Mehr als 300 Musicals sind schon dokumentiert, viele weitere sollen folgen: Das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg hat die Online-Enzyklopädie www.musicallexikon.eu veröffentlicht. Darin aufgenommen werden alle Werke des populären Musiktheaters, die im deutschsprachigen Raum zwischen 1945 und der Gegenwart zum ersten Mal auf die Bühne gebracht wurden. Jede weitere Selektion unterbleibt – der Erfolg der einzelnen Produktion, ihre Bedeutung, Prominenz oder die Größe der Spielstätte spielen dafür keine Rolle. Das neue Angebot beruht auf den Beständen des Deutschen Musicalarchivs, das am ZPKM angesiedelt ist. Alle Interessierten können das Lexikon kostenlos und ohne Anmeldung nutzen.
Das Musical ist seit den 1980er Jahren die erfolgreichste Gattung des populären Musiktheaters – was die Zuschauerzahlen ebenso wie den Umsatz und die öffentliche Resonanz betrifft. Die Gattung ist aber nicht nur als Teil der internationalen Unterhaltungsbranche von Bedeutung, sondern hat sich auch künstlerisch zu einer Form des Musiktheaters entwickelt, die neben der traditionellen Oper oder der Operette ästhetisch bestehen kann und zudem aktuelle gesellschaftliche Konflikte verhandelt. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile zahlreiche Musicalführer, wie der Berliner Theaterwissenschaftler Dr. Wolfgang Jansen – der das Online-Musicallexikon zusammen mit dem Sammler und Förderer des Deutschen Musicalarchivs Klaus Baberg herausgibt – zu berichten weiß. Das neue Angebot wolle diese nicht ersetzen, sondern eine bestehende Lücke schließen: "Unser Lexikon orientiert sich nicht primär am Libretto des jeweiligen Stücks, wie es seit den frühen Schauspiel-, Opern- und Operettenführern um 1900 üblich ist, sondern an der performativen Praxis, die unmittelbar zu den Werken gehört – in diesem Fall an den Ur- und Erstaufführungen.“ Im Online-Lexikon werden differenzierte Angaben zu den einzelnen Werken gemacht: der Titel der Ur- oder Erstaufführung, die Gattungsbezeichnung, die Namen der Komponistinnen und Komponisten, Autorinnen und Autoren sowie Übersetzerinnen und Übersetzer, gegebenenfalls die adaptierte Vorlage, das Datum der Premiere, die Spielstätte sowie den Namen der Stadt. "Darüber hinaus wird das Inszenierungsteam und die Premierenbesetzung genannt“, erklärt Jansen. "Unser Ziel ist außerdem, die internationale Verbreitung eines Werks zu dokumentieren.“
Das neue Online-Angebot richtet sich an alle Interessierten: von Fans und Theaterbesucherinnen und -besuchern über Journalistinnen und Journalisten bis hin zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fächer. Das Musicallexikon versteht sich als work-in-progress. "Die Herausgeber erbitten von den Leserinnen und Lesern Quellen oder quellenfundierte Hinweise zur weiteren Vervollständigung des Lexikons“, hebt Baberg hervor. "Wir bemühen uns zudem um die Integration zeitgenössischer Inszenierungsfotos.“
Das Deutsche Musicalarchiv wurde im Jahr 2010 gegründet und steht seit 2013 unter staatlichem Denkmalschutz. Der Geschäftsführende Direktor des ZPKM, Dr. Dr. Michael Fischer, stellt den positiven Zusammenhang zwischen dem Musicalarchiv und der neuen Enzyklopädie heraus: "Erst durch das in unserem Haus versammelte Quellenmaterial ist ein solches Lexikon mit seiner Informationsfülle überhaupt denkbar.“ Das ZPKM freue sich, dass es nach dem Historisch-kritischen Liederlexikon und dem Songlexikon nun ein drittes Online-Projekt veröffentlicht: "Wir sind nicht nur dankbar, dass unser Zentrum bei einer externen Evaluierung im letzten Jahr als exzellent bezeichnet wurde, sondern auch dafür, dass wir nun in Zusammenarbeit mit Wolfgang Jansen und Klaus Baberg erneut exzellente Forschungsleistungen im Internet präsentieren können.“