musik, andere spielen sie gelegentlich oder nur selten. Weit über 90 Prozent der (Ur-)Aufführungen von Gegenwartsmusik bestreiten die mehr als 180 professionellen freien Ensembles, die in der Bundesrepublik ansässig sind und die sich auf die Realisation zeitgenössischer Musik spezialisiert haben. Trotz dieses großartigen und ästhetisch zukunftsweisenden Engagements können nur äußerst wenige Ensembles auf einer mehr oder minder soliden Finanzbasis arbeiten: Dazu zählen momentan das Ensemble Modern (Frankfurt am Main), das Ensemble Musikfabrik (Köln), das ensemble recherche (Freiburg i. Br.), das Ensemble Mosaik( Berlin) und die Neuen Vocalsolisten (Stuttgart). Aber auch diese Formationen, von denen keine dauerhaft institutionalisiert ist, müssen wie auch alle anderen Ensembles, darunter viele weitere international renommierte, um ökonomische Kontinuität, mithin gar um ihr Überleben kämpfen. Ein deutliches Zeichen für die eindrucksvolle Musiklandschaft Deutschlands ist die Zunahme neuer Ensembles, was jedoch über die vorherrschend desolate pekuniäre Situation der meisten Formationen nicht hinwegtäuschen darf (s. dazu auch den Beitrag „Freie Ensembles“ von Richard Lorber und Tobias Eduard Schick).

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Musikerinnen und Musiker spielen auf Trommeln und Schüsseln
„Hauch“, Saunders/Chiaverini, Ensemble Modern (2021)  
Foto:  Andreas Etter  /  Ensemble Modern

Etliche der 83 öffentlich finanzierten Musiktheater in den deutschen Städten engagieren sich seit einigen Jahren (wieder) vermehrt für die zeitgenössische Musik: sowohl mit eigenen Produktionen und Auftragswerken als auch in der Entwicklung eigenständiger Formate und Wettbewerbe (etwa die Deutsche Oper Berlin). Überhaupt erlebt das klassisch moderne wie das zeitgenössische Musiktheater in unterschiedlichsten großen und kleinen Ausdrucksformen eine Renaissance – gerade auch in der freien Szene, die allerdings für ihre innovativen Produktionen selbstständig Finanzmittel einwerben und eigene temporäre Infrastrukturen wie Proben- und Aufführungsorte schaffen muss. Einen gewichtigen Grundstein für diesen wachsenden Zuspruch in der Szene wie beim Publikum legte die 1988 von dem Komponisten Hans Werner Henze in München gegründete Biennale für Musiktheater. 

Publikationswesen und Archive

Abgesehen von den regelmäßigen Berichten in teils ausschließlich der zeitgenössischen Musik gewidmeten Radiosendungen der Rundfunkanstalten und den ebenfalls regelmäßigen, gleichwohl in Menge und Umfang anscheinend zurückgehenden Artikeln in den Feuilletons der deutschen Tageszeitungen sind Informationen zur neuen Musik hauptsächlich den Fachzeitschriften zu entnehmen, die ausnahmslos oder sehr intensiv darüber berichten. Dazu gehören u. a. die schon 1834 gegründete Neue Zeitschrift für Musik (sechs Ausgaben pro Jahr; Mainz), MusikTexte (seit 1983; vier Ausgaben; Köln), Positionen (seit 1988; vier Ausgaben; Mühlenbeck bei Berlin), Musik & Ästhetik (seit 1997; vier Ausgaben; Stuttgart) und Seiltanz (seit 2010; zwei Ausgaben; Berlin). Teilweise unterhalten sie auch eigene aktuelle Internetportale, etwa die Neue Zeitschrift für Musik (NZfM). Zudem haben sich in jüngerer Zeit mehrere, teils kostenpflichtige, teils kostenlose Internetzeitschriften konstituiert, die ebenfalls Themen der neuen Musik aufgreifen, etwa Van – Webmagazin für klassische Musik oder die Seite faustkultur. Überhaupt sind im Internet zahlreiche wichtige und interessante Portale und Homepages zur zeitgenössischen Musik zu finden, die von Verlagen, Verbänden, Vereinen, Konzertveranstaltern und anderen Institutionen oder von Privatpersonen betrieben werden. Hingewiesen sei auch auf die mithin sehr umfangreichen Programmhefte diverser Festivals mit grundsätzlichen Informationen zu ästhetischen und soziopolitischen Aspekten neuer Musik. Überdies mehren sich die Internetprojekte zur zeitgenössischen Musik, etwa die vornehmlich musikpädagogisch orientierten Websites „Explore the score“ des Klavier-Festivals Ruhr, die „Datenbank Neue Musik“, betrieben von verschiedenen Initiativen in Baden-Württemberg, oder das Angebot „Abenteuer Neue Musik“, das der Deutsche Musikrat in Kooperation mit Schott Music unterhält.

