Das Forum „Migranten und Ehrenamt“ an der Hochschule für Musik in Stuttgart war Teil der 2008 ins Leben gerufenen BDO-Initiative „Integration durch Musik“. Die Ergebnisse mit Handlungsempfehlungen sollen demnächst veröffentlicht werden. Der folgende Bericht von Thomas Fink erschien in "Harmonika International", (Ausgabe 1, 2013):
„Neue Wege bei Nachwuchsgewinnung erforderlich – Migranten wollen sich in Musikvereinen engagieren“
Vereinen gelingt es bisher nicht, dieses Potenzial für sich zu gewinnen
Wie kann man Migranten in die musiktreibenden Vereine integrieren? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Forums der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände (BDO). „Wir müssen sehr wachsam sein, um unser Musikvereinsleben am Leben zu erhalten.“ Deutliche, ja schon warnende Worte fand Fritz Hörter, der Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände (BDO) bei einem Fachforum zum Thema „Integration durch Musik: Migranten und Ehrenamt“. Denn: Wenn musiktreibende Vereine bei der Suche nach Nachwuchs und ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht verstärkt Migranten gewinnen, kann das eine oder andere Orchester, so mancher Musik- und Gesangsverein über kurz oder lang dicht machen.
Dass diese These keinen abstrakten Hintergrund hat, sondern bereits die Wirklichkeit darstellt, belegte BDO-Geschäftsführer Lorenz Overbeck mit einem überzeugenden Zahlenmaterial. Denn: Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft aufgrund sinkender Geburtenzahlen. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass bereits jedes dritte minderjährige Kind einen Migrationshintergrund hat. Ein gutes Drittel der mehr als 15 Millionen in Deutschland lebenden Migranten engagiert sich ehrenamtlich, allerdings gelingt es den Musikvereinen nicht, dieses Potenzial zu nutzen. Während sich die meisten Migranten hauptsächlich in den Bereichen Sport, Kirche, Kindergarten und Schule einsetzen, ist das Engagement im kulturellen beziehungsweise musikalischen Raum äußerst gering. Deutlich herausgearbeitet hat Overbeck auch die Tatsache, dass sich fast 40 Prozent der Migranten gerne ehrenamtlich engagieren wollen – besonders im Bereich Musik/Kultur, diesbezüglich aber keine entsprechenden Angebote finden. Vor allem Frauen, Azubis, Schüler und Vorarbeiter sind an einem Mitmachen interessiert. Wie eine Zusammenarbeit zwischen Einheimischen und Migranten funktionieren kann, zeigten Johannes Kieffers und Mehmet Ungang von der Orientalischen Musikakademie Mannheim auf. Auch wenn deren – erfolgreiche – Arbeit nicht unbedingt auf andere Vereine übertragen werden kann, wurde doch deutlich, dass unter anderem ein ständiger Dialog und ein Aufeinanderzugehen wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Zusammenarbeit sind. Für Vereine eine gewaltige, aber notwendige Herausforderung. Professor Dr. Susanne Keuchel vom Zentrum für Kulturforschung in Bonn präsentierte die Ergebnisse des 1. InterKulturBarometers. In dieser Studie gingen die Wissenschaftler unter anderem Fragen nach wie „Welcher Kultur fühlen sich die heute in Deutschland lebenden Menschen verbunden?“, „Sehen sie sich eher als Teil einer deutschen, einer fremden oder einer gemischten, zum Beispiel deutsch-türkischen oder europäischen Lebenskultur?“ „Welche eigenständigen kulturellen Erfahrungen prägen sie und existieren dennoch Gemeinsamkeiten mit Menschen anderer Herkunft?“ Das Forum hat gezeigt: Die Integration von Migranten ist eine notwendige, aber auch gewaltige Herausforderung für die Vereine. Und die Zeit drängt. Wollen diese mittelfristig überleben, müssen sie bei ihrer Nachwuchsgewinnung neue, andere Wege einschlagen und offensiv auf die Migranten zugehen. Das Potenzial ist vorhanden, es muss aber „gehoben“ werden. Es geht nicht darum, dass die Migranten ihre Kultur bewahren wollen, wie immer wieder befürchtet wird, vielmehr wollen sie sich in ihrer neuen Heimat einbringen, auch in den „alteingesessenen“ Vereinen. Je länger sie hier leben, umso mehr wollen sie dabei sein und aktiv mitmachen. Beispiele gibt es hierfür, aber diese haben noch Seltenheitswert.
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