"Wir betteln nicht um weitere Subventionen, sondern fordern lediglich praxisgerechte Rahmenbedingungen für die Branche ein". Auf diesen knappen Nenner bringt Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft (idkv), den Wunschkatalog der deutschen Musikwirtschaft, den diese jetzt auf ihrem Kongress in Berlin an die Adresse der Politik vorgetragen hat. Bessere Voraussetzungen würden beispielsweise durch eine Senkung der Umsatzsteuer auf Tonträger geschaffen oder durch die Kürzung der Besteuerung der inländischen Einnahmen ausländischer Künstler. Michow: "Da geht es nicht um finanzielle Förderung, sondern um Investitionen in die Zukunft der Musikbranche."
Deutsche Musikindustrie - zu ihr gehören neben dem unsatzstärksten Bereich der Konzertwirtschaft die Musikverleger und -produzenten, Künstlermanager und Konzertagenturen sowie die krisengeschüttelte Tonträgerindustrie - formulierte auf dem zum zweiten Mal stattfindenden Kongress "Musik als Wirtschaft" den politischen Handlungsbedarf für eine Optimierung der Rahmenbedingungen, unter denen die volkswirtschaftlich immer bedeutsamere Branche zuletzt "mehr zu leiden" habe, als dass sie von ihnen profitieren könne. Trotz erheblicher Umsatzeinbußen der Tonträgerwirtschaft beläuft sich der Gesamtumsatz der Musikbranche noch auf ca. 3,4 von 11,23 Milliarden Euro - bestehend aus den Bereichen Buch, Film, Unterhaltungssoftware und Leermedien.
Freilich haben sich die einzelnen Sektoren der Musikwirtschaft in den letzten Jahren auf Grund struktureller und technischer Bedingungen deutlich abweichend entwickelt. Während Veranstalter von Live-Entertainment, so Jens Michow, wieder Zuwachsraten verzeichneten, leide die Phonowirtschaft existenzbedrohlich unter dem "ungezügelten Raubkopieren" von Tonträgern. "Die Ertragsfähigkeit von Musik ist zu einer zentralen Frage geworden, auf die das Urheberrecht endlich strikt reagieren muss. Es kann nicht angehen, dass mehr und mehr nur die Hersteller von CD-Rohlingen und Kopiersoftware die Gewinne einstreichen, während die Autoren und Tonträgerhersteller, die die Vorinvestitionen in die Musik und das Tonträgerprodukt haben, in die Existenskrise geraten."
Staat mus sich heraushalten, wo private Leistungen erbracht werden
Für den derzeit wirtschaftlich vergleichsweise gut abschneidenden Bereich der Konzertwirtschaft fordert der IDKV-Präsident mehr „Abwesenheit des Staates“. Wo Leistungen durch private Unternehmer erbracht werden könnten, sollten sich staatliche Institutionen heraushalten. „Es ist z.B. nicht einzusehen“, so Michow, „dass die Bundesagentur für Arbeit mit ihren Künstlerdiensten im Wesentlichen Künstlervermittlung in selbständige Dienstverträge betreibt, nicht jedoch in Arbeitsverhältnisse. Da werden internationale Stars und namhafte inländische Künstler für Firmenevents und Veranstaltungen aller Art vermittelt, bei denen von Arbeitsvermittlung absolut nicht die Rede sein kann.“ Dies geschehe ohne Vermittlungsgebühr auf Kosten der Versicherten und mit erheblichen Bundeszuschüssen. Gegen diese Art von Wettbewerb hätten die zahlreichen Künstleragenturen und Künstlervermittler keine Chance. „In Zeiten knapper Kassen muss solch ein Zopf aus vergangener Zeit abgeschafft werden!“
Ein altes, aber immer noch akutes Problem für die Veranstaltungswirtschaft sei die Besteuerung der inländischen Einnahmen ausländischer Künstler. Zwar habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) im vergangenen Jahr festgestellt, dass das deutsche Besteuerungsverfahren gegen die Grundsätze des EU-Vertrags verstößt, Deutschland habe das Urteil jedoch bisher nicht hinreichend in innerstaatliches Recht umgesetzt, sodass ausländische Künstler weiterhin durch das deutsche Verfahren diskriminiert würden. Der IDKV fordere daher eine praxisgerechte Umsetzung des Urteils des EuGH mit der Konsequenz, dass ausländische Künstler bei der Besteuerung ihrer Einnahmen im Inland nicht schlechter gestellt werden als deutsche Künstler. Ergebnisse, so Michow, seien aber nicht abzusehen. „Das Bundesministerium der Finanzen ist bislang nicht gesprächsbereit.“
Ungerechtfertigte Künstlersozialabgaben
„Wenig amüsiert“ betrachten deutsche Veranstalter auch das System der Künstlersozialversicherung, das sie zur Zahlung von Sozialabgaben auf geleistete Künstlerhonorare verpflichtet, und zwar auch auf Gagen für ausländische Künstler. So seien für die letzte Tournee der Rolling Stones vom Veranstalter 600 000 Euro Künstlersozialabgabe gezahlt worden, obwohl ausländische Künstler keinerlei Leistungen der Kasse in Anspruch nehmen könnten, berichtet Michow. Zudem steige der Abgabesatz derzeit wieder jährlich, während der Bund vor zwei Jahren seine Zuschussverpflichtung um fünf Prozent gekürzt habe.
Nicht ohne Genugtuung unterstreicht der Veranstalterfunktionär die Ausbildungsbereitschaft der Branche. Während der Mangel an Lehrplätzen und ausbleibende Initiativen der Wirtschaft die täglichen Nachrichten bestimmten, nähmen Deutschlands Veranstalter ihre Verantwortung ernst. Vor drei Jahren hätte der Wirtschaftszweig den Ausbildungsberuf des Veranstaltungskaufmanns initiiert.
„Inzwischen sind in diesem neuen Ausbildungsberuf über 2000 junge Menschen tätig“, freut sich Michow. „Viele sprechen schon von einem Trendberuf.“ Der geplanten Ausbildungsplatzabgabe sehe die Branche daher gelassen entgegen.
„Insgesamt gibt es für die Veranstaltungswirtschaft keinen Grund zum Jammern“, fasst IDKV-Präsident Michow zusammen. „Wir haben unser Haus bestellt und können den Gürtel nicht mehr enger schnallen. Jetzt ist die Politik am Zug.“ Gerade mit Blick auf die Konzertgänger sei es wichtig, dass sich die Rahmenbedingungen für die Organisatoren von Musikentertainment verbesserten und nicht weiter an der „Abgabenschraube“ gedreht werde. „Dem Käufer von Konzerttickets sind weitere Preiserhöhungen nicht mehr zuzumuten.“
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Quelle
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