Ein ebenfalls in Deutschland ansässiges und ambitioniertes Publikationsprojekt ist das international ausgerichtete Lexikon „Komponisten der Gegenwart“, das seit 1992 fortlaufend Komponistenbiografien, Werkdarstellungen und Bibliografien publiziert (Edition text + kritik, München). Ebenso informativ, vor allem für den Bereich der Musikwissenschaft, ist das auf 14 Bände angelegte „Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert“ (1999–2011), das größere Themenkomplexe zur zeitgenössischen Musik zusammenhängend präsentiert (Laaber-Verlag). Jüngere Veröffentlichungen zum Sachgebiet sind die Nachschlagewerke „Sound des Jahrhunderts“, 2013 von der Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn) publiziert, sowie das 2016 veröffentlichte „Lexikon Neue Musik“ (Bärenreiter/Metzler, Kassel/Stuttgart).

Neben den großen deutschen bzw. mit einer Dependance in Deutschland vertretenen Musikverlagen, die seit Langem und vornehmlich im Notenbereich etabliert sind, etwa Bärenreiter (Kassel), Boosey & Hawkes/Bote & Bock (Berlin), Ricordi (Berlin), Schott (Mainz), Sikorski (Hamburg), Breitkopf & Härtel (Wiesbaden) oder Edition Peters (Leipzig), gibt es eine Reihe kleinerer Verlage, die sich für die zeitgenössische Musik engagieren, etwa die Edition Juliane Klein (Berlin) oder der Furore-Verlag (Kassel), der ausschließlich Musik von Komponistinnen publiziert. Zunehmend veröffentlichen Komponist*innen ihre Partituren auch im Eigenverlag oder stellen sie (kostenlos) auf ihren Websites zum Download bereit. Im Bereich Bücher verdienen der Pfau-Verlag (Friedberg), der Wolke-Verlag (Hofheim/Ts.), der transcript-Verlag (Bielefeld) und der auf Klangkunst-Literatur spezialisierte Kehrer- Verlag (Heidelberg) besondere Erwähnung. Die großen Literatur- und Sachbuchverlage publizieren indes nur recht selten Bücher zur neuen Musik, wie auch die größeren Publikumszeitschriften nur äußerst sparsam darüber berichten.

Im Bereich der Tonträgerindustrie sind die wichtigsten deutschen Labels, die sich ganz oder wesentlich auf zeitgenössische Musik konzentriert haben, u. a.: Wergo, Cybele Records, Edition Zeitklang, edition RZ, Maria de Alvear World Edition, gruenrekorder, Edition Telemark, Coviello sowie Winter & Winter. Darüber hinaus gibt der Deutsche Musikrat seit 1986 mit der Edition Zeitgenössische Musik eine eigene CD-Reihe heraus. Über 100 Porträt-CDs von deutschen oder in Deutschland lebenden Komponist*innen umfasst diese bei Wergo erscheinende Serie zurzeit. Sie erweitert sich jährlich um etwa drei Porträts; Komponist*innen, die jünger als 40 Jahre sind, können sich selbst bewerben, werden von einer vom Deutschen Musikrat berufenen Jury ausgewählt und können dann auch die musikalische Zusammenstellung der CD inklusive Booklet bestimmen. Eine andere vom Deutschen Musikrat getragene CD-Edition „Musik in Deutschland 1950–2000“ mit über 130 Einzel-CDs, die die Entwicklung der zeitgenössischen Musik in beiden deutschen Staaten (DDR und BRD) bis 1990 sowie im vereinten Deutschland bis zur Jahrtausendwende dokumentiert, wurde 2010 abgeschlossen (erschienen bei Sony Music).

