Der Deutsche Chorverband (DCV) zieht gegen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vor Gericht. Am Donnerstag vor Ostern hat der mit mehr als 22.000 Mitgliedsvereinen größte Dachverband für das Singen in Deutschland Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht.
Bei dem Streit zwischen dem Verband und dem Ministerium geht es um die Vergabe von bis zu 4,7 Millionen Euro Fördergelder an Singprojekte mit bildungsbenachteiligten Kindern, den sogenannten "SINGEN.Bündnissen". Das Geld war dem DCV Anfang 2013 aus dem Programm "Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung" für den Zeitraum bis Ende 2015 bewilligt worden, nachdem im Ausschreibungsverfahren sein Konzept durch die vom BMBF berufene Programm-Jury für eine Förderung ausgewählt worden war. Darüber hinaus waren dem Chorverband weitere 4,3 Millionen Euro für eine Fortsetzung des Programmes bis 2017 in Aussicht gestellt worden. Doch mittlerweile herrscht Frust bei den vielen hundert Verantwortlichen der Bündnisse, denn rund neun Monate lang weigerte sich das Ministerium, den Projekten bereits vom DCV bewilligte Gelder - je nach Dauer eines Bündnisses zwischen 1.200 und 12.000 Euro - auszuzahlen.
Anfang Juli 2014 waren die Projektgelder gesperrt worden. Begründung: Viele der Anträge würden Mängel hinsichtlich der Förderbedingungen aufweisen. So ginge etwa aus diesen häufig nicht die konkrete Zahl der bildungsbenachteiligten Kinder in den kooperierenden Kindergärten und Grundschulen hervor. Auch hätten alle Projekte außerhalb von Unterrichtszeiten realisiert werden müssen. Gerade für dieses Förderkriterium aber, so hält der Chorverband dagegen, hätten zu Beginn des Programms klare Definitionen gefehlt. Vielmehr seien diese erst nachträglich vom BMBF fixiert und dann plötzlich auch auf die Zusammenarbeit mit Kindergärten angewandt worden, obwohl dies ein entscheidender Baustein im vom DVC eingereichten Konzept gewesen war.
"Der Vorgang ist ein politischer Skandal", sagt Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister von Bremen und seit 2005 Präsident des DCV. "Hier zerstört die ministeriale Bürokratie mit nicht nachvollziehbarer Hinhaltetaktik wertvolles bürgerschaftliches Engagement, ohne das kulturelle Bildung an der Basis, für die wir uns als Verband einsetzen, nicht denkbar ist." Vor allem das sture Abhaken von formalen Förderkriterien gehe oft völlig an der Realität von kultureller Basisarbeit vorbei, so Scherf.
Für Unverständnis sorgt beim Chorverband vor allem das gleichermaßen kompromisslose wie undurchsichtige Vorgehen des Ministeriums und der mit der Betreuung des Programms beauftragten Behörde, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR): "Wir haben mehr als ein halbes Jahr im luftleeren Raum geschwebt, da der offizielle Bescheid über die Aufhebung des Zuwendungsbescheides erst Anfang März bei uns eingegangen ist, also acht Monate nach der Zahlungssperre", sagt Scherf. Da man vom Ministerium während dieser Zeit immer wieder hingehalten worden sei, vor allem aber, um das Gesamtprogramm "Kultur macht stark" nicht zu beschädigen, habe der DCV die Projekte über Monate nicht über die Vorgänge informieren können, eine für alle Seiten frustrierende und belastende Situation.
Scherf weist außerdem darauf hin, dass der Chorverband in seiner über 150-jährigen Geschichte und insbesondere seit Beginn seiner eigenen Präsidentschaft eine Vielzahl erfolgreicher, öffentlich geförderter Projekte realisiert habe und es dabei von anderen Zuwendungsgebern auf Bundes- und Länderebene, wie etwa der Beauftragten für Kultur und Medien oder dem Bundesfamilienministerium und damit auch seitens des Bundesverwaltungsamtes, nie Beanstandungen gegeben habe.
Da die Zahlungssperre auch von den Projekten bereits ausgegebene Gelder betrifft, warten seit einem Dreivierteljahr rund 1.000 Musikpädagogen, Chorleiter, Musiker und ehrenamtliche Helfer auf Honorare oder Aufwandsentschädigungen. Viele Projektverantwortliche mussten Rechnungen für Raummieten, Fahrtkosten oder Verpflegung aus eigener Tasche begleichen.
Einige Kulturvereine stehen aufgrund der ausbleibenden Gelder sogar vor der Insolvenz, da ein SINGEN.Bündnis zwar immer von mindestens drei Partnern - zum Beispiel Kindergärten, Kirchen oder Kultur- und Jugendeinrichtungen - gebildet wird, als Antragsteller jedoch jeweils eine juristische Person, zum Beispiel ein eingetragener Verein fungiert. Insgesamt sind fast 200 SINGEN.Bündnisse mit rund 15.000 Kindern betroffen.
Zuletzt hatte das BMBF angeboten, die ausstehenden, vom Chorverband bereits bewilligten Projektgelder den betroffenen Bündnissen zu erstatten. Der DCV jedoch solle im Gegenzug die im eigenen Haus entstandenen Kosten für die Verwaltung des Programmes von inzwischen rund 350.000 Euro selbst tragen und die hierfür bis Mitte 2014 erhaltenen 257.000 Euro an das BMBF zurückzahlen. Einen solchen "Kuhhandel", wie ihn DCV-Präsident Scherf nennt, akzeptiert der Chorverband jedoch nicht.
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