[Offener Brief im Wortlaut]
Sehr geehrter Herr Minister Robra, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Schellenberger,
mit außerordentlicher Besorgnis haben wir die Medienberichte über das IMPULS Festival zur Kenntnis genommen. Besonders irritiert hat uns dabei die scheinbare Konzeptlosigkeit, mit der Ihr Ministerium sich gegen IMPULS stellt, das derzeit als eines der bedeutendsten und weit über die Landesgrenzen hinaus beachteten Festivals für zeitgenössische Musik gilt. Ein Festival, das nicht nur sämtliche Orchester und viele Musikinstitutionen, darunter auch die Klangkörper des MDR, im Land Sachsen-Anhalt miteinander vernetzt, sondern das darüber hinaus auch jenseits der großen Städte einen Abbau von Schwellenängsten und damit eine weitreichende Akzeptanz zeitgenössischer Musik befördert hat – vergleichbar mit dem Schleswig Holstein Musikfestival, nur eben mit einem Fokus auf das Zeitgenössische und die klassische Moderne. Auch die Förderung gerade junger Komponisten und Dirigenten an den Anfängen ihrer Karrieren sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Selbstverständlich kann (und sollte auch vielleicht) man ein solches Festival nach zehn Jahren einmal evaluieren, aber dann gehören alle Zahlen mit ihren Entwicklungen wirklich auf den Tisch, um Mängel oder enttäuschte Erwartungen auch konkret benennen zu können. Stattdessen ist – möglicherweise auch einfach nur durch mangelhafte Kommunikation – der Eindruck entstanden, dass IMPULS einfach nur abgewickelt werden soll. Wie sonst soll man all die nebulösen und einander durchaus widersprechenden Stichworte seitens der Landesregierung, die durch die Medien gingen, interpretieren?
- Einerseits sei IMPULS zu teuer, andererseits will man das Geld nun den Orchestern in Sachsen-Anhalt zur Verfügung stellen, damit sie zeitgenössisches Repertoire in ihre Programme und Spielpläne aufnehmen. Wie aber kann die Politik das Repertoire beeinflussen? Hierzulande gilt noch immer die Freiheit der Kunst, wenn die auch immer mal wieder durch die AfD infrage gestellt wird (z.B. Ende Mai 2019 "Wir wenden uns gegen ein einseitig politisch orientiertes, erzieherisches Musik- und Sprechtheater, wie es derzeit auf sächsischen Bühnen praktiziert wird.“ Oder: Kultur dürfe "kein Tummelplatz für soziokulturelle Klientelpolitik sein“).
- IMPULS habe zu wenig Komponisten aus Sachsen-Anhalt aufgeführt. Wie aber will man den Klangkörpern konkrete Namen und Werke oktroyieren? Und vor allem: Wer sollte das tun?
- Das Festival benötige keinen Intendanten. Gleichzeitig wurde aber Michael Kaufmann ins Spiel gebracht, der 2017 vorzeitig aus der künstlerischen Leitung des Kurt Weill Festes in Dessau ausgeschieden war.
Und nun werden auch noch die unterschiedlichen Festivals für zeitgenössische Musik in Sachsen-Anhalt gegeneinander ausgespielt. SinusTon und die Hallischen Musiktage seien durch IMPULS "ein bisschen unter die Räder gekommen“, wie Sie, Herr Minister, es in der Volksstimme vom 20.6.2019 äußern. Das SinusTon Festival veröffentlicht auf seiner eigenen Facebook-Seite allerdings, "ein[en] Satz in eigener Sache: Das SinusTon-Festival wurde – wie IMPULS – im Jahr 2008 gegründet und fühlt sich kein bisschen unter die Räder gekommen!“. Die Hallischen Musiktage waren gänzlich anders ausgerichtet und sind daher mit IMPULS nicht vergleichbar.
Wir fordern Sie daher auf, den Fortbestand dieses deutschlandweit einzigartigen Festivals zu sichern. Statt im Geheimen irgendwelche Entscheidungen zu treffen, deren Grundlagen nicht nachvollziehbar sind, sollte vielmehr ein offener Dialog mit allen Beteiligten die Basis sein, IMPULS und eventuell sogar mögliche Erweiterungen seines Konzeptes zu diskutieren. Ein "Pausieren“ des IMPULS Festivals, zumal im Jahre 2020 während der Initiative "Musikland Sachsen-Anhalt“, oder gar eine Abwicklung des Festivals wäre in jedem Falle ein falsches Signal und ein kulturpolitischer Rückschritt.
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand des Deutschen Komponistenverbandes