Panta rei:– Alles verändert sich, Neues entsteht, Bestehendes verschwindet oder transformiert sich. In einem fortdauernden Prozess durchläuft jeder Gegenstand, jede Situation, auch jedes Wesen, jedes Verhältnis, generell jegliche Art von Struktur die Phasen von Entstehung, Existenz und Vergehen – sei es eruptiv wie bei einer Explosion oder als Jahrtausende währender Prozess wie beim Wachstum von Kristallen, als Wandlungsfolge, mäandernd oder als lineare Entwicklung. Im Prinzip befindet sich jede erkennbare Erscheinung in uns und um uns herum in einem dieser drei Stadien und die Fragen: In welchem dieser Stadien? Wo dort genau? und Wie? stellen eine mögliche künstlerische Näherung an die Welt dar. Diese sollte sinnvoll ergänzt werden durch die Beobachtung, wie sich jeweils die Übergänge von einer Phase zur anderen als Makrostruktur gestalten und wie sich die verschiedenen, teils gleichzeitigen Prozesse jeweils in ihrer Binnenstruktur ausformen, vermischen, fokussieren, verwischen, ausfransen, weiter- oder auch zurückentwickeln. Dabei kommt der Frage, wie eine Erscheinung aufgenommen und wie mit ihr umgegangen werden kann, eine essentielle Bedeutung sowohl in Bezug auf die Wahrnehmung als auch in Richtung Interpretation zu. Weitergehende Überlegungen, wie eine bestimmte Erscheinung hervorgebracht und in Beziehung zu anderen gesetzt werden kann, führen dann direkt in den künstlerischen Schaffensprozess.

Die klingenden Künste sind besonders dazu prädestiniert, diese Fragen künstlerisch zu untersuchen und zu bespielen. Bereits ein einzelner Ton oder Klang repräsentiert in seinen Entwicklungsphasen "Einschwingen, Erklingen und Ausschwingen" die unendliche Vielfalt der Erscheinungsformen der Welt. Um wie viel komplexer und reichhaltiger ist dann erst das In-Bezug-Setzen und die Inszenierung von mehreren und unterschiedlichen Tönen und Klängen. Die klingenden Ereignisse in einem raumzeitlichen Gefüge schlüssig zu organisieren und überzeugend zu präsentieren ist die Aufgabe von zeitgenössischer klingender Kunst. Ob durch Komposition, Improvisation, Installation oder Interaktion, es geschieht immer in einem Prozess. Auch für die Rezeption als aktiver oder passiver Vorgang gilt das Prinzip prozessualer Entwicklung. Ein Eindruck, der sich bildet, dauert und wieder vergeht – und vielleicht auf die eine oder andere Art nachwirkt, kann ebenfalls als definierbare Erscheinungsform verstanden werden. Auch hier kann man fragen, wie ein Eindruck entsteht, wie er innerhalb seiner Dauer vom Rezipienten gestaltet wird und wie er verschwindet bzw. nachwirkt. Und soll man das Nachwirken dann als Teil des "Ausschwingvorgangs" begreifen oder als eine eigene, neue Erscheinungsform?

Das Ziel beim Internationalen Klangkunstfest Berlin 2015 ist hier ausdrücklich, nicht nur, Ausprägungen und evtl. gesetzmäßige Strukturen klingender Erscheinungen zu bespielen und zu untersuchen, sondern darüber hinaus, neue Zusammenhänge zu entdecken oder zu kreieren – und dabei vor allem immer, sie authentisch und einleuchtend sinnlich erlebbar zu machen. Das Klangkunstfest 2015 bietet zahlreiche konzertante Uraufführungen und klangkünstlerische Weltpremieren, dazu regelmäßige Soundwalks, einen Blog, einen internationalen "Call for Works" sowie ein Symposium mit ExpertInnen und den KünstlerInnen des Festivals.

K O N Z E R T E

Fr 18. September 2015 19:00 Uhr Eröffnung > Mitte Museum
- Eröffnung durch Bezirksstadträtin Sabine Weißler, Museumsdirektorin Kerstin Sittner-Hinz
- Preiswerke der Internationalen Ausschreibung "Ultra Short Electroacoustic Music"
- Philipp Caspari/Thomas Gerwin "Neues Werk" UA für Countertenor, Elektronik + Live-Malerei
- Ausstellungs-Eröffnung
mit Philipp Caspari (Countertenor, Malerei), TG. (Elektronik), N.N. (Preiswerk International Call for Works)


Sa 19. September 2015 20:30 Uhr Kammer-Landschaft > Bibliothek am Luisenbad
- Earle Brown "1952"
- Georg Katzer "Blühende Landschaften" elektroakustische Miniatur
- Susanne Stelzenbach "Neues Werk" UA,
- Ruth Wiesenfeld "Ruins" für Sopran + Papier
- Oliver Schneller "For Sid" () EAM
- Thomas Gerwin "Klangwege II" UA
mit dem "Kammerensemble ad hoc": Ivo Berg (Blockflöten), Thorsten Bloedhorn (E-Git., Präparationen), Thomas Gerwin (Prepared Banjo, Elektronik, Ltg.), Axel Haller (E-Bass, Objekte), Klaus Janek (Kontrabass, Elektronik), Dietrich Petzold (Violine, Viola), Claudia Risch (Flöte), Bassklarinette), Susanne Stelzenbach (Piano, Elektronik), Beate von Hahn (Sopran)


