Junger Saxofonist spielt bei Auftritt, im Hintergrund Jazzorchester
Saxofonist bei der 19. Bundesbegegnung von Jugend jazzt 2023 in Hamburg  
Foto:  Christian Borchers  /  Deutscher Musikrat

Am Beginn des 21. Jahrhunderts befindet sich der Jazz in Deutschland in einer guten Position. Es gibt keine Stilistik, keine Tradition, keine aktuelle Entwicklung, die hierzulande nicht ihre Akteure, ihre Exponenten und ihre Anhänger hätte.

Der Jazz weist in Deutschland eine enorme stilistische Breite, Eigenständigkeit und Vielfalt auf, vom traditionellen Jazz und Swing über Mainstreamjazz unterschiedlichster Schattierungen, Jazzrock, Cool Jazz und Free Jazz bis hin zu vielen (noch) namenlosen, aktuellen und experimentellen Stilrichtungen und -mischungen mit Weltmusik, Ambient, Hip-Hop, Pop, Musik der Romantik und zeitgenössischer Musik. Die Jazzliebhaber werden demnach von einer Vielzahl hiesiger wie auch internationaler Jazzmusiker*innen versorgt: auf Festivals, in – teilweise mit öffentlichen Mitteln unterstützten – Clubs und Konzerträumen, im Rundfunk und von einer stattlichen Ansammlung kleinerer und weniger größerer Tonträger-Labels.

Selbst der sogenannte orchestrale Jazz, der für sein Zustandekommen kundige Komponist*innen und Arrangeur*innen und für die Aufführung größere Formationen braucht, also von entsprechenden organisatorischen und finanziellen Hürden umgeben ist, hat viele aktive Anhänger*innen. Das gilt nicht nur für die vier professionellen Rundfunk-Big-Bands, sondern auch für die vielen von einzelnen Musikschaffenden und von Musikerinitiativen begründeten Großformationen wie Niels Kleins Loom oder das Subway Jazz Orchestra der Musikerinitiative KLAENG in Köln, die improvisierende Ruhrgebiets-Big-Band The Dorf, das kunstreiche Andromeda Mega Express Orchestra oder die stilistisch multiple Formation Jazzrausch Bigband.

Die Vielstimmigkeit des Jazz im Lande spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Jahr 2016 auf Initiative des Jazzinstituts Darmstadt, der IG Jazz Berlin und der UDJ am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim erstmalig durchgeführten Studie „Jazz als Beruf“ wider, erstellt auf der Basis einer Umfrage unter professionellen Jazzmusiker*innen. [1] Im Jahr 2022 erfolgte eine Erweiterung und Ergänzung mit dem Untertitel „Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusiker*innen in Deutschland“. [2]

Die Jazzstudie 2022 gibt zu bedenken: „Beim Beruf Jazzmusiker*in handelt es sich um eine nicht gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung. Es existieren keine gültigen Kriterien für den Ein- oder Ausschluss von Personen in die Gruppe der professionellen Jazzmusiker*innen. [3] Entsprechend heterogen ist die so genannte Szene, deren Akteur*innen in sehr unterschiedlichem Maße an die berufspolitischen und -fachlichen Netzwerke angeschlossen und in überaus diversen Stilistiken künstlerisch tätig sind.

Orte des Jazz: Clubs, Konzerte, Festivals

Jazz wird hauptsächlich live gespielt. 2022 waren laut der Jazzstudie etwa 12.000 Musiker*innen im Bereich Rock/Pop/Jazz als berufsbedingt Versicherte bei der Künstlersozialkasse (KSK) registriert. In der Deutschen Jazzunion, dem Interessenverband der deutschen Jazzmusiker*innen auf Bundesebene, sind aktuell etwa 1.500 Mitglieder organisiert. Gleichzeitig lässt sich, wie die Jazzstudie 2022 anmerkt, die Anzahl der heute in Deutschland aktiven professionellen Jazzmusiker*innen nur schwer bestimmen. Die Tendenz der Studierendenzahlen ist allerdings steigend: Gegenüber knapp 500 eingeschriebenen Studierenden der Richtung Jazz und Popularmusik zur Jahrtausendwende,  erfasste das Statistische Bundesamt zwei Jahrzehnte später rund dreieinhalb Mal so viele, was auch am mittlerweile größeren  Ausbildungsangebot im Bereich Popularmusik liegt. [4]

Musiker*innen haben sich zunehmend in Initiativen zusammengeschlossen, die auf verschiedenen Ebenen ihre Interessen wahrnehmen und vertreten. Sie sind in dieser Rolle Ansprechpartner für kommunale Kulturbehörden, Landesbehörden, die Bundesregierung und für Konzertveranstalter.

Das wohl nach wie vor herausragende und weithin Vorbild stiftende Beispiel für den nachhaltigen Erfolg einer vor allem kommunal aktiven Musikerinitiative findet sich in Köln. Der Veranstaltungsort Stadtgarten, eine der erfolgreichsten und international renommiertesten Jazzspielstätten in Europa, wurde in den 1980er Jahren von der Musikerinitiative Kölner Jazz Haus gegründet. Das eine Musikergeneration jüngere Kölner Jazzkollektiv KLAENG stellt das Moment der Vernetzung in den Vordergrund seiner Arbeit. In beiden Fällen gehört der Betrieb eines Tonträgerlabels zu den zentralen Momenten der Arbeit. Eine jüngere Musiker*innen-Generation hat in Köln mittlerweile den organisatorischen Staffelstab übernommen und kooperiert erfolgreich und effektiv mit der Kulturpolitik der Stadt und des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW).

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Winterjazz im Stadtgarten Köln: Jazzensemble mit Klavier, Saxophon und Kontrabass
Winterjazz im Stadtgarten Köln  
Foto:  Elisa Essex

Nach aktuellen Schätzungen der Bundeskonferenz Jazz und des Jazzinstituts Darmstadt gibt es in Deutschland über 700 Spielorte, an denen Jazz angeboten wird. [5] Jazz ist überwiegend Großstadtmusik. Hier befinden sich die meisten Spielstätten, hier leben die meisten Musiker*innen, obwohl hier die Lebenshaltungskosten in aller Regel höher sind als auf dem Land und bei den zumeist sehr niedrigen Einkommen Probleme aufwerfen. Ländliche und kleinstädtische Regionen sind dagegen oftmals weniger gut versorgt.

Eine große Anzahl von Spielstätten in Großstädten sowie in Hochschul- und Universitätsstädten ist professionell gemanagt und in der Lage, ein stilübergreifendes und mehrmals wöchentlich oder sogar täglich wechselndes Jazzprogramm mit regionalen, nationalen und internationalen Künstler*innen anzubieten. Dazu gehören neben dem Stadtgarten in Köln z. B. die Unterfahrt in München, A Trane, Quasimodo und B Flat in Berlin, Birdland und Kampnagel-Fabrik in Hamburg, das domicil in Dortmund, der traditionsreiche Jazzkeller in Frankfurt am Main und der Bunker Ulmenwall in Bielefeld. In Berlin hat sich in dem interdisziplinär für die freie Szene arbeitenden Radialsystem ein wichtiger Spielort für Jazz und aktuelle Musik entwickelt. Eine umfangreiche Auflistung der Spielstätten findet sich auf der Website des Darmstädter Jazzinstituts. [6]

Kleinstädtische oder kleinere Clubs veranstalten ein- oder zweimal pro Woche ein Konzert, das allerdings nicht immer ein Jazzkonzert sein muss. Einige Spielstätten bieten auch gemischte Kulturprogramme, in denen sich regelmäßig Jazzangebote finden – etwa die Alte Feuerwache Mannheim, der Karlstorbahnhof in Heidelberg, die Münchner Muffathalle und die Centralstation in Darmstadt. Sie werden von den Städten, in denen sie beheimatet sind, betrieben und weitgehend finanziert. Fast all diesen Spielstätten ist gemeinsam, dass sie ihren Betreibern und den spielenden Musiker*innen nicht allein über Mechanismen des Markts den Lebensunterhalt sichern können. Sie beziehen auf verschiedenen Wegen Förderungen von Kommunen und den Ländern, von privaten Geldgebern und Vereinen. Selbstausbeutung ist für alle Betreibenden solcher Spielstätten gleichwohl eine alltägliche Praxis; die Unterstützung durch öffentliche Mittel besitzt den zusätzlichen Effekt öffentlicher Anerkennung und wirkt damit auch motivational.