Ein wichtiges auf zeitgenössische Musik spezialisiertes Archiv ist das Internationale Musikinstitut Darmstadt (IMD). Als deutsches Informationszentrum für zeitgenössische Musik mit einer umfangreichen Spezialbibliothek hält es seit 2017 den einzigartigen Bestand von mehreren tausend Text-Bild-Audio-Dokumenten zu den vom IMD seit 1946 organisierten Internationalen Ferienkursen für Neue Musik als Digitalisate frei zugänglich im Internet bereit. Eine ebenso zentrale Einrichtung ist HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, das über das dort angesiedelte Deutsche Komponistenarchiv seit 2005 auch Nachlässe von Komponist*innen sammelt. In Darmstadt ist auch das Jazzinstitut mit einem großen thematischen Forschungsarchiv zur improvisierten Musik beheimatet. Überdies besitzen verschiedene Akademien, z. B. die Akademie der Künste Berlin, umfangreiche Nachlässe von Komponist*innen, Interpret*innen und Musikwissenschaftler* innen der Gegenwart. Auch gibt es auf Persönlichkeiten des Musiklebens spezialisierte Archive und Forschungsstätten, etwa das Hindemith Institut in Frankfurt am Main (seit 1974). Zudem besitzen die Schallarchive des öffentlich- rechtlichen Rundfunks sowie das von seinen Körperschaften getragene Deutsche Rundfunkarchiv (Frankfurt am Main/Potsdam-Babelsberg) einen riesigen Fundus von Aufzeichnungen und Produktionen zeitgenössischer Musikwerke sowie von Gesprächen mit Interpret*innen, Komponist*innen und Musikwissenschaftler* innen. 

Ausbildung

An den 24 staatlichen Musikhochschulen in Deutschland, die alle einen Kompositionsstudiengang besitzen – manche haben auch einen Studiengang Elektronische bzw. Elektroakustische Musik –, finden zahlreiche Aktivitäten im Bereich zeitgenössischer Musik statt. Viele Hochschulen haben mittlerweile auch eigene Institute oder Studios für neue Musik etabliert, die teils unabhängig von den Curricula der anderen Studiengänge operieren und ästhetische Konzepte der Gegenwart als Grundlagen bzw. Querschnittkompetenzen vermitteln.

Die im Hochschulvergleich sehr unterschiedlich intensiven Ausrichtungen auf die zeitgenössische Musik hängen stark vom Selbstverständnis der jeweiligen Institution und vom Engagement des Lehrkörpers ab – natürlich auch von dem der Studierenden –, sodass hochschulbezogene Zentren neuer Musik temporär stark variieren können. Auch an einigen wenigen Musikschulen, etwa der Rheinischen Musikschule Köln, wird zeitgenössische Musik unterrichtet. Eine Hochschule jedoch, die ihre Lehre ausschließlich auf die zeitgenössische Musik konzentriert, gibt es in Deutschland nicht, wie auch kein musikwissenschaftliches Institut an einer deutschen Universität sich in Forschung und Lehre ausschließlich diesem Thema zuwendet. Immerhin bieten die Internationale Ensemble Modern Akademie (IEMA) und die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main seit 2006 als gemeinsames Ausbildungsprojekt einen einjährigen Masterstudiengang Zeitgenössische Musik an. Zudem unterhält die Frankfurter Musikhochschule seit 2013 eine Professur „Interpretatorische Praxis und Vermittlung neuer Musik“. Überhaupt haben auch andere deutsche Musikhochschulen – darunter die Einrichtungen in Köln, München und Stuttgart – in den letzten Jahren die Bedeutung der zeitgenössischen Musik und ihre Ausbildungsnotwendigkeit erkannt und entsprechende Masterstudiengänge eingerichtet. Selbiges gilt für die musikwissenschaftliche Ausbildung an den Universitäten und Musikhochschulen. Für die Musik der Gegenwart gibt es speziell ausgestattete Lehrstühle u. a. an den musikwissenschaftlichen Instituten der Universitäten Köln, Würzburg und Frankfurt am Main (hier namentlich auch Klangkunst). Das seit gut drei Jahrzehnten wachsende Interesse der Studierenden an der zeitgenössischen Musik manifestiert sich zugleich in der steigenden Zahl diesbezüglicher akademischer Abschluss- arbeiten.

