Über 20 verschiedene Standorte in Bochum, Dortmund, Hagen und Witten hat die evangelische Kirche von Westfalen als Raum für die Ansiedelung ihrer neuen Pop-Akademie auf Machbarkeit geprüft. Jetzt ist die Entscheidung gefallen: Die Evangelische Pop-Akademie zieht in Wittens ehemalige Stadtbücherei.
Dabei galt lange Haus Witten als großer Favorit: Denn im Dezember 2015 wurde vom Verwaltungsrat der Akademie eine Richtungsentscheidung zu dessen Gunsten getroffen. Doch dazu kam es letztlich nicht. "Wir danken den großartigen Bemühungen des Kulturforums Witten, die notwendigen Voraussetzungen für den geplanten Nutzungsmix aus Hochschulbetrieb und Institut für Aus-, Fort, und Weiterbildung im Haus Witten darzustellen“, so Geschäftsführer der Akademie gGmbH, Martin Bartelworth. Es konnten dort jedoch nur kleine Räume angeboten werden. Was fehlte, waren größere Unterrichtsräume und ein Veranstaltungsraum, der auch mal 100 bis 200 Besucher fasst. Bei der Suche nach entsprechenden Ergänzungsräumen im fußläufigen Nahbereich kam die ehemalige Stadtbücherei in den Blick, die in diesen Tagen in ihr neues Domizil umzieht. Bartelworth: "Als wir mit der Findungskommission zum ersten Mal in die Bücherei kamen, leuchteten die Augen der Prüfer. Das Gebäude ist zwar alt, wartet aber mit besonderem Charme der 60er und 70er Jahre auf. Das ist für junge Leute schon Kult. Mich erinnert das an die Blues Brothers, die ja auch im Auftrag des Herrn unterwegs waren“. Das wichtigste jedoch: Die großen Freiflächen lassen Platz für das geplante Raumkonzept.
Schon im Oktober sollen die ersten Studenten mit ihrer Bachelor Ausbildung beginnen. Für Umbau und Einrichtung bleibt kaum Zeit. Dann ist es erstmalig in Deutschland möglich, den neuen Studiengang "Kirchenmusik Popular“ an der Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) zu studieren. Zum bisherigen Hochschulstandort Herford kommt nun der Wittener Standort neu hinzu. In der maximalen Auslastung werden sich dort 40 bis 60 Studenten in einer vierjährigen Bachelor Ausbildung auf Ihren Abschluss vorbereiten. Ein Masterstudiengang soll folgen. Neben Hartmut Naumann, der als Prorektor der Hochschule aus Hamburg ins Ruhrgebiet gezogen ist und in der Ruhrstadt Witten tätig sein wird, gehört zum Professorenteam auch der Produzent, Komponist und Pianist Dieter Falk (z.B. Pur) aus Düsseldorf.
Neben dem Hochschulbetrieb wird es ein breites Fortbildungsprogramm für Erzieher, Jugendmitarbeiter, ehren- und nebenamtlich Tätige im Bereich der kirchlichen Popularmusik geben. Mit der Errichtung der Pop-Akademie will die Evangelische Kirche von Westfalen gemeinsam mit der Stiftung Creative Kirche in Ergänzung und nicht in Konkurrenz zur traditionellen Kirchenmusik neue Wege gehen. Mit der Akademie soll ein Qualitätsniveau in den Gemeinden erreicht werden, das auf den Feldern der klassischen Kirchenmusik selbstverständlich ist. Denn das Gottesgeschenk der Musik war schon Martin Luther vor 500 Jahren bekannt: "Nichts ist auf Erden kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Verzagten beherzt zu stimmen denn die Musik“. Luther selbst vertonte Volkslieder und war damit erster Popmusiker der Evangelischen Kirchengeschichte. In dieser Tradition und mit der Vision der "Singenden Gemeinde“ sieht sich die Pop-Akademie. Jeder kann mitmachen, jeder ist begabt.
Die Akademie will jedoch nicht nur eigene kirchliche Nabelschau betreiben. "Uns ist es wichtig, dass wir als Kirche auch einen wertvollen kulturellen Beitrag für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt und der Region“ leisten. Die Evangelische Pop-Akademie will sich ganz bewusst in die Netzwerke der Kreativwirtschaft und in den Dialog als Teil einer teilhabenden und teilnehmenden Bürgerkultur mit einbringen. Ursprünglich beherbergte das denkmalgeschützte Gebäude von 1909 die Sparkasse. Jetzt freuen sich die Macher und auch Vermieter Philip Lehmann, der die Immobilie einst von der Stadt gekauft hat, auf neue "Kultur-Rendite“. Bartelworth: "Musik und Kultur sind Lebensmittel, wir freuen uns, wenn sich viele daran stärken, wachsen und etwas positiv in Bewegung kommt!“
Auch finanziell ist das Unternehmen ambitioniert. Zwar finanziert die evangelische Kirche kräftig mit, aber dennoch bestehen gerade noch bei der Erstinvestition für Instrumente und Einrichtung Finanzlücken, die noch geschlossen werden müssen. Da tut es gut, dass einige Unternehmen bereits Unterstützung zugesagt haben. Doch noch fehlen ca. 80.000 Euro. Entstehen könne ein neues "Kultur-Tor“ zur Innenstadt. Ein Ort der Lehre, des selber Ausprobierens mit kulturwirtschaftlichem Faktor der weit über die Stadtgrenzen hinaus bundesweit seine Wirkung entfaltet. Damit hat Witten nicht nur eine zweite Hochschule, sondern auch einen weiteren ausstrahlungsstarken Kulturort in unmittelbarer Nähe zum bereits sich entwickelnden Kreativquartier Wiesenstraße. Eine spannende Ausgangslage.