Auch die repräsentativen Konzerthäuser der Großstädte bieten mittlerweile selbstverständlich Jazz in ihren Programmen, nachdem sie sich jahrelang auf die gelegentliche Präsentation populärer Jazzkünstler*innen   beschränkt hatten. Besonders ambitioniert und mit inhaltlich origineller Kuratierungsarbeit präsentiert sich zurzeit die Hamburger Elbphilharmonie. Vergleichbare Institutionen, wie etwa die Philharmonien in Köln und Berlin, die Alte Oper Frankfurt, das Konzerthaus Dortmund oder der Gasteig in München  (derzeit in seiner Interimsspielstätte Gasteig HP8), werden dabei von den jeweiligen Gemeinden und oft zusätzlich von privater Seite – etwa von Fördervereinen – unterstützt.

Da die Spielstätten sich aus Eintrittspreisen allein nicht finanzieren können, sind die Vermietung der Räumlichkeiten für private Veranstaltungen oder für Konzerte externer Veranstaltender sowie gastronomische Betriebe Basis einer Mischkalkulation. Der 2013 erstmals vergebene Spielstätten-Programmpreis APPLAUS, der Konzertprogramme unabhängiger Spielstätten honoriert, hat bei vielen Clubs für eine Verbesserung der Arbeitssituation gesorgt und kommt über diesen Umweg auch den Musiker*innen zugute. [7]

Neben Konzerten und Konzertreihen verschiedener Träger und der Infrastruktur der Jazzclubs orientiert sich die Jazzöffentlichkeit an zahlreichen Festivals. In der Regel finden sie jährlich (manche auch im Zweijahresrhythmus) jeweils etwa um die gleiche Zeit statt. Das Spektrum reicht vom sommerlichen Open-Air-Event für klassische und/oder populäre Musik mit Jazz-Abteilung über stilistisch profilierte Festivals bis hin zu repräsentativen Großereignissen mit erheblicher öffentlicher Beachtung. Ein Unikum unter den Festivals ist die sommerliche Frankfurter Konzertreihe „Jazz im Palmengarten“, 1959 von Werner Wunderlich ins Leben gerufen und mittlerweile von der Jazzinitiative Frankfurt verantwortet.

Als wichtigste deutsche Jazzfestivals gelten traditionell das jeweils zu Pfingsten am Niederrhein stattfindende moers festival (seit 1972), das 1953 gegründete Deutsche Jazzfestival in Frankfurt am Main im Oktober (zugleich das älteste kontinuierlich stattfindende Jazzfestival der Welt) sowie das spätherbstliche Jazzfest Berlin (seit 1964), das von der Berliner Festspiele GmbH sowie den Jazzredaktionen der ARD-Anstalten getragen und von wechselnden Kurator*innen künstlerisch gestaltet wird. Im Berliner „Radialsystem“ gibt es das Festival „A l’Arme“. An der kulturellen Zusammenarbeit der Ostsee-Anrainerstaaten kümmert sich das Festival Jazz Baltica jährlich. In Köln hat sich die Cologne Jazz Week etabliert, daneben zwei regelmäßige Festivals der Musiker*inneninitiative KLAENG, das KLAENG Festival und der Summer KLAENG. In Nürnberg hat sich das Nuejazz Festival zu einem weithin profilierten Ereignis entwickelt. Unter den deutschen Festivals, aber auch international gibt es mittlerweile eine kooperative Bereitschaft, die Künstler*innen zugutekommen und für die Festivals eventuell kostensenkend wirken soll, ohne dass die Pluralität der Festival-Profile darunter leidet.

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Eine Festivalbühne vor einem großen Containerschiff
ELBJAZZ im Hamburger Hafen  
Foto:  Jens Schlenker

In den letzten zwei Jahrzehnten sind daneben neue Festivaltypen entstanden, die große Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Das gewichtigste unter ihnen ist Enjoy Jazz (gegründet 1999), das in einer länderübergreifenden Kooperation kultureller Institutionen in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen organisiert wird und mittlerweile jedes Jahr ein großes, stilistisch weiträumig interessiertes Publikum anzieht. Mit einer Konzertreihe von Anfang Oktober bis Mitte November – also über sechs Wochen – bietet das Festival an verschiedenen Spielstätten im Rhein-Neckar-Raum Veranstaltungen, die teilweise auch angrenzende Genres wie Pop, Rock, Hip-Hop oder Elektro einbeziehen. An einem New Yorker Vorbild orientiert sich der „winterjazz köln“ (erstmals 2012). Das Festival konzentriert sich auf den Stadtgarten, dessen drei Bühnen synchron genutzt werden. Darüber hinaus gibt es Konzerte in umliegenden Gasthäusern und tagsüber etwa an Kiosken in der Stadt. Beim winterjazz ist der Eintritt zu allen Konzerten frei. Ein drittes, konzeptionell eigenständiges Festival ist der ELBJAZZ in der Hamburger Hafengegend (seit 2010). Wie beim winterjazz gibt es auch hier keine Chance für das Publikum, alle Konzerte zu hören. Als Spielstätten hat der ELBJAZZ Räumlichkeiten in der maritim geprägten Umgebung um die HafenCity erschlossen, einige sind über den Wasserweg zu erreichen. Allen drei Festivals ist gemeinsam, dass sie neue Spielstätten einbeziehen und dabei auf die städtischen Umgebungen, in die sie eingebettet sind, Bezug nehmen. Sie erreichen ein gegenüber der traditionellen Jazzhörerschaft jüngeres und stilistisch weniger festgelegtes Publikum.

„Jazz ist in seinem Selbstverständnis eine grundsätzlich international ausgerichtete Musik.“
Autor
Hans Jürgen Linke

Anfänge des Jazz in Deutschland

Die Geschichte des Jazz in der Bundesrepublik beginnt im Vergleich zu anderen europäischen Staaten spät. Während der 1930er und -40er Jahre war Jazz verpönt, wurde unterdrückt und teilweise kriminalisiert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte er das Land neu in einer veränderten Gestalt als kunstreiche Konzertmusik, die eine Botschaft von Freiheit enthielt. In Frankfurt am Main blühte die Avantgarde des Cool Jazz auf, der gelegentlich sogenannte „Frankfurt Sound“ gilt als erste eigenständige stilistische Entwicklung des Jazz in Deutschland. Als die Mainmetropole – entgegen vielfacher Erwartungen – nicht Hauptstadt der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland wurde, erfand die interessierte Öffentlichkeit den Ersatztitel einer Jazzhauptstadt. So repräsentierten die Musiker der Frankfurter Szene die neue Zeit. Die Brüder Emil und Albert Mangelsdorff und andere Frankfurter Jazzmusiker, der Trompeter, Theoretiker und Buchautor Carlo Bohländer, die Konzertveranstalter Horst Lippmann und Fritz Rau, der umtriebige Journalist und Organisator Heinz Werner Wunderlich wurden zu viel bewunderten Pionieren der neuen deutschen Jazzszene.

