Zwar konnte die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ auf Grund der vorgezogenen Bundestagswahl ihre Arbeit nicht abschließen. Aber der jetzt erschienene Tätigkeitsbericht zeigt auf insgesamt 894 Seiten auf, mit welchen Themen sich die Enquete-Kommission befasst hat, welche Aspekte bislang noch unbearbeitet sind, welche Punkte offen blieben.
Die Aufgabe der Enquete-Kommission, nämlich Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber zu formulieren, wurde erst in Ansätzen erfüllt. An vielen Stellen wird von den Verfassern des Tätigkeitsberichts vermerkt, dass bestimmt Themen nur unzureichend diskutiert werden konnten und keine entsprechenden Entscheidungen gefällt wurden.
Auch für die kulturelle Kinder- und Jugendbildung (Kapitel 4.3 des Tätigkeitsberichts) wurden keine Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Die Enquete-Kommission sollte „die Probleme und Entwicklungsmöglichkeiten der musisch-kulturellen Bildung im schulischen, außerschulischen und universitären Bereich untersuchen. Dazu gehören die gefährdeten Musik- und Kunstschulen, aber auch der freie Tanz- und Theaterunterricht. Einzubeziehen sind die musisch-kulturelle Bildung im Ganztagsangebot öffentlicher Schulen sowie Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Anbietern“ (S. 255). Lesenwert ist das Kapitel „Kulturelle Kinder- und Jugendbildung“ des Tätigkeitsberichts dennoch, denn die „Arbeitsgruppe III der Enquete-Kommission hat bereits eine Reihe von Handlungsempfehlungen ins Auge gefasst:
Kulturelle Bildung in der Früherziehung
- Zusammenarbeit von Kindergärten/Kindertagesstätten mit Kultur- und Bildungseinrichtungen
- Verbesserung/Intensivierung der Erzieher/innen- Ausbildung im Bereich ästhetischer Erziehung
- Notwendigkeit einer kulturellen Qualifizierungsoffensive im Elementarbereich
- Erleichterung des Zugangs zu Kultur gerade für Angehörige bildungsferner Schichten
Kulturelle Bildung in der Schule
- Kooperation der Schule mit außerschulischen Institutionen
- Professionalisierung der Kooperation im Rahmen der Ganztagsschule
- Kultur-/Bildungsgutscheine für Kinder (wie in den Niederlanden)
- Beibehaltung und Stärkung der Schulfächer der kulturellen Bildung
- Unterrichtsausfall in den Fächern der kulturellen Bildung anprangern
- Kulturelle Praxis in jeden Schultag!
- Alle Facetten der kulturellen Bildung in der Schule vermitteln (auch Tanz, Baukultur)
- Fähigkeit zur Rezeption von Kultur stärken (Kunstgeschichte, Theater etc.)
- Stärkere Ausrichtung der Ausbildungsgänge von Kulturberufen auf die kulturelle Praxis
- Kulturelle Bildung gehört in jedes Schulfach!
Außerschulische kulturelle Jugendbildung
- Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen per Bewilligungsbestimmungen verpflichten, einen angemessenen Teil des Angebots für Kinder und Jugendliche zur Verfügung zu stellen
- Rechenschaftsberichte der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen über Angebote für Kinder und Jugendliche
- Die Einrichtungen müssen einen Teil ihrer Fördermittel konkret für Zwecke der kulturellen Bildung erhalten
- Aufgaben der kulturellen Bildung und Jugendförderung zum Bestandteil von Verträgen von Intendanten und z. B. Musikern machen
- Bundesweite Wettbewerbe wie „Jugend musiziert“ für alle Sparten der kulturellen Bildung
- Zertifizierungen für das produktive künstlerische Schaffen von Kindern und Jugendlichen
- Freiwilliges Soziales Jahr Kultur weiter ausbauen
Breiten- und Begabtenförderung
- Der Austausch von Breiten- und Begabtenförderung ist zu fördern.“
(S. 264 des Tätigkeitsberichts der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, 15. Wahlperiode, EK-Kultur AU 15/154)
Es wäre schade, wenn die bisherige Arbeit der Enquete-Kommission nicht weiter verfolgt würde und sich zu Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber weiter entwickeln würde. Deshalb schließt sich die BKJ der Forderung des Deutschen Kulturrats an, unverzüglich wieder eine Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ einzusetzen.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Auf Grund der umfangreichen Vorarbeiten könnte eine neue Enquete-Kommission Kultur innerhalb von einem bis anderthalb Jahren Handlungsempfehlungen für das Parlament vorlegen, so dass noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge der Enquete in konkreten Gesetzen umgesetzt werden könnten. Die Bundeskulturpolitik würde so einen deutlichen Auftrieb erhalten.“