Für den Bereich installative Klangkunst bzw. audiovisuelle Kunst haben bislang u. a. die Hochschule für Medien Köln, die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, die Hochschule der Bildenden Künste Saar und die Hochschule für Musik Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität eigene Studiengänge eingerichtet. Nicht allein die Ausbildung des freien Klangkünstlers befördert indes der 2002 an der Universität der Künste Berlin installierte Studiengang Sound Studies; hier werden auch auf die wirtschaftlich-industrielle Lebenspraxis anwendbare akustische Möglichkeiten und Beteiligungsformen vermittelt. Überhaupt finden sich ähnliche Projekte, die z. B. das Verhältnis von neuer Musik und Architektur, Sounddesign, Soundart oder Radiokunst praktisch und theoretisch thematisieren, mittlerweile an zahlreichen Hochschulen, etwa der für Technik, Wirtschaft und Medien in Offenburg und der Hochschule Darmstadt/Campus Dieburg. Auch das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft an der Universität Gießen engagiert sich sehr für eine die künstlerischen Sparten übergreifende Ausbildung, in der die zeitgenössische Musik fest verankert ist. 

Moderne Partitur, Stoppuhr und Rassel-Ei auf einem Notenpult
Foto:  Daniel Pufe  /  IMD
Pianist spielt in einem Raum mit zahlreichen Matten, auf denen Personen Platz genommen haben
Darmstädter Ferienkurse  
Foto:  Daniel Pufe  /  IMD
Harfe im Vordergrund, im Hintergrund Mädchen mit Effektgeräten
Foto:  Daniel Pufe  /  IMD
Drei Personen mit Kopfhörern streichen mit den Fingern über Glockenspiele und halten dabei einen Holzstab in den Mündern
Foto:  Daniel Pufe  /  IMD

Eine wichtige Rolle spielt in Deutschland auch die elektronische bzw. elektroakustische Musik. Hatte es in den 1950er und 1960er Jahren gerade an Rundfunkanstalten und Hochschulen etliche Gründungen von Studios für elektronische Musik gegeben, so sind einige dieser Einrichtungen geschlossen worden, aber auch neue bzw. technisch neu ausgestattete hinzugekommen. Obgleich viele Musikhochschulen über eigene Studios für elektronische Musik samt Personal verfügen, ist die elektronische Musik nur selten ein Pflichtfach im Kompositionsstudium und noch weniger in der Instrumentalausbildung, was insofern verwundert, als Werke mit (live-)elektronischen Aspekten ein mittlerweile umfangreiches und wachsendes Repertoire bilden. Seit 2001 unterhält die Technische Universität Berlin in enger Kooperation mit dem Berliner Künstlerprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) die Edgard-Varèse-Gastprofessur für elektronische Musik und Computermusik, die semesterweise mit einer international renommierten Persönlichkeit aus dem Fachgebiet Komposition/Theorie besetzt wird.