Nicht nur in diesen Anfängen und keineswegs nur in Frankfurt, sondern landesweit hatte der deutsche Jazz stets auch einen politischen Hintergrund. Sein Image war hierzulande ein nachdrücklich antinationalistisches, antirassistisches und pointiert demokratisches. Dem fühlte sich die Szene selbstverständlich verpflichtet, und dies gilt mit wenigen Abstrichen bis heute. Diesem Grundsatz entspricht auch ein kulturpolitischer Markstein in der Frühgeschichte der Bundesrepublik mit der maßgeblich von Heinz Werner Wunderlich initiierten Polenreise der Frankfurt All Stars im Jahr 1957 und einem umjubelten Auftritt auf dem Jazzfestival in Sopot. Der Jazz machte sich hier zum Medium der ersten kulturell akzentuierten Begegnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern – eine tief bewegende Erinnerung bis ins hohe Alter für alle, die an dieser Reise teilnahmen.

Die heutige Bundesrepublik ist als föderaler Staat aus einer Konstellation von vier Nachkriegsbesatzungszonen und einer geteilten ehemaligen Hauptstadt hervorgegangen, nach einer über 40 Jahre währenden Aufteilung in zwei Staaten, die zwei verfeindeten geopolitischen Blöcken zugerechnet wurden. Während dieser vier Jahrzehnte ist die Entwicklung des Jazz in den beiden Teilen des Landes unterschiedlich verlaufen. Im Westen leitete anfangs der amerikanische Einfluss eine pointierte, westeuropäisch orientierte stilistische Entwicklung ein, mit der sich ab Mitte der 1960er Jahre der sogenannte Free Jazz zum Stimmführer aufschwingen konnte. Die Entwicklung in der DDR verlief demgegenüber stiller und weniger international ausgerichtet. Hier gab es eine überschaubare Szene, in der anspruchsvolle kompositorische Arbeit und Vorbilder wie Hanns Eisler oder Kurt Weill ebenso eine Rolle spielten wie Volks- und Arbeiterlieder. Nur wenigen Jazzmusikern aus der DDR gelang der Durchbruch zu internationalem Rang. Der Saxofonist Ernst Ludwig Petrowsky, der Schlagwerker Günter Sommer, der Pianist und Komponist Ulrich Gumpert und der Posaunist Konrad Bauer bildeten das Quartett Synopsis, das sich noch vor dem Mauerfall in Zentralquartett umbenannte und – neben von Hannes Zerbe geleiteten Bands sowie Formationen um die Gitarristen Helmut Sachse und Uwe Kropinski – seit den 1970er Jahren zu den international sichtbaren Exponenten des DDR-Jazz wurde. Seit dieser Zeit waren die Kontakte zwischen Jazzmusikern beider deutscher Staaten zunehmend intensiv, so dass die Szene nach dem Umbruch 1989/90 leicht zusammenwachsen konnte. Folgen der differenten Geschichten sind gleichwohl noch erkennbar. [8]

Aus- und Fortbildung

Der erste Jazzstudiengang an einer deutschen Musikausbildungsstätte wurde bereits 1928 an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main unter der Leitung von Matyás Seiber eingerichtet, allerdings 1933 umgehend wieder abgeschafft. Danach dauerte es fast sechs Jahrzehnte, bis sich der Jazz in Frankfurt wieder an einer akademischen Ausbildungsstätte etablieren konnte. Der in den 1990er Jahren eingerichtete Aufbaustudiengang Jazz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst unter der Leitung von Karl Berger wurde jedoch schon nach wenigen Jahren wieder eingestellt. Einen Jazzstudiengang gibt es (neben der privaten Frankfurter Musikwerkstatt, einer staatlich anerkannten Musikakademie für Jazz und Populäre Musik) in Frankfurt zurzeit nur an Dr. Hoch’s Konservatorium. Andere Städte hatten mehr Erfolg. Besonders die Hochschule für Musik und Tanz in Köln hat sich in ihrer Bedeutung für die Jazzszene der Stadt und des ganzen Landes erhebliche Verdienste erworben. Möglicherweise liegen die Wurzeln dieses nachhaltigen Effekts schon in den späten 1950er Jahren mit der Berufung Bernd Alois Zimmermanns auf eine Kompositionsprofessur (1958). Zimmermann, bei dem u. a. der spätere Free-Jazz-Protagonist Alexander von Schlippenbach studierte, integrierte früh Jazzbands in seine orchestralen Kompositionen und trug dadurch unmittelbar zur positiven Akzeptanz des zeitgenössischen Jazz als Kunstform bei. Mittlerweile wird Jazz an 19 deutschen Universitäten und Musikhochschulen in etablierten Studiengängen gelehrt. Der Ausbildungsstandard von Jazzmusiker*innen in Deutschland ist entsprechend hoch, und die Hochschulen locken zunehmend auch ausländische Studierende an, die solche Bedingungen zu Hause nicht vorfinden.

An den meisten Hochschulen kann man sich sowohl instrumental und vokal als auch pädagogisch ausbilden lassen. Die Angebote sind vielgestaltig und in verschiedene Fachbereiche – mit Instrumental- und Vokalausbildung, mit Schulmusik, mit Popularmusik – eingebunden. Die größten Ausbildungsinstitute sind mit dem Fachbereich Jazz/Pop die Hochschule für Musik und Tanz in Köln sowie das Berliner Jazz-Institut, eine gemeinsame Einrichtung der Universität der Künste und der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Von mittlerer Größe sind die Institute in Hamburg, Nürnberg, Essen, Freiburg, Mannheim, Weimar. Die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig nimmt seit einigen Jahren für den zeitgenössischen Jazz eine zunehmend wichtige Position ein. Kleinere Jazzabteilungen finden sich etwa in Stuttgart, Saarbrücken, an Dr. Hoch’s Konservatorium und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main, in Dresden oder an der Universität in Mainz. In Mannheim gibt es darüber hinaus die 2003 gegründete Popakademie Baden-Württemberg, die in ihre Ausbildungsangebote auch die Vorbereitung auf die Mechanismen des Musikmarkts einschließt. Einen Überblick über Ausbildungsstätten und Studiengängen im Bereich Jazz gibt das Deutsche Musikinformationszentrum (miz).

Weil Jazzmusiker*innen von Auftritten und CD-Verkäufen in der Regel nicht leben können, ist Unterricht – privat, in einer öffentlichen Musikschule, einzeln, als Workshop oder als Ensembleunterricht – eine wichtige Einkommensquelle. [9] Die Musikschulen sind somit inzwischen bedeutende Stützen der Jazzszene geworden, indem sie erstens dem Nachwuchs erste Ausbildungsschritte bieten und zweitens den professionell arbeitenden Musiker*innen eine wichtige Unterstützung. Die Musikschulen bereiten auch Anwärter für das Fach Jazz an den Hochschulen vor und bieten eigene Abschlüsse an.

