Das Ben-Haim-Forschungszentrum an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) plant das erste Forschungsprojekt zum Thema "Der Jüdische Kulturbund in Bayern“. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie konnte die HMTM das Ben-Haim-Forschungszentrum, eine gemeinsame Initiative der HMTM und der Landeshauptstadt München, zwar nicht wie geplant am 30. März 2020* feierlich eröffnen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums, Musikwissenschaftler Tobias Reichard, hat jedoch Anfang März die umfassende Forschungsarbeit zur jüdischen Musikkultur im süddeutschen Raum und zur Musik NS-verfolgter Musiker*innen und Komponist*innen aufgenommen und bereitet nun das erste Forschungsprojekt des Ben-Haim-Forschungszentrums vor:
München verfügte zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur über eine der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands. Eine Vielzahl bedeutender Künstler*innen prägte weit über die Stadtgrenzen hinaus eine lebendige jüdische Musikkultur. Als ‚Hauptstadt der Bewegung‘ machte sich deshalb der antisemitische Verfolgungsdruck der Nationalsozialisten hier wie in ganz Bayern besonders stark bemerkbar. Ein erster Forschungsschwerpunkt des Ben-Haim-Forschungszentrums ist deshalb der Jüdische Kulturbund in Bayern. Dieses damalige Kulturnetzwerk – das auf künstlerischer Seite ca. 200 Mitglieder umfasste – gab es in nahezu allen größeren bayerischen Städten.
Der Jüdische Kulturbund in Bayern gestaltete mit seinem Angebot an Konzerten und Vorträgen das jüdische Kulturleben maßgeblich. Zwischen März 1934 und November 1938 fanden insgesamt 61 Kulturbund-Konzerte allein in München statt. Die Aktivitäten und Programme der Vereinigung wurden staatlich überwacht und kontrolliert. Die Veranstaltungen der jüdischen Künstler*innen fanden nicht nur in Synagogen, sondern auf Druck der Machthaber teilweise in ungewöhnlichen Ausweichspielstätten statt – wie z.B. in einem Turnsaal. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Aufarbeitung ist denkbar, im Rahmen des Forschungsprojekts mit musikalischen Aufführungen unter der Mitwirkung der Studierenden der HMTM an diese Wirkungsorte zurückzukehren, um damit auch die räumliche Dimension jüdischen Kulturlebens und dessen Verfolgung durch die Nationalsozialisten ins Bewusstsein zu rufen.
Der Jüdische Kulturbund in Bayern ist nur ein Beispiel für wichtige Transferprojekte im Forschungsbereich zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit des Ben-Haim-Forschungszentrums der HMTM. Das Zentrum plant, die Geschichte und die Musik verfolgter Komponist*innen sowie die jüdische Musikkultur in ihrer ganzen Vielfalt vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus mit Schwerpunkt im süddeutschen Raum zu untersuchen. Wer schon jetzt mehr dazu erfahren möchte, kann sich ein erstes Video** des Ben-Haim-Forschungszentrums auf dem Facebookkanal der HMTM anschauen.
Die Forschungsarbeit des Zentrums, die in enger Zusammenarbeit mit inner- und außeruniversitären Kooperationspartnern durchgeführt und durch eine Lehr-, Vortrags- und Publikationstätigkeit sowie Konzertveranstaltungen ergänzt wird, soll dazu beitragen, die Geschichte jüdischer Künstler*innen aufzuarbeiten, eine lebendige Erinnerungskultur für jüdische Musik und jüdische Musikschaffende in München und ganz Bayern zu fördern und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.