Zu den Besonderheiten innerhalb der Ausbildung zeitgenössischer Musik in Deutschland gehören auch die 1946 gegründeten und weltweit einzigartigen Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt. Zweijährlich werden hier zwei Wochen lang einige hundert Studierende von etwa zwei Dutzend Dozent*innen in den Fächern Komposition, Interpretation und Musikwissenschaft unterrichtet. Das Ensemble Modern gründete 2003 eigeninitiativ die Internationale Ensemble Modern Akademie, um im Rahmen ästhetisch interdisziplinärer Foren die Erfahrungen im Umgang mit zeitgenössischer Musik weiterzugeben. Seit 2004 existiert zudem in Freiburg die Baden-Württembergische Ensemble-Akademie, in deren Veranstaltungen – teilweise in Verbindung mit dem ensemble recherche und dem Freiburger Barockorchester – ebenfalls praktische und theoretische Aspekte zeitgenössischer Musik unterrichtet werden. Eine weitere wichtige freie Lehrinstitution ist das Institut für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt (INMM), das seit 1946 alljährlich mehrtägige Arbeitstagungen durchführt, in denen es um die Vermittlung ästhetischer und pädagogischer Positionen zur zeitgenössischen Musik geht. Zudem gibt es einige Initiativen in den Bereichen der kompositorischen Kinder- und Jugendförderung. Hierzu zählen die 1976 in Halle (Saale) gegründete Kinderkomponistenklasse am Händel-Konservatorium, die in Winsen an der Luhe vom Ensemble L’art pour l’art seit 1999 selbst organisierten und getragenen Kompositionskurse für Kinder und Jugendliche sowie in verschiedenen Landesmusikräten die Projekte „Jugend komponiert“ und der seit 1986 von der Jeunesses musicales Deutschland in Weikersheim ausgerichtete Bundeswettbewerb Komposition. 

Verbände, Vereine und Initiativen

Die Gesellschaft für Neue Musik (GNM) – die deutsche Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM/ISCM) – ist der älteste (seit 1922) und größte Dachverband aller Interessenten und Interessengruppen zeitgenössischer Musik in Deutschland. Mitglieder sind Privatpersonen aus den verschiedensten Berufssparten sowie etliche Institutionen und Firmen (Rundfunkanstalten, Konzerthäuser, Vereine, Verlage). In verschiedenen Städten und Regionen hat die GNM sogenannte Regionalgruppen, die sich intensiv für die Förderung zeitgenössischer Musik in Konzerten und ästhetisch wie kulturpolitisch orientierten Diskussionsrunden engagieren. Auch die Deutsche Gesellschaft für Elektroakustische Musik (DEGEM), deren Mitglieder aus dem Bereich der elektronischen bzw. elektroakustischen Musik stammen und die eine eigene CD-Reihe und ein eigenes Webradio unterhält, ist Mitglied der GNM, die wiederum selbst Mitglied des Deutschen Musikrats ist, den sie in Fragen zeitgenössischer Musik berät. Überdies hat die GNM bzw. eines ihrer Mitglieder bereits einige Male in der Bundesrepublik Deutschland die alljährlich stattfindenden ISCM World Music Days ausgerichtet (erstmals 1927 in Frankfurt am Main, zuletzt 2006 in Stuttgart).

Insgesamt ist die Zahl von Vereinen und Initiativen zur zeitgenössischen Musik in Deutschland sehr groß; sie sind in vielen Städten und Regionen aktiv. Manche agieren lokal oder regional, andere – wie die GNM – weitestgehend national und international. Etliche dieser inhaltlich verschieden ausgerichteten Initiativen sind nur von kurzer Dauer, dafür entstehen permanent neue, teils mit anderen Konzepten und Ideen. Schließlich ist die zeitgenössische Musik wie alle Gegenwartskunstformen kein starres Gebilde, sondern ändert sich stetig, dies gilt auch für die fast immer auf Privatinitiative basierenden Unternehmungen. 2012 formierte sich das Kompetenz-Netzwerk Neue Musik in Baden-Württemberg, ein Zusammenschluss vieler im Bundesland ansässiger Institutionen und Ensembles, um die zeitgenössische Musik gemeinschaftlich zu befördern und kooperative Projekte durchzuführen. 2015 konstituierte sich die Initiative Zeitgenössisches MusiktheaterBerlin als ästhetische, diskursive und organisatorische Plattform für die stark anwachsende freie musiktheatralische Szene, die derzeit wohl vor großen Herausforderungen steht, um sich längerfristig behaupten zu können. 