Jazzmusiker*innen sind im Durchschnitt bestens ausgebildet. Die Jazzstudie 2022 hält fest, dass der Anteil graduierter Musiker*innen in den jüngeren Altersgruppen am höchsten ist und mit zunehmendem Alter sukzessive zurückgeht. Nach wie vor lässt sich gelegentlich unter älteren Jazzmusikern ein Vorbehalt gegenüber akademischer Musik-Ausbildung beobachten, was mit den jeweils eigenen – stärker oral/aural geprägten – Wegen zur Musik und in den eigenen Beruf zusammenhängen mag. In der Altersgruppe der heute 21- bis 30-Jährigen verfügen 93 Prozent über ein abgeschlossenes Musikstudium, in der Altersgruppe der 31- bis 40-Jährigen sogar 99 Prozent. In der Altersgruppe der 41- bis 50-Jährigen sinkt der Anteil auf 85, bei den 51- bis 60-Jährigen auf 81 und bei den über 60-Jährigen auf 60 Prozent. Dass dem durchweg enorm hohen Ausbildungs-Standard eine durchschnittlich prekäre Bezahlung der Arbeit kontrastierend entgegensteht, sei ergänzend angemerkt. [10]

Nachwuchsförderung

Auch im Jazzbereich ist der Gedanke der Jugendförderung vom Prinzip des Wettbewerbs nicht gänzlich losgelöst. Das wichtigste Instrument ist damit – neben den Lehrangeboten – die Bundesbegegnung Jugend jazzt, die eine Mischung aus Festival, Konzertpodium, Kontakt- und Informationsbörse, Workshop und Seminar ist und teils ähnlich wie der Nachwuchswettbewerb Jugend musiziert abläuft. Ursprünglich für Formationen mit maximal zehn Mitgliedern, seit 2010 auch für Big Bands ausgeschrieben, wird der Wettbewerb in einer ersten Phase auf regionaler und auf Landesebene ausgetragen und von einer Jury bewertet. Auf der zweiten Ebene werden die jeweils Ersten im Landesausscheid jährlich zur Bundesbegegnung Jugend jazzt delegiert, die jedes Mal in einer anderen Großstadt ausgetragen wird. Im Unterschied zu anderen Musikwettbewerben erhalten nicht nur die Erst-, Zweit- und Drittplatzierten Preise, sondern (nach Möglichkeit) alle. Zu gewinnen gibt es etwa Studioaufnahmen, Teilnahmen an Festivals, Workshops und Gutscheine für den Musikhandel. „Jugend jazzt“ wird vielfach gefördert, Träger ist der Deutsche Musikrat.

Ein weiteres wohlorganisiertes Instrument für den Jazznachwuchs sind die als musikpädagogische Institutionen konzipierten Landesjugendjazzorchester (LJJO) sowie das Bundesjazzorchester (BuJazzO) mit Sitz in Bonn. Die Gründung des BuJazzO fand 1987 statt, der legendäre Posaunist und Jazzorchesterleiter Peter Herbolzheimer gehörte zu den Mitbegründern und war der erste Orchesterleiter. Träger ist auch hier der Deutsche Musikrat.

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Junges Jazzorchester spielt auf einer Bühne
Das Bundesjazzorchester 2023 in Guayaquil, Ecuador  
Foto:  kultura red cultural alemana

Das älteste LJJO – von Musiker*innen zuweilen auch scherzhaft „Landjugend“ genannt – ist das 1975 gegründete Ensemble in Nordrhein-Westfalen. Getragen werden die LJJO jeweils von den Landesmusikräten, die öffentliche Förderung ist mittlerweile bei den zuständigen Landesministerien institutionalisiert. Die Zusammenarbeit zwischen den LJJO und den Landeswettbewerben „Jugend jazzt“ ist intensiv und effektiv. Mitglied im LJJO wird man in der Regel nach einem erfolgreich absolvierten Vorspiel, für das sich jeder Interessierte bewerben kann, zu dem aber auch die bei den Landeswettbewerben entdeckten Talente eingeladen werden. In der Regel treffen sich die LJJO-Mitglieder zu vier jährlichen Arbeitsphasen, dazu kommen im Schnitt zehn bis 20 Konzerte pro Jahr. Das Repertoire orientiert sich an der klassischen Tradition der Jazz-Big-Bands und wirkt auch stets als Anregung für Nachwuchstalente in den Bereichen Arrangement und Komposition. Viele der heute national und international renommierten deutschen Jazzmusiker*innen können mittlerweile auf eine LJJO- oder BuJazzO-Phase ihrer Karriere zurückblicken. Das Musikerreservoir, aus dem diese Institutionen ihre Talente schöpfen, sammelt sich in einer erstaunlichen Anzahl von Formationen, die man unter der Bezeichnung Big Band zusammenfassen kann – Vereinsbands, Schulbands, privat betriebene Liebhaberbands. Nach inoffiziellen Schätzungen soll es in Deutschland über 4.000 solcher Ensembles geben.

Eine lange Liste von Preisen, Stipendien und Wettbewerben verschiedener Träger ergänzt die systematische Förderung der Musikräte. Zahlreiche Städte – etwa Ingolstadt, Frankfurt, Köln, Leipzig, Stuttgart – vergeben teilweise schon seit vielen Jahren Preise oder Förderpreise an Musiker*innen. Auch Rundfunkanstalten sind dabei: Der SWR-Jazzpreis ist einer der traditionsreichsten und renommiertesten Jazzpreise im Land. Auch der Mitteldeutsche (MDR) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) vergeben anerkannte Auszeichnungen. Der Albert-Mangelsdorff-Preis der Deutschen Jazzunion (DJU, früher: Union Deutscher Jazzmusiker, UDJ) wird alle zwei Jahre jeweils im Rahmen des Jazzfests Berlin verliehen. Die meisten zuständigen Kulturministerien der Länder haben mittlerweile ebenfalls jährliche Preise oder Förderpreise, die von einer Jury vergeben werden. Hinzu kommen regionale Preise von Stiftungen, Initiativen und Vereinen.

In Nordrhein-Westfalen hat sich, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft sowie der Stadt Köln, auf Initiative des Europäischen Zentrums für Aktuelle Musik am Stadtgarten ein neues Förderprogramm für herausragende Musikerinnen und Musiker aus dem Formenkreis des Jazz etabliert. Es arbeitet unter dem Namen Nica Artist Development und bietet in NRW ansässigen Künstler*innen Unterstützung in den Bereichen Masterclass, Residenzen und Konzerte. [11] Im Unterschied zu anderen Fördermaßnahmen ist dieses Förderprogramm langfristig, also auf drei Jahre angelegt. Jedes Jahr werden neue Künstler*innen aufgenommen und in jeglicher Hinsicht zur Netzwerkbildung und Professionalisierung ermutigt. Der Name dieses Förderprogramms, Nica, erinnert an die legendäre Mäzenin des avantgardistischen Jazz Pannonica de Koenigswarter.

Seit 2021 wird jährlich der Deutsche Jazzpreis in einer Kooperation der Initiative Musik mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vergeben. Seine Verleihung soll als kulturelle Leuchtturm-Veranstaltung etabliert werden. Im Gegensatz zu dem von der Deutschen Phono-Akademie, dem Kulturinstitut des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) verliehenen ECHO, dessen Vergabe eingestellt ist und der an ökonomischen Daten geknüpft war und politisch ins Zwielicht geriet, wird der Deutsche Jazzpreis von einer Jury vergeben.

Einen umfassenden Überblick über Preise und Förderungen liefert das Deutsche Musikinformationszentrum [12] , das in seinem Ausschreibungskalender auf aktuelle Fördermöglichkeiten hinweist. Die Jazzstudie 2022 besagt, dass 65 Prozent der Jazzmusiker*innen in den vergangenen fünf Jahren allgemeine Fördermittel erhalten haben.

