Deutschland hat gestern die Nominierung "Orgelbau und –musik" für die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der UNESCO eingereicht. 400 handwerkliche Orgelbaubetriebe mit etwa 2.800 Mitarbeitern, 180 Lehrlingen sowie 3.500 hauptamtlichen und zehntausenden ehrenamtlichen Organisten prägen das Handwerk und die Kunst des Orgelbaus und der Orgelmusik in Deutschland. Ungefähr 50.000 Orgeln sind derzeit hierzulande im Einsatz. Ende 2017 wird der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe über diese zweite deutsche Nominierung entscheiden.
"Jede Orgel ist ein Unikat, weil sie einzig für den architektonischen Raum erbaut wird, in dem sie erklingen soll. Das für den Orgelbau und die Orgelmusik notwendige hochspezialisierte Wissen und die besonderen Fertigkeiten wurden von Handwerkern, Komponisten und Musikern über Jahrtausende entwickelt. Die Orgelkultur ist eine traditionelle Kulturform, die in Deutschland eine wichtige Basis hat. Zahlreiche lokal- und regionalspezifische Orgelbaustile, vielfältige Kompositionen und Aufführungsformen sowie Ausbildungsmöglichkeiten an Hochschulen und kirchlichen Einrichtungen zeigen, wie lebendig die Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik hierzulande ist. Die beteiligten Akteure demonstrieren täglich in beeindruckender Weise, wie Tradition und Innovation im Einklang gelingen können", sagt Prof. Dr. Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission.
Die Orgel, der Orgelbau und die Orgelmusik wurden vor mehr als 2.000 Jahren im hellenistischen Ägypten erfunden und gelangten über Byzanz ins Frankenreich, wo sie seit der Karolingischen Renaissance als Kulturgut bis in die Gegenwart weiterentwickelt werden. Im Orgelbau verbinden sich Wissen im Umgang mit der Natur und traditionelles Handwerk mit innovativer Technik der jeweiligen Epoche. Seit dem Mittelalter ist die Orgelmusik Teil der kirchlichen Liturgie. Sie hat viele Komponisten in Deutschland und darüber hinaus inspiriert.
Das Dossier "Orgelbau und –musik" ist die zweite deutsche Nominierung für die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Ende November 2016 wird der Zwischenstaatliche Ausschuss der Konvention über die erste deutsche UNESCO-Nominierung "Idee und Praxis der Organisation von gemeinsamen Interessen in Genossenschaften" (Videoclip zur Bewerbung) sowie die mit deutscher Beteiligung beantragte Erweiterung des multinationalen Eintrags "Falknerei" entscheiden.
Hintergrundinformationen zum Immateriellen Kulturerbe
Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt von Kulturformen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. 391 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Naturwissen aus aller Welt sind derzeit von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe anerkannt, darunter der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin und die italienische Geigenbaukunst. Bis heute sind 163 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat.
Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Formen Immateriellen Kulturerbes sind entscheidend von menschlichem Wissen und Können getragen. Sie sind Ausdruck von Kreativität und Erfindergeist, vermitteln Identität und Kontinuität. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben und immer wieder neu gestaltet. Immaterielles Kulturerbe ist oft auch die Grundlage von materiellem Kulturerbe.
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