Preise, Stipendien und Förderungen

Die zeitgenössische Musik in Deutschland kennt wie auch die aktuellen Ausdrucksformen in den anderen Künsten zahlreiche Preise, Stipendien und Förderungen sowie die oft auch öffentlich ausgeschriebene temporäre Position eines artist- oder composer-in-residence. Sie lassen sich hier allesamt nicht im Einzelnen aufführen, zumal manche aufgegeben worden sind, dafür aber neue entstehen. Aktuell informiert auch hierüber das Deutsche Musikinformationszentrum, insbesondere über seinen Ausschreibungskalender, der mit detaillierten Informationen einen umfassenden Überblick über verschiedene Förderungsmöglichkeiten im Bereich zeitgenössischer Musik in Deutschland bietet. Projekte zeitgenössischer Musik unterstützen im Rahmen ihrer Bestimmungen – mit finanziellen oder geldwerten Mitteln – vornehmlich Institutionen und Einrichtungen wie die Kulturstiftung des Bundes (Halle/S.), der Musikfonds und das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) (Arbeitsstipendien). Zu nennen sind auch die GEMA mit der Verleihung des Deutschen Musikautorenpreises, der Karl-Sczuka-Preis für Akustische Kunst (beim SWR), der beim Internationalen Musikinstitut Darmstadt angesiedelte Reinhard-Schulz-Preis für zeitgenössische Musikpublizistik sowie das ebenfalls auf das Schreiben über zeitgenössische Musikausgerichtete „Forum junger Autoren“ der Kölner MusikTexte. Weitere wichtige Stipendien und Förderprogramme, die in den letzten Jahren erfreulicherweise zugenommen haben, sind die des Berliner Senats – die hierin vorbildlich für die anderen Bundesländer oder auch Metropolregionen sein könnten, welche ihrerseits über landesnahe Stiftungen, etwa die Stiftung Kunst und Kultur NRW, die aktuelle Musikszene unterstützen –, ferner verschiedene Kulturstiftungen deutscher Unternehmen (z. B. Aventis, Allianz, Deutsche Bank) sowie private Stiftungen (z. B. Ernst von Siemens Musikstiftung). 

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Ein junges Ensemble spielt vor einem Banner mit der Aufschrift „Impuls festival für neue musik sachsen-anhalt 11.10.–19.11.2017“
Impuls – Festival für Neue Musik Sachsen-Anhalt  
Foto:  Antoine Porcher

Fazit

Die zeitgenössische Musik in Deutschland ist längst keine Nischenkunst mehr. Die Zahl derer, die sich hierzulande für aktuelle, avanciert-subtile Kunstklangproduktionen interessieren, sie hören und sich mit ihnen auseinandersetzen, wächst weiterhin stetig und ist auch das Resultat des jahrzehntelangen und anhaltenden Engagements von Komponist*innen, Interpret*innen, Musikwissenschaftler*innen, Vermittler*innen und Veranstalter*innen. Ein Engagement, das weiterhin eine breite Unterstützung benötigt und zugleich der nachhaltigen materiellen wie ideellen Förderung durch die Gesellschaft bedarf.

Sicher sind die sozial-ökonomischen Infrastrukturen der zeitgenössischen Musik in Deutschland weder desolat noch unterentwickelt. Dennoch benötigt das seit jeher fragile Feld stets größte Aufmerksamkeit, Fürsorge und Engagement, Vision, Fantasie und allerbeste Grundlagenstrukturen. Hier gilt es, auf unterschiedlichsten Ebenen des Kulturlebens weiterhin eigenständige wie zukunftsorientierte Konzeptionen zu entwerfen, zu diskutieren und schließlich auch gesamtgesellschaftlich zu verankern. Zweifellos war und ist Deutschland nicht nur ein Musikland; vielmehr zählt die Bundesrepublik zu den führenden Nationen im internationalen Feld der zeitgenössischen Musik. Dies allerdings muss der Gesellschaft und den (Kultur-)Politiker*innen deutlicher als bisher vermittelt werden.

Über den Autor

Stefan Fricke ist Redakteur für Neue Musik/Klangkunst beim Hessischen Rundfunk. Er lehrt als Honorarprofessor an der Hochschule für Musik Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.