Jazz als Beruf: Ensembles und Big Bands

Von der einstmals stattlichen Zahl der Tanz- und Unterhaltungsorchester der deutschen Rundfunkanstalten sind vier Big Bands (NDR, WDR, SWR und hr) übrig geblieben, deren Mitglieder in festen vertraglichen Verhältnissen arbeiten können. Die Ensembles haben einen gewichtigen Platz in den Musiksparten ihrer Sender, werden von Chefdirigent*innen geleitet und von wechselnden Arrangeur*innen mit anspruchsvollem Material versorgt. Die Big Band des Norddeutschen Rundfunks (NDR) hatte bei der künstlerischen Neuorientierung der ehemaligen NDR-Studioband eine Vorreiterfunktion inne. Dem NDR-Redakteur Wolfgang Kunert und dem Pianisten, Komponisten und Orchesterleiter Dieter Glawischnig kommt hier seit 1980 eine Schlüsselrolle zu. Am Hamburger Vorbild orientierten sich bald auch die Big Bands des Hessischen Rundfunks (hr) und des WDR. Gemeinsam haben diese hochprofessionellen Orchester die Big-Band-Musik in Deutschland auf ein neues künstlerisches Niveau gehoben und ihr zugleich ein anspruchsvolles Publikum gesichert.

Unter den Rundfunkformationen hat das traditionsreiche hr-Jazzensemble eine Sonderstellung. Es ging 1957 aus den Frankfurt All Stars hervor und besteht nicht aus fest angestellten Mitgliedern, sondern rekrutiert sich aus Musikern des Rhein-Main-Gebiets und projektweise eingeladenen Gästen. Die Mitwirkenden kommen zu regelmäßigen Proben- und Aufnahmephasen zusammen und arbeiten bis auf wenige Ausnahmen als reine Studioband.

Freie Szene

Die Ergebnisse der Jazzstudie 2022 zeichnen ein zwiespältiges Bild: Einerseits scheinen die Befragten mit ihrem Beruf grundsätzlich sehr zufrieden zu sein. Ihr Bildungsstand ist hoch, drei Viertel von ihnen haben beispielsweise ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Sie stammen aus gebildeten Milieus und sind regional, national wie auch international vernetzt.

Andererseits ist die ökonomische Lage von Jazzmusiker*innen nicht anders als prekär zu nennen. 65 Prozent der Musiker*innen verdienen laut der Studie 2022 unter 20.000 Euro pro Jahr, nur 14 Prozent erreichen ein Jahreseinkommen von über 40.000 Euro. Für Frauen ist die durchschnittliche Einkommenssituation im Jazz noch schlechter als für Männer. Eine von der UDJ angestrebte und vorgeschlagene Mindestgage von 250 Euro pro Person pro Auftritt wurde in 84 Prozent der Fälle nicht erreicht. CDs müssen in der Regel selbst produziert und finanziert werden und sind damit in den weitaus meisten Fällen eher Kostenfaktor als Einkommensquelle. Streaming spielt für die Einkommenssituation der Jazzmusiker*innen keine nennenswerte Rolle. Selten gibt es Geld für Proben, nicht immer Reisekosten und Übernachtungsspesen. Musiker*innen, die sich beispielsweise mit der Komposition und dem Spielen von Theater- oder Fernseh- und Filmmusik finanzieren können, zählen zu den Glückspilzen der Branche. Die Künstlersozialkasse, bei der etwa 80 Prozent der hauptberuflich arbeitenden Musiker*innen versichert sind, ist für die basale soziale Absicherung von existenzieller Bedeutung – und sie wird Altersarmut in vielen Fällen nicht verhindern können.

Die Konzert-Aktivitäten haben sich im Zuge der Corona-Pandemie für alle Musiker*innen drastisch verschlechtert, indem sich nicht nur die Anzahl der Konzerte, sondern auch die Publikumszahlen von heute auf morgen deutlich verringert haben. Immerhin haben 80 Prozent der in der Jazzstudie 2022 Befragten Corona-Hilfen erhalten. Finanzielle Unterstützung leistete ebenfalls das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geschnürte Rettungspaket NEUSTART KULTUR. Darüber hinaus haben Digitale Konzert-Formate hier und da die Not lindern können. Aktuell (Jahresmitte 2023) scheinen sich Konzert- und Publikums-Situation in kleinen Schritten zu bessern.

Zwei Posaunisten spielen ihr Musikinstrument
Foto:  Peter Tümmers
Eine Jazzband spielt auf einer Bühne
Subway Jazz Orchestra  
Foto:  Peter Tümmers
Schlagzeuger spielt auf einer Bühne
Foto:  Peter Tümmers

Die meisten Jazzmusiker*innen sind darauf angewiesen, organisatorische, musikpädagogische, kultur- und verbandspolitische Arbeit zu leisten und sich gelegentlich auf nebenberufliche Tätigkeiten einzulassen. Beide Jazzstudien schlagen vor diesem Hintergrund vor, Jazzförderung nicht als Gegenstand der traditionellen Kulturförderung zu betreiben, sondern auf Bundes- und Landesebene als Querschnittsaufgabe anzusehen, in die verschiedene Fachministerien (Soziales, Bildung und Erziehung, Wissenschaft, Kultur) sowie verschiedene kommunale Ämter eingebunden sein müssten.

Internationaler Austausch

Eine gezielte Exportförderung für deutschen Jazz, wie sie etwa in skandinavischen Ländern oder über das Bureau Export in Frankreich begründet wurde, existiert in Deutschland bisher nur ansatzweise. Die Initiative Musik bietet auf Antrag Förderungen für ausländische Tourneen samt telefonischer Beratung an. Das dem Auswärtigen Amt angegliederte Goethe-Institut entfaltet seit Mitte der 1960er Jahre Aktivitäten als Verbreiter von deutschem Jazz im Ausland, nachdem es eine Südostasientournee des Albert Mangelsdorff Quintet unterstützt und finanziert hatte, bei der die LP „Now Jazz Ramwong“ entstand. Heute können viele deutsche Musiker*innen und Bands auf internationale Tournee- und Spielerfahrungen zurückblicken, die ohne das Goethe-Institut nicht möglich gewesen wären.

Jazz ist in seinem Selbstverständnis eine grundsätzlich international ausgerichtete Musik, deren neugierige Akteur*innen auf weiträumigen anregenden Austausch aus und in aller Regel über nationale Grenzen hinweg gut vernetzt sind. Dennoch sind deutsche Jazzmusiker*innen im Ausland nicht so präsent wie andersherum ausländische Künstler*innen aus diesem Bereich in Deutschland. Ein Showcasefestival wie die German Jazz Expo in Bremen im Rahmen der jährlichen Messe jazzahead! ist ein systematischer Versuch, daran etwas zu ändern, hat jedoch bis dato keine Nachahmung gefunden.

Bis weit in die 1990er Jahre war Deutschland geradezu ein Paradies für US-amerikanische Musiker*innen, die zu Hause von kleinen Gagen und Nebenjobs lebten und hierzulande als Stars angesehen und bezahlt wurden. Das hat sich geändert. Der deutsche Konzertbetrieb konzentriert sich seit etlichen Jahren zunehmend auf europäische Musiker*innen; Bands aus Skandinavien, aus der Schweiz und Frankreich sind in Deutschland vergleichsweise präsent und bekannt. Einige haben auch im Ausland ihre Erfahrungen gesammelt, sind bekannter geworden und dann nach Deutschland zurückgekehrt; Musiker*innen aus dem europäischen Ausland oder den USA haben sich wiederum auch in Deutschland niedergelassen und gehören zur hiesigen Szene. Kreative wie Publikum fragen kaum mehr nach Nationalitäten, und Einschränkungen im internationalen Austausch haben keine mentalen, allenfalls materielle Gründe.