Sa 26. September 2015 20:30 Uhr nah und fern > Bibliothek am Luisenbad
- Helmut Zapf "Neues Werk" quadrophonische elektroakustische Musik
- Rainer Rubbert "Toccata" für Klarinette solo (2010)
- Claudia Robles "Blossoms" (2013) BE elektroakustische Musik 4-Kanal
- Thomas Gerwin "Structurescape" UA für Klarinetten, Akkordeon und Elektronik
- Elainie Lillios "Listening Beyond" BE electroacoustic music
- Martin Daske "Noten setzen" für Klarinette, Akkordeon, Live-Elektronik
mit Matthias Badzong (Klarinetten), Christine Paté (Akkordeon), Martin Daske (Elektronik), Thomas Gerwin (Elektronik)


Mo 28. + Di 29. September 2015
Workshop Darren Copeland > Bibliothek am Luisenbad (Mo 13-21 Uhr / Di 10-17 Uhr / Mi 10-13 Uhr)


Di 29. September 2015 20:30 Uhr Begegnung > Bibliothek am Luisenbad oder TU Berlin
-Wandelkonzert für 8 Lautsprecher im Raum
Kooperation Canada-Deutschland
"3 kanadische Werke" BE, "3 neue Werke" UA von drei deutschen KomponistInnen aus Berlin (das gleiche Konzert wird 2016 in Toronto bei NAISA Sound Travel aufgeführt);
Leitung: Darren Copeland (Canada), Thomas Gerwin (Deutschland)


Do 1. Oktober 2015 20:30 Uhr Atem > Bibliothek am Luisenbad
- Valerio Sannicandro "Songs of Anxiety" (2012) für verstärkte Flöte und Live-Elektronik
- Michael Hirsch "Porträt Splitter" (2009) für Sprecher und Zuspiel
- Karlheinz Stockhausen "In Freundschaft" für Flöte solo
- Josef Anton Riedl "Lautgedichte"
- Steve Reich "It’s gonna rain" (1966) Elektroakustische Musik
- Michael Hirsch "Neues Werk" UA
- Thomas Gerwin "Setting A+" UA für Flöte und Live-Elektronik
mit Klaus Schöpp (Flöten), Michael Hirsch (Stimme), Thomas Gerwin (Live-Elektronik, Klangregie)


So 4. Oktober 2015 11:30-16:00 Uhr Symposium > Mitte Museum
Diskussion mit künstlerischen Impulsen:
- Claude Shryer "Ecoutez!"
- BIT (Pudelko, Reulecke, Gerwin) "RaumZeitWeg" UA für Objekte und Tanz
- Alvin Lucier "I am sitting in a room" (1969) Ausschnitt ca. 3 min.
+ evtl. Ad-hoc-Formation aus SymposiumsteilnehmerInnen
mit PD Dr. Christa Brüstle, Dr. Konstanze Thümmel, Dr. Ulrike Liedtke, Hartmut Sörgel ("Verdichtung") und KünstlerInnen des Festivals


A U S S T E L L U N G > Mitte Museum (Aula, Konferenzraum und Dauer-Ausstellung im Haus)

Earle Brown
"1952" (Partitur)

Martin Daske
"Foliant" (dreidimensionale Partitur)
"Noten setzen" (dreidimensionale Partitur)

Thomas Gerwin
"12 Geräusche meiner unmittelbaren Umgebung" Premiere
"Klangbilder 1-11" (Graphische Partituren 1985-2014)"
"1:1 Minutenstücke" (interaktive Partitur)

Michael Hirsch
"Partituren"

Wolfgang Heyder
"Formen"

Betina Kuntzsch
"Video-Zeichnung"

Ruth Pulgram
"3x Text+Skizze" von Susanne Scholl/RP
"Rot wie die Liebe"

Susanne Stelzenbach
"Partitur"

Ruth Wiesenfeld
"Ruins" (Partitur)
"dorénavant" (Partitur)

Detlev Grosser
"2-3 Licht-Fotos"

Nicolas Wiese
"interoutput" Audiovisueller Blog (Internet)


Eine Veranstaltung von inter art project in Kooperation mit dem Institut für multisensoriale Kunst IfmK, dem Bezirksamt Mitte von Berlin, dem Mitte Museum - Regionalgeschichtliches Museum Mitte Wedding Tiergarten, der Bibliothek am Luisenbad, "60x60" New York, dem RBB-Kulturradio, der Electronic Music Foundation New York, NAISA Sound Travel Toronto, "Liebig12" und dem Elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin.

Gefördert durch den Bezirkskulturfonds Berlin-Mitte, die Initiative Neue Musik Berlin und den Deutschen Musikrat.
Medienpartner: Rundfunk Berlin Brandenburg RBB

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