Der Verband deutscher Musikschulen nimmt als Fachverband der Träger von bundesweit 925 öffentlichen Musikschulen mit 36.000 Lehrkräften und einer Reichweite von weit über 1.200.000 Schülerinnen und Schülern zum Positionspapier der Landesregierung Baden-Württemberg „Eckpunkte zur Weiterentwicklung der Musikhochschulen“ (Eckpunktepapier) auf der Grundlage des dort geäußerten Erhalts aller Hochschulstandorte Stellung:
Die öffentlichen Musikschulen sind mit ihrem breit gefächerten Berufsfeld nach wie vor Hauptabnehmer von Absolventen der Musikhochschulen. Anders lautende Äußerungen jüngeren Datums sind als weitgehend analysefrei erfolgt zu werten. Die Musikschulen benötigen Lehrkräfte, die gleichermaßen künstlerische wie pädagogische Kompetenzen in ihrer Ausbildung erworben haben.
1.) Zeitgemäße, pädagogisch exzellente Ausbildung ist nur im Bildungsorganismus einer „Vollhochschule“ denkbar und sinnvoll - mit ihren vielfältigen Impulsen und Differenzierungsmöglichkeiten sowie mit den hier konstitutiv verankerten Verbindungen von künstlerischer Praxis mit substanzieller pädagogischer Angebotsstruktur. Absolventen einer „Teilhochschule“ würden es im Anforderungsprofil der Musikschulen an Lehrkräfte somit bundesweit schwer haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Dies gilt auch und dort besonders für den ländlichen Raum, wo in den Musikschulen Lehrkräfte mit Mehrfachkompetenzen benötigt werden.
2.) Die Elementare Musikpädagogik (EMP) ist an allen Hochschulstandorten zu erhalten und auszubauen. Gerade im Bereich der EMP besteht der höchste Bedarf der Musikschulen an Lehrkräften, nicht nur in Baden-Württemberg. Daher kann zwar der Gedanke einer Profilbildung an einer Hochschule nachvollzogen werden, überhaupt nicht jedoch der Gedanke einer Konzentration der EMP-Ausbildung an einem Standort im Land.
Generell gilt: wenn Profilbildung erreicht werden soll, könnte dies nicht durch einfache Wegnahme von Bereichen zu erzielen sein. Das wäre so, als ob ein Auto, das sich durch ein besonders ökonomisches Verbrauchsbild oder möglichst geringe Klimaauswirkungen profiliert, auf Motor, Getriebe und Fahrwerk verzichten oder diese Teile auslagern würde.
3.) Jede EMP-Ausbildung ist untrennbar verbunden mit einer künstlerisch-pädagogischen Ausbildung. Daher ist das Lehrangebot für künstlerisch-pädagogische Studiengänge – und somit auch für die EMP- Ausbildung – als vollständiges Fächerangebot zu sichern. Damit wird auch hier deutlich, dass weder aus fachlicher Sicht noch aus Abnehmersicht eine Unterscheidung von „Vollhochschulen“ und anderen („Teil-“)Hochschulen angezeigt sein kann.
4.) Der Aspekt von Qualitätsentwicklung kann im „Musikland Nr. 1“ nicht auf die Qualität in der künstlerisch-praktischen Ausbildung beschränkt sein und bleiben. Denn gerade angesichts der künftig immer unsicherer werdenden Möglichkeiten einer freiberuflichen Tätigkeit laufen die künstlerischen Studiengänge noch stärker Gefahr, in eine Arbeitslosigkeit hinein auszubilden. Darüber kann auch nicht hinweg täuschen, dass derzeit Studierende aus nicht-EU-Ländern die hier überschüssig vorhandenen Lehrkapazitäten noch auslasten.
Es ist übrigens zu begrüßen, dass ernsthaft Überlegungen verfolgt werden, dass die hier in Anspruch genommenen Studienkapazitäten nicht weiter steuerfinanziert werden sollen, zumal in den meisten Fällen ein berufsqualifizierender Abschluss im Heimatland vorliegt.
5.) Hochschulen, die weitgehend auf künstlerische Exzellenz setzen, kommen nicht umhin, mittel- und langfristig Produktionsstätten eines künstlerischen Prekariats zu werden. Auch daher ist es erforderlich, Hochschulstandorte als „Vollhochschulen“ mit ausbalancierten Kapazitäten zwischen künstlerischen und pädagogischen Studienangeboten zu strukturieren.
Das Eckpunktepapier lässt eine Profilbildung und Qualitätsentwicklung im künstlerisch-pädagogischen Bereich als Hauptbedarfsfeld der Musikberufe vermissen. Der VdM fordert daher im Übrigen nicht nur eine landesweite, sondern auch eine bundesweite Exzellenzinitiative für die künstlerisch-pädagogischen Studiengänge.Abschließend weist der VdM darauf hin, dass er zu keinem Zeitpunkt in die Überlegungen der Strukturreform der Ausbildungslandschaft in Baden-Württemberg einbezogen war, ebenso nicht der Landesverband der Musikschulen in Baden-Württemberg. Der VdM steht ebenso wie der Landesverband aber zu Erörterungen zur Verfügung.
Bonn, 01.08.2013
Prof. Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des VdM
Matthias Pannes, Bundesgeschäftsführer des VdM
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