Rundfunk

Von Anfang an waren die Rundfunksender der Bundesrepublik wichtige Medien zur Verbreitung des Jazz. Starke Impulse gingen für etliche Jahre vom Südwestfunk Baden-Baden aus, wo der später ironisch sogenannte „Jazzpapst“ Joachim Ernst Behrendt als Journalist, Produzent und unermüdlich-umtriebiger Initiator wirkte. Sein 1953 erstmals erschienenes „Jazzbuch“, das in den folgenden Jahrzehnten in sieben (seit 2005 vom SWR-Jazzredakteur Günther Huesmann) jeweils stark überarbeiteten und erweiterten Auflagen erschien, war für Generationen von Jazzhörer*innen das zentrale Nachlese- und Nachschlagewerk und spielte in der Jazzöffentlichkeit eine wichtige Rolle. [13] In Baden-Baden entstand in den 1960er Jahren auch das New Jazz Meeting, das bis heute fortgeführt wird. Ebenso etablierte sich von hier aus die Präsenz des zeitgenössischen Jazz bei den Donaueschinger Musiktagen, einem der nach wie vor international renommiertesten Festivals für zeitgenössische Musik. Die traditionsreichen Darmstädter Ferienkurse, die Festival und Diskursplattform zugleich sind, räumen der improvisierten Musik einen sich allmählich erweiternden Raum ein.

In Frankfurt wurde 1957 das bis heute bestehende Jazzensemble des hr gegründet. Darüber hinaus ist der hr aktueller Träger des Deutschen Jazzfestivals, das 1953 von der Deutschen Jazz Föderation ins Leben gerufen wurde und mittlerweile das älteste kontinuierliche Jazzfestival der Welt ist. Auch der WDR veranstaltet ein eigenes jährliches Jazzfestival, anfangs in wechselnden Städten im Sendegebiet, seit 2017 kontinuierlich im Theater der Stadt Gütersloh.

Die Tanz- und Unterhaltungsorchester der Rundfunkanstalten entwickelten sich einst zu Heimstätten eines orchestralen Gebrauchsjazz und präsentierten sich kontinuierlich auch in Magazinsendungen im Fernsehen zu besten Sendezeiten. Mit ihrer Auflösung seit den 1980er Jahren hielten sich nur an vier Rundfunkanstalten – dem hr in Frankfurt, dem WDR in Köln, dem NDR in Hamburg und dem SWR in Stuttgart – Big Bands mit fest angestellten Mitgliedern. Sie finden ihr Profil zunehmend in künstlerisch anspruchsvollen Produktionen mit innovativ arbeitenden Arrangeur*innen und Bandleader*innen und setzen auf eine starke konzertante Präsenz in den Sendegebieten (s. o.).

Jazz und improvisierte Musik sind seit den Anfängen der Bundesrepublik in den öffentlich-rechtlichen deutschen Rundfunkanstalten vielschichtig präsent. Sendungen widmen sich historischen und aktuellen Stilen und Improvisationskonzepten, bieten Musikerporträts, informieren über regionale Initiativen, Konzerte, Festivals. Sie kooperieren mit Festivals und Konzertveranstaltern, unterstützen sie finanziell durch die Aufzeichnung und Sendung von Konzerten. Dabei geht es nicht nur um die mediale Nutzung von Musikaufzeichnungen, sondern auch um die öffentliche Aufwertung von regionalen Veranstaltungen sowie um ihre Dokumentation. Die Jazzredaktionen sind nicht nur journalistisch aktiv, sondern auch als Produzenten und Vermittler eine wichtige Stütze des Jazzlebens. Mit ihrer technischen Infrastruktur können die Rundfunkanstalten Musiker*innen die Chance für Studioaufnahmen unter professionellen Bedingungen bieten. Innerhalb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gibt es gleichwohl seit Jahren interne Auseinandersetzungen, in denen die Präsenz des zeitgenössischen Jazz eine paradigmatische Rolle spielt. Jazzredaktionen sehen sich zunehmend medienpolitisch in der Defensive und erachten ihre Arbeit und ihre Bedeutung für die Rundfunk-Landschaft als vom so genannten „Formatradio“ zunehmend in Frage gestellt. 

Im privaten Rundfunk findet, nach vielversprechenden Anfängen in den 1990er Jahren, Jazz nur noch selten und fast ausschließlich in Nischen statt. Die letzte Ausnahme bildet das Jazz Radio Berlin, das kontinuierlich Jazz verschiedener Subgenres sendet. Andere private Radioprogramme beschränken sich auf feste Sendezeiten, meist zu später Stunde, und sind nicht selten an Clubs und Konzertveranstalter gebunden. [14] Musiker*innen nutzen seit einiger Zeit zunehmend digitale Formate (etwa Links zu YouTube-Videos) zur Eigenwerbung, so dass ihre Bewerbungen bei Konzertveranstaltern, Journalisten, Jurys oder beim Goethe-Institut nicht unbedingt von CDs unterfüttert werden müssen, die ein nennenswerter Kostenfaktor sind, aber bei den Adressaten, so die Befürchtung der Musiker*innen, oft ungehört liegen bleiben.

Forschung und Dokumentation

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Jazz ist in Deutschland noch relativ neu, findet aber selbstverständlich an den Musikinstituten aller einschlägigen 19 deutschen Hochschulen statt, an denen Jazz gelehrt wird. Der internationale Austausch der deutschen Forschung mit Kolleg*innen in den USA, in der Schweiz, Österreich, Italien oder Großbritannien ist rege und ertragreich.

Ein Pionier der Jazzforschung war der in Gießen lehrende Musiksoziologe Ekkehard Jost (1938–2017). Er war Publizist, Wissenschaftler, Bandleader und Musiker, und sein 1975 erschienenes Buch über den Free Jazz [15] war die erste stilkritische Untersuchung zu diesem Thema. Seine Veröffentlichungsliste umfasst sozialgeschichtliche, epochengeschichtliche, stilistische Untersuchungen.

Aus dem Nachlass von Joachim Ernst Behrendt, den die Stadt Darmstadt 1983 erwarb, entstand das dortige Jazzinstitut, das seither Ausgangspunkt reger, vielschichtiger und folgenreicher Aktivitäten ist. Drei hauptamtliche und eine Reihe ehrenamtlicher Kräfte haben aus dem Institut eine Kombination aus Archiv, Konzertveranstalter, Forschungsinstitut und kulturpolitischer Plattform entwickelt. Alle zwei Jahre veranstaltet das Institut ein „Jazzforum“ benanntes Symposium, dessen diskursive Ergebnisse in der mittlerweile stattlich angewachsenen Buchreihe „Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung“ [16] dokumentiert sind. Seit den späten 1980er Jahren gab das Jazzinstitut Darmstadt als gedruckte Publikation den „Wegweiser Jazz“ heraus, der anfangs vor allem als Adressensammlung ein orientierendes Hilfsmittel für Musikschaffende sein sollte. Im Laufe mehrerer Editionen wuchs der Wegweiser zu einem umfangreichen Handbuch des Jazz in Deutschland heran. Die letzte Printausgabe erschien 2009 mit über 400 Seiten; inzwischen ist der Wegweiser ausschließlich elektronisch über die Website des Jazzinstituts nutzbar. [17]

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Winterjazz im Stadtgarten Köln: Ein Jazzensemble, bestehend aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug, spielt auf einer Bühne
Winterjazz im Stadtgarten Köln  
Foto:  Elisa Essex

Neben dem Darmstädter Institut gibt es in Eisenach das Lippmann + Rau Musikarchiv, dessen Träger die gleichnamige Stiftung ist. Auch hier handelt es sich um eine Kombination aus Archiv und Forschungsstelle, die eng mit der Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar kooperiert, wo seit etlichen Jahren eine aspektreiche Jazzforschung geleistet wird. [18]

Auf Initiative vor allem des ehemaligen Leiters der WDR-Jazzredaktion Bernd Hoffmann gründete sich 2006 der Verein Radio Jazz Research. [19] In ihm sind internationale Vertreter aus Presse, Wissenschaft und Praxis zusammengeschlossen, die sich regelmäßig zu thematisch fokussierten Tagungen treffen. Die Treffen sollen dem Meinungs-, Informations- und Wissensaustausch der Mitglieder und der Erforschung sowie der Präsentation des Jazz dienen. Sie finden stets in enger Kooperation mit Jazzfestivals oder mit einschlägig aktiven Instituten von Hochschulen statt.

