Musikstreaming boomt und dominiert heute den Musikmarkt. Doch wer verdient am Streaming und wie viel Geld kommt am Ende bei den Musikschaffenden an? Eine von der GEMA beauftragte Studie der Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia hat diese und weitere Fragen nun erstmals umfassend für den deutschen Musikstreaming-Markt untersucht. Die Studie basiert auf aktuellen Marktdaten, Interviews mit Fachleuten sowie einer Online-Befragung der GEMA Mitglieder. Sie bietet eine bisher einmalige Faktenbasis zu Entwicklungen und Herausforderungen auf dem deutschen Markt.
Streaming hat den globalen Musikmarkt im vergangenen Jahrzehnt fundamental verändert. Musik ist heute leichter verfügbar, individueller nutzbar und günstiger als je zuvor. 45 Prozent der Deutschen nutzen Musikstreaming, bei den 14- bis 29-Jährigen liegt der Anteil bereits bei 84 Prozent. Musikstreaming ist in Deutschland ein Milliardenmarkt – Tendenz weiter steigend. Zugleich nahm in den letzten Jahren aber auch die Kritik an den Streaming-Diensten zu, Musikschaffende kaum an den wachsenden Einnahmen zu beteiligen.
Eine von der GEMA beauftragte Studie der Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia liefert nun erstmals eine umfassende Analyse des deutschen Musikstreaming-Markts. „Wir wollen mit der Studie eine empirische Grundlage schaffen, die endlich eine faktenbasierte Debatte über die Herausforderungen auf dem Musikstreaming-Markt ermöglicht“, erklärt Dr. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA. „Die Zahlen der Studie belegen die Dringlichkeit dieser Debatte.“
Ungleichgewicht bei den Erlösen – weniger als zehn Prozent pro Abo gehen an die Urheberinnen und Urheber
So berechnete die Forschungsgruppe von Goldmedia die Nettoumsatzverteilung bei einem Standard-Einzelabonnement. Diese Abonnements werden üblicherweise zu einem Preis von 9,99 Euro pro Monat angeboten. Etwa zwei Drittel der Nutzenden streamen über kostenpflichtige Abos. Das Ergebnis: Rund 30 Prozent der Nettoumsätze bei einem Standard-Einzelabonnement von 9,99 Euro verbleiben bei den Streaming-Diensten. Rund 55 Prozent werden an die Leistungsschutzrechtsseite (Musiklabels und Musiker/innen) ausgeschüttet, wobei 42,4 Prozent an die Musiklabels und 12,7 Prozent an die Musikerinnen und Musiker gehen. 15 Prozent der Nettoumsätze erhält die Urheberrechtsseite (Komponist/innen und Textdichter/innen sowie Musikverlage). 9,7 Prozent wandern auf die Konten der Urheberinnen und Urheber selbst, 5,3 Prozent an die Musikverlage. Besonders auffallend: Mit zusammen 22,4 Prozent Anteil an den Nettoumsätzen erhalten die Musikschaffenden (Urheber/innen und Musiker/innen) deutlich weniger als die Streaming-Dienste (30 Prozent) und Labels (42,4 Prozent).
„Die Studie identifiziert ein gravierendes Ungleichgewicht bei der Einnahmenverteilung zwischen den Musikschaffenden auf der einen Seite und den Streaming-Diensten sowie Labels auf der anderen“, erklärt Dr. Harald Heker. „Vor allem die Musikurheberinnen und -urheber stehen am Anfang der Wertschöpfungskette, aber am Ende der Einnahmenverteilung. Dies entspricht nicht den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft, die Leistung belohnt und immer einen fairen Ausgleich zwischen allen Marktteilnehmenden anstrebt.“ Ähnlich sehen das offenbar auch viele GEMA Mitglieder. 89 Prozent gaben im Rahmen der von Goldmedia durchgeführten Online-Befragung an, dass sie die Vergütung der Musikschaffenden aus dem Musikstreaming als nicht angemessen beurteilen.
Dass die aktuelle Erlösverteilung im Streaming ein Ungleichgewicht aufweist, zeigt zudem ein Vergleich mit der Verteilung im Radio: Während im Musikstreaming die Leistungsschutzrechtsseite 79 Prozent und die Urheberrechtsseite nur 21 Prozent der von den Streaming-Diensten verteilten Erlöse erhalten, ist das Verhältnis im Bereich Radio mit annähernd 50 zu 50 deutlich ausgewogener. Obwohl Radio und Streaming aufgrund unterschiedlicher Lizenzierungen nicht komplett zu vergleichen sind, deuten diese Unterschiede auf eine diskussionswürdige Erlösverteilung im Streaming hin.
Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass die Erlösverteilung auch anders geregelt werden kann. In den USA etwa legt ein unabhängiges Copyright Royalty Board die Musikstreaming-Vergütungssätze für Urheberinnen und Urheber sowie deren Verlage fest. Bei ihrer Berechnung werden zwei Faktoren in den Blick genommen: die Gesamteinnahmen der Streaming-Dienste sowie die Erlöse der Musiklabels aus dem Musikstreaming. Von der aktuellen Diskussion in den USA über mehr Fairness beim Musikstreaming können daher auch interessante Impulse für Deutschland und Europa ausgehen.
Neben der Erlösverteilung untersucht die Studie auch weitere Herausforderungen auf dem Musikstreaming-Markt. So stellt die Forschungsgruppe eine zu geringe Transparenz der Streaming-Dienste bei der Erstellung kuratierter Playlists sowie bei den auf Algorithmen basierenden Musikempfehlungen fest. Dies bestätigen auch die GEMA Mitglieder. Sie stimmten dem Wunsch nach mehr Transparenz auf einer Skala von 1 bis 10 im Durchschnitt mit dem Wert 8,8 zu. „Wenn Streaming-Plattformen die Marktplätze der Zukunft sind, müssen die Marktregeln für alle transparent sein“, so Dr. Harald Heker.
Ungleichgewichte sieht die Studie von Goldmedia zudem durch die stärker werdende Position von meist älterer, kommerziell erfolgreicher Musik auf Streaming-Plattformen, die durch die aktuellen Mechanismen der Streaming-Ökonomie begünstigt wird. „Um Chancengleichheit und Vielfalt beim Streaming zu sichern, muss daher über die gezielte Förderung von neuen Werken und musikalischen Nischen nachgedacht werden, die für die europäische Musiklandschaft prägend sind“, so Dr. Harald Heker. Als Vorbild könnten Regelungen für Videostreaming-Dienste im Filmbereich dienen.
Auf Grundlage der über 150 Seiten umfassenden Studie will die GEMA einen neuen Dialog über die Zukunft des Musikstreamings in Deutschland initiieren. Dabei kann sie sich auch der Unterstützung zahlreicher prominenter Musikschaffender und Fachleute sicher sein, die sich in der Studie zitieren lassen. Björn Ulvaeus, Bandmitglied von ABBA und Präsident der CISAC, dem internationalen Dachverband der Verwertungsgesellschaften, etwa sagt: „Diese Urheber sind der Ausgangspunkt unserer Kreativindustrien. Ohne ihre Arbeit würde der globale ‚Kreativsektor‘, der Milliarden von Dollar wert ist, einfach nicht existieren.“
Über die Studienmethodik
Goldmedia hat eine umfangreiche Sekundärdatenanalyse zur Situation des deutschen sowie internationalen Musikstreaming-Marktes durchgeführt. Auf Basis der Analyse sowie der Einschätzungen von Expertinnen und Experten wurden Berechnungen zur Vergütung im deutschen Markt vorgenommen. Wesentlicher Teil der Untersuchung waren zahlreiche Interviews mit Musikschaffenden und Verbänden, Musikverlagen, Labels, Distributoren und Streaming-Diensten. Die Interviews fanden per (Video-)telefonie sowie teilweise schriftlich statt. Darüber hinaus wurde eine umfangreiche Online-Befragung unter GEMA Mitgliedern im Zeitraum vom 24. Mai 2022 bis 23. Juni 2022 durchgeführt. Insgesamt nahmen 4.278 GEMA Mitglieder teil, die haupt- oder nebenberuflich als Komponistinnen und Komponisten (3.444), Textdichterinnen und Textdichter (523) oder bei Musikverlagen (230) tätig sind. Darunter zahlreiche, die zudem als ausübende Künstlerinnen und Künstler, als Produzentinnen und Produzenten oder bei Musiklabels tätig sind.
Über Goldmedia
Goldmedia ist eine Beratungs- und Forschungsgruppe mit dem Fokus auf Medien, Entertainment und Telekommunikation. Die Unternehmensgruppe unterstützt seit 1998 nationale und internationale Kunden bei allen Fragen der digitalen Transformation. Dazu bietet Goldmedia ein breites Leistungsspektrum in den Bereichen Consulting und Research. Hauptsitz des Unternehmens ist Berlin.
www.Goldmedia.com
Über die GEMA
Die GEMA vertritt in Deutschland die Urheberrechte von rund 85.000 Mitgliedern (Komponistinnen und Komponisten, Textdichterinnen und Textdichter und Musikverlage) sowie von über zwei Millionen Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern aus aller Welt. Sie ist weltweit eine der größten Autorengesellschaften für Werke der Musik.