Selten ist in Politik und Öffentlichkeit so leidenschaftlich über ein Thema diskutiert worden wie in diesem Jahr über Europa. Und so will Young Euro Classic in seiner 16. Ausgabe zu dieser Debatte mit seinen Mitteln ebenfalls beitragen. Vom 6. - 23. August präsentieren sich 1500 junge Musikerinnen und Musiker im Berliner Konzerthaus. Sie kommen aus über 40 Nationen, doch bis auf das Guangzhou Youth Orchestra aus China stehen alle Ensembles für Länder, die schon zur EU gehören, zu ihren östlichen Partnerschaftsländern oder - wie Israel und die Türkei - enge, wenn auch keineswegs spannungsfreie Beziehungen zu EU-Europa haben.
An 18 Abenden treten die Besten des internationalen Orchesternachwuchses mit- und gegeneinander an. Große Symphonien treffen auf erstklassigen Jazz, Klavier auf Tanz, Vivaldi auf Pink Floyd. Zum Geist des Festivals gehört, wie immer, das "Unerhörte": klassisch bis modern aus den jeweiligen Heimatländern der Orchester. Oft sind es Werke, die man hierzulande kaum zu hören bekommt und die nicht selten mit einer ungeahnten Fülle musikalischer Ausdrucksmittel überraschen. Außerdem bringen junge zeitgenössische Komponisten "Ungehörtes" mit: Ur- und Deutsche Erstaufführungen . Insgesamt neun sind in diesem Jahr für den "Europäischen Komponistenpreis" nominiert, der vom Regierenden Bürgermeister von Berlin ausgelobt wird.
Weimar - ein Ort, der Europa seit der Aufklärung geprägt hat, der im 20. Jahrhundert aber auch zum Symbol des Unmenschlichen wurde, bestimmt den Auftakt des diesjährigen Festivals (6.8.): In Weimar hat sich vor vier Jahren das YOUNG PHILHARMONIC ORCHESTRA JERUSALEM WEIMAR gegründet. Es besteht aus Musikstudenten der Konservatorien beider Städte und geht alle zwei Jahre mit einem gemeinsam einstudierten Programm auf Reisen. Im 50. Jahr der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel spielt das Orchester unter dem Dirigenten Michael Sanderling unter anderem den deutsch-jüdischen Komponisten Kurt Weill, Stücke von Tschaikowski und Schostakowitsch und, als Uraufführung, ein Werk des jungen israelischen Komponisten Ziv Cojocaru.
Von ganz besonderer Bedeutung ist der Auftritt des vom Festival initiierten YOUNG EURO CLASSIC FRIEDENSORCHESTERS am Abschlussabend (23.8.). Es gab im Vorfeld große Skepsis, ob es ohne politische Verwicklungen gelingen würde, junge Musiker aus Russland und der Ukraine in einem Orchester miteinander spielen zu lassen. Unter der Leitung von Enoch zu Guttenberg, der seinen Chor der KlangVerwaltung mitbringt, werden junge Russen, Ukrainer, Armenier und Deutsche gemeinsam acht Tage lang in Berlin die 9. Symphonie von Beethoven einstudieren und zum Abschluss aufführen.
"Dieses Projekt in einer solch schwierigen politischen Situation zu realisieren ist auch für Young Euro Classic ziemlich einzigartig", sagt Festival-Chefin Dr. Gabriele Minz. "Dieser Festival-Abschluss 2015 hat einen hohen Symbol- und Signalwert für das, was wir mit Young Euro Classic wollen".
Unterstützt wird das Projekt vom Auswärtigen Amt, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft übernommen.
Die jungen Ukrainer, die beim Friedensorchester mitwirken, sind eine Woche zuvor (14.8.) schon einmal zu hören - dann mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom SYMPHONIEORCHESTER DER TSCHAIKOWSKI MUSIKAKADEMIE Kiew, die direkt am Majdan liegt. In Kiew, Hauptstadt eines Landes, das weithin im Kriegszustand und am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs lebt, hat die Musik in den letzten Jahren keine Hauptrolle gespielt. Das Geld ist knapp, die staatlichen Mittel wurden gekappt. Aber sie kommen - auch mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne, die Young Euro Classic mit großem Erfolg in Deutschland für sie gestartet hat: http://igg.me/at/hierspieltdiezukunft Mit Tschaikowskis 2. Symphonie, der "Ukrainischen" wird es ein Abend der großen ukrainischen Tradition.
Herausragend ist in diesem Jahr die Präsenz von Musikern aus dem Osten. Dafür steht ganz besonders das I,Culture Orchestra, das junge Künstler aus der Ukraine, Polen, Moldau, Georgien, Belarus, Aserbaidschan und Armenien vereinigt (20.8.). Außerdem dabei: Orchester aus Schweden, Großbritannien, Portugal , Norwegen, der Türkei, Rumänien und Georgien sowie international besetzte Ensembles aus den Niederlanden und Deutschland. Grenzen des Genres überschreiten Abende, die Klassik mit Tanz, Jazz oder Rock verbinden.
Der Künstlerische Leiter von Young Euro Classic, Dr. Dieter Rexroth: "Die Musik, die die jungen Musiker während der 18 Tage Festival spielen, ist jung und alt; vieles davon, was Menschen schon vor uns gehört, geschätzt, geliebt haben - in guten und in schlechten Zeiten. Darin liegt die Kraft und die Macht von Musik. Und das ist es, was sie uns mitteilen: Sie glauben an die Macht des Menschlichen, die daraus spricht."
Und dann noch China: das Guangzhou Youth Orchestra aus dem südlichen Kanton (15.8.) kommt mit einer erst 31 Jahre jungen Chefdirigentin: Huan Jing. Und sie ist nicht die einzige, die das Festival in diesem Jahr besonders weiblich aussehen lässt. Dem männlich geprägten Klassikbetrieb Beine zu machen - das gehört zu den besonderen Merkmalen von Young Euro Classic 2015. Zu erleben sind zwei Dirigentinnen, drei Komponistinnen und sieben Solistinnen.
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