Labels, Verlage und Publikationswesen

Trotz fundamentaler Veränderungen des Tonträgermarkts gibt es in Deutschland eine vergleichsweise große Zahl von Jazzlabels, die Musik verlegen und ihre Produkte teilweise in Streamingportalen platzieren. In europäischen Nachbarländern ist es mittlerweile noch weitaus schwieriger, Tonträger über einen traditionellen Vertrieb und traditionelle Verkaufsstellen abzusetzen. Tonträger werden von kleinen und meist unabhängigen Produzent*innen hergestellt, die eine überschaubare Betriebsgröße haben und in der Regel ohne nennenswerte Gewinne arbeiten. Einige Labels bringen ihre Produktionen parallel als Vinyl-Langspielplatten und CDs sowie zum Download auf den Markt.

Die sogenannten Major Labels haben sich aus dem Markt weitgehend zurückgezogen bzw. beschränken sich auf einen Output, der im Jazzfach nicht umfangreicher ist als der eines Independent Labels. Zwei Firmen, die beiden in München ansässigen Labels ECM und ACT, arbeiten hingegen heute so, wie es früher den Majors möglich war, nämlich in einer langfristigen und vergleichsweise systematischen Kooperation mit einzelnen Künstler*innen, denen Zeit gegeben wird, sich zu profilieren und zu entwickeln. ECM wurde 1969 von Manfred Eicher gegründet, ACT 1992 von Siegfried Loch. Beide kümmern sich kontinuierlich um die stilistisch und qualitativ verantwortungsvolle Erweiterung des eigenen Repertoires und der mit dem Label verbundenen Künstler*innen.

Neben diesen beiden, die im Jazzsegment eine herausragende Position besitzen, gibt es weitere Labels, die sich auf die Musikrichtung spezialisiert haben. Zu ihnen zählen Enja Records (München), ferner das zum Schott-Verlag in Mainz gehörende Jazz- und Weltmusiklabel Intuition, in Köln Between The Lines (seit 1999) und das Label JazzHausMusik der Initiative Kölner Jazz Haus, in Hamburg Skip Records, in Berlin das Jazz-, Weltmusik- und Chansonlabel Traumton, zu dem auch ein Studio und ein Musikverlag zählen, sowie in Ludwigsburg das Label Neuklang, das zu den traditionsreichen Ludwigsburger Bauer Studios gehört.

Eine ganze Reihe aktiver Labels sind außerdem von Musiker*innen gegründet worden, um die Musik Einzelner zu produzieren und zu vertreiben, so z. B. Herzog Records, nWog Records, Berthold Records, NRW Records, Rodenstein Records, Jazz’n’Arts Records, Ozella Records, Pirouet Records, GLM, Jazzwerkstatt, Tangible Music oder Jazzsick Records. Eine umfangreiche Liste der mit Jazz befassten Tonträger-Labels bietet die Website des Darmstädter Jazzinstituts https://www.jazzinstitut.de. Einige dieser Labels sind darauf angewiesen, dass die Musiker*innen selbst einen großen Teil der Produktionskosten für ihre Tonträger übernehmen und ihre CDs beispielsweise nach Konzerten auch zum großen Teil selbst verkaufen. Eine verlässliche und flächendeckende Infrastruktur von Schallplattenläden existiert längst nicht mehr.

Von den Internetportalen, die sich um Jazz verdient machen, ist Frank Schindelbecks Portal jazzpages.de das wohl gründlichste und seriöseste. Neben einer kontinuierlichen journalistischen Berichterstattung und Kolumnenproduktion enthält es zahlreiche Links und Informationen und wird ständig aktualisiert. Auch das Goethe-Institut unterhält auf seiner Website eine umfangreiche und jährlich überarbeitete Jazzrubrik.

Drei überregionale, regelmäßig erscheinende gedruckte Jazzmagazine informieren derzeit die interessierte Öffentlichkeit. Das Älteste ist das zehn Mal jährlich erscheinende „Jazz Podium“, 1952 von Dieter Zimmerle gegründet, inzwischen ist Adam Olschewski der Verleger und Chefredakteur, der Verlagsort ist von Stuttgart nach Bernried am Starnberger See verlegt. Die „Jazzthetik“, 1987 in Münster gegründet, kommt mit sechs Ausgaben pro Jahr heraus. „Jazzthing“, 1993 gegründet, erscheint mit fünf Ausgaben pro Jahr in Köln. Die zuletzt in Regensburg im ConBrio Verlag erscheinende „JazzZeitung“ wurde als Printausgabe 2014 eingestellt und existiert weiter als Webportal. [20]

Lobbyarbeit und Netzwerke

Kultur war in der Bundesrepublik Deutschland lange Zeit eine Angelegenheit der Kommunen und Länder. Daher hat sich die kulturpolitische Interessenvertretung und Lobbyarbeit der Jazzszene zunächst ebenfalls ausschließlich auf kommunaler und auf Länderebene sowie als private Initiative entfaltet. Die älteste Organisation des deutschen Jazz ist die 1952 gegründete Deutsche Jazz Föderation (DJF), ein Zusammenschluss der Jazzveranstalter*innen, damals vor allem der deutschen Hot Clubs. Das Deutsche Jazzfestival in Frankfurt, das heute vom hr und der Stadt veranstaltet wird, war ursprünglich eine Veranstaltung der DJF. Nachdem der Verband viele Jahre lang ein Schattendasein führte, ist er seit Anfang des 21. Jahrhunderts neu belebt worden. Ein Impuls hierfür ging auch vom neuerlichen Erstarken der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ, inzwischen Deutsche Jazzunion, DJU) aus, der gegenüber sich die DJF als Interessenvertreter der Veranstalter markiert. Kontrovers diskutiert werden zwischen beiden Organisationen vor allem die Positionen zum Thema verbindliche Mindestgagen.

Die UDJ wurde 1973 als eine Art Musikergewerkschaft gegründet; die Mitglieder begegneten sich einige Jahre lang regelmäßig zum Verbandstreffen mit Jazzfestival in Marburg an der Lahn. Seit den 1980er Jahren zeigte der Verband nachlassende Aktivität; die Lobbyarbeit der Musiker*innen fand eher auf Landesebene über die Landesarbeitsgemeinschaften (LAG) Jazz statt. Ab 2007 wurde der Verband durch eine jüngere Musikergeneration neu belebt, repräsentiert durch die Pianistin Julia Hülsmann, die erste Vorsitzende der UDJ in dieser Phase. Der Verband wurde 2019 umbenannt und heißt jetzt Deutsche Jazzunion (DJU). Er beteiligt sich aktiv und umsichtig an allen Debatten, die eine bessere gesellschaftliche Verankerung und Wahrnehmung des Jazz in Deutschland betreffen, entsendet Expert*innen in Jurys, die Förderpreise und Stipendien vergeben (Spielstättenpreise Rock, Pop und Jazz, Deutscher Preis für Jazzjournalismus, Showcasejury der jazzahead!, SWR-Jazzpreis), vergibt jährlich in der Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ den Sonderpreis der DJU sowie alle zwei Jahre den Albert-Mangelsdorff-Preis und war an der Jazzstudie 2022 ebenso maßgeblich beteiligt wie an der von 2016.

Die Bundeskonferenz Jazz (BKJ) ist ein informeller Zirkel aus Repräsentanten der Jazzszene. Sie wurde 2002 u. a. deshalb gegründet, weil Kultur auch im Bund ihren Platz bekommen sollte und der Jazz einen Ansprechpartner für die Politik brauchte. Die BKJ erfüllt diese Aufgabe seither. Sie wird gefragt und nimmt Stellung zu kulturpolitischen Fragen um den Jazz. So entstand auch die Idee einer Spielstättenförderung im Kreis der BKJ und wurde von der Initiative Musik als Fördermaßnahme für das etwas amorph erscheinende Marktsegment „Rock, Pop und Jazz“ übernommen.

Als gemeinnützige GmbH ist die Initiative Musik die zentrale Fördereinrichtung für die Musikwirtschaft im Land. Ihre Träger sind die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) und der Deutsche Musikrat. GVL und GEMA beteiligen sich an der Finanzierung, der größte Teil ihres Budgets stammt jedoch aus den Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

In Berlin versteht sich der dortige Landesverband IG Jazz als Interessengemeinschaft zur Vertretung der Berliner Musiker*innen und engagiert sich überall, wo es um Verbesserungen ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen geht. Die IG Jazz Berlin arbeitet an Förderkonzepten (Projekt-, Studio-, Tournee-, Künstler-, Ensemble- und Spielstättenförderung), entsendet Experten in Jurys und Gremien, meldet sich in kulturpolitischen Debatten zu Wort, hat an den Jazzstudien 2016 und 2022 mitgewirkt, betreibt einen Probenraum und mischt sich mit eigenen Positionen in die kulturpolitischen Auseinandersetzungen ein, etwa um das nach wie vor virulente Projekt der Gründung und Betreibung eines House of Jazz in der Hauptstadt.

Soweit es im Verantwortungsbereich der Musiker*innen liegt, ist die gegenwärtige Situation des Jazz in Deutschland gut. Es gibt keine Stilistik, keine Tradition, keine aktuelle Entwicklung, die hierzulande nicht ihre Akteure, ihre Exponenten und ihre Anhänger hätte. Natürlich könnte vieles noch besser sein: das Publikum jünger und größer, die Spielstätten zahlreicher und wohlhabender, die Förderungsmöglichkeiten komfortabler und reichhaltiger, die Hochschulen besser ausgestattet und leichter erreichbar. Jedoch: Nicht nur im Vergleich zu schlechteren Zeiten, sondern auch im Vergleich zu den meisten unserer europäischen Nachbarn – und erst recht zu transatlantischen Verhältnissen – kann sich die Jazzszene in Deutschland auch nach den schwierigen Zeiten der Pandemie der ersten 2020er Jahre selbstbewusst sehen lassen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Linke, Mitglied der Bundeskonferenz Jazz, war 1993-2012 Musikredakteur im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Er arbeitet seitdem als freier Autor.

Fußnoten

  1. Vgl. Thomas Renz: Jazzstudie. Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusiker/-innen in Deutschland. Hildesheim 2016. Online unter https://miz.org/de/dokumente/jazzstudie-2016?term=studie&filter%5Bresource%5D%5B0%5D=Dokument&filter%5Bepoch_or_genre%5D%5Bpath%5D=Jazz&position=7 (Zugriff: 25. August 2023).

  2. Vgl. Urs Johnen [u. a.]: Jazz-Studie 2022. Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusiker*innen in
    Deutschland, Berlin 2022, S. 25. Online unter https://miz.org/de/dokumente/jazzstudie-2022?term=studie&filter%5Bresource%5D%5B0%5D=Dokument&filter%5Bepoch_or_genre%5D%5Bpath%5D=Jazz&position=1 (Zugriff: 25. August 2023).

  3. Vgl. ebd. [Jazzstudie 2022], S. 16.

  4. Vgl. https://miz.org/de/statistiken/studierende-in-studiengaengen-fuer-musikberufe (Zugriff: 14. November 2023).

  5. Vgl. den Abschnitt „Spielstätten“ im Bericht zur Situation des Jazz in Deutschland auf den Seiten der Bundeskonferenz Jazz: http://www.bk-jazz.de/jazz-in-deutschland (Zugriff: 25. August 2023).

  6. Vgl. https://www.jazzinstitut.de/ (Zugriff: 25. August 2023).

  7. Vgl. https://applaus-award.de/ueber-den-preis/ (Zugriff: 25. August 2023).

  8. Für weitere Informationen zur Geschichte des Jazz in Deutschland vgl. Wolfgang Knauer: „Play yourself, man!“: die Geschichte des Jazz in Deutschland, Ditzingen 2021.

  9. Die Jazzstudie 2022 nennt für die letzten Jahre (seit 2019) konstant 1 Prozent Einkommen aus Vinyl und CDs; vgl. auch die vom miz in Auftrag gegebene Studie „Professionelles Musizieren in Deutschland“, https://miz.org/de/statistiken/professionelles-musizieren-in-deutschland, wonach nur 30 Prozent der Berufsmusizierenden in Deutschland ausschließlich von der Musik leben können (Zugriff: 31. Oktober 2023).

  10. Laut der Jazzstudie 2022 liegt das durchschnittliche Brutto-Jahreseinkommen deutscher Jazzmusiker*innen zwischen 56 und 62 Prozent des Bundesdurchschnitts. Jazzmusikerinnen verdienen zudem nach der Datenlage der Jazzstudie 2022 im Durchschnitt 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Vgl. Jazzstudie 2022, S. 69–74.

  11. Vgl. https://nica-artistdevelopment.de/ (Zugriff: 25. August 2023).

  12. Vgl. https://miz.org/de/themen/jazz?term=jazz&position=11 (Zugriff: 31. Oktober 2023).

  13. Joachim Ernst Behrendt, Günther Huesmann: Das Jazzbuch – Von New Orleans bis ins 21. Jahrhundert; mit ausführlicher Diskographie. 7., vollst. überarb. u. aktual. Ausg., Frankfurt am Main 2014.

  14. Jazz Time Nürnberg etwa sendet an Donnerstagen von 22 bis 23 Uhr und ist ein Arbeitsbereich des Jazzstudio Nürnberg. Im Radio Unerhört Marburg sendet Constantin Sieg, der auch das Buch-Café mit Jazz-Programm in Bad Hersfeld betreibt, seit 1997 regelmäßig. In vergleichsweise geringem Umfang findet Jazz auch in privaten Web-Radios und Streaming-Diensten statt.

  15. Ekkehard Jost: Freejazz. Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre. Mainz 1975.

  16. Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung. Hofheim 1990ff. (erscheint zweijährlich).

  17. Vgl. http://www.jazzinstitut.de/wegweiser-jazz-3/?lang=de (Zugriff: 25. August 2023).

  18. Vgl. https://jazzomat.hfm-weimar.de/ (Zugriff: 25. August 2023).

  19. Vgl. https://radiojazzresearch.de/de/start/ (Zugriff: 25. August 2023).

  20. Vgl. https://www.jazzzeitung.de/cms/ (Zugriff: 25. August 2023).