Live-Konzerte und Club-Events haben für die lebendige Kommunikation und das gemeinsame Erlebnis zwischen Künstler*innen und Publikum große Bedeutung – ob auf der großen Konzertbühne, im kleinen Musikclub oder auf dem Dancefloor. Die Corona-Krise der Jahre 2020/21 traf die Branche daher doppelt hart, denn seit der Jahrtausendwende waren die Einnahmeverluste aus dem Tonträgerverkauf vor allem mit Live-Auftritten, Live-Events und Festivals ausgeglichen worden. Der deutschen Tonträgerindustrie gelang es zwar, die Verluste durch steigende Erlöse mit Streaming zu kompensieren. [1] Doch diese Einnahmen sind nach Meinung vieler Künstler*innen ungerecht verteilt.
Pop-Strömungen und medialer Konsum
Eine faire Beteiligung an den Einnahmen von digitaler Musik- und Musik-Audio-Streaming ist auch insofern ein zentraler Diskussionspunkt für die Pop-Branche, als die Bedeutung digitaler Medien in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Vor allem in jüngeren Zielgruppen wird das Smartphone intensiv für den multimedialen Medienkonsum genutzt. [2] Etwa 97 Prozent dieser Altersgruppe besitzen ein Smartphone, das mit seinem Zugang zum Internet ein starker Konkurrent für die klassischen Medien wie TV, Radio und Print geworden ist. Die Smartphone-/Social-Media-Nutzung, wurde in der jüngsten JIM-Studie von 98 Prozent der Jugendlichen als wichtigstes Interesse genannt, gefolgt vom Musikhören mit 93 Prozent. [3] Dabei wird die Musik im Wesentlichen über die Anbieter Spotify (41 Prozent) und YouTube (27 Prozent) sowie über das Radio (24 Prozent) konsumiert. Audiovisuelle Angebote und Social-Media-Plattformen werden heute im so genannten „Second Screen“ parallel genutzt. Viele Künstler*innen, z. B. die südkoreanische Boygroup BTS, haben das erkannt und nutzen die digitalen Plattformen und Social-Media-Kanäle wie Facebook, Instagram, Twitter, YouTube oder TikTok gezielt zum Musikmarketing sowie für den engeren Kontakt zu den Fans. Oft werden über Social-Media-Plattformen auch neue Hypes und Hits angestoßen; Beispiele hierfür sind „Jerusalema (feat. Nomcebo)“ von Master KG und der Shanty „Wellermann“ von Nathan Evans.
Das Verhältnis der beliebtesten Musikgenres bei den Musikverkäufen hat sich im Verlauf der letzten 15 Jahre laut jüngstem Jahresbericht des Bundesverbands Musikindustrie nur leicht verändert (vgl. Abbildung 1). Pop bleibt mit einem Marktanteil von 26,6 Prozent die erfolgreichste Musiksparte, gefolgt vom Genre Hip-Hop/Rap, das seine Umsatzzahlen von 3,6 Prozent 2014 bis 2020 um 15 Prozent steigern konnte. Mit einem Marktanteil am Jahresumsatz von 18,6 Prozent liegt Hip-Hop/Rap schon zum zweiten Mal vor dem Genre Rock (Platz 3, Anteil 17,9 Prozent). Es folgen die Sparten Dance und Deutsch-Pop sowie die zusammengefasste Genre-Gruppe Deutscher Schlager/Volkstümliche Musik. Was sich aber jenseits der sichtbaren Zahlen verändert hat, sind der zeitgemäße Sound und der deutlich gewachsene Anteil deutschsprachiger Titel innerhalb der Genres Rock und Hip-Hop – auch wenn das internationale, englischsprachige Pop-, Rock- und Dance-Repertoire im deutschen Musikmarkt immer noch dominant vertreten ist.
Pop/Dance/EDM
Zu den Künstlern, die sich in der deutschen Musikszene mit englischsprachigem Pop etabliert haben, zählt die Sängerin Lena. Ihre Karriere begann 2010, damals noch als Lena Meyer-Landrut, mit dem Gewinn des Eurovision-Song-Contest („Satellite“). Stefan Raab, Moderator, Musiker und Produzent, förderte ihr künstlerisches Potenzial in der ARD-TV-Show „Unser Song Für Oslo“. Raab hatte auch zuvor schon in seiner ProSieben-Sendung „TV Total“ erfolgreich Talente wie Max Mutzke („Can’t Wait Until Tonight“, 2008) und Stefanie Heinzmann („My Mean Man“, 2007) entdeckt. Der irische Sänger Rea Garvey schaffte im Jahr 2000 mit der Freiburger Rockband Reamonn und dem Hit „Supergirl“ seinen kommerziellen Durchbruch und startete elf Jahre später mit dem Album „Can’t Stand The Silence“ eine erfolgreiche Solo-Karriere. Mit einem eigenen neuen Mix aus Folk-Pop, Reggae-Touch und soften House-Beats sorgte 2013 auch das aus Kassel stammende Duo Milky Chance für Aufsehen. Der Song „Stolen Dance“ wurde sogar in den USA zum Hit und Milky Chance zum Trendsetter eines Singer-Songwriter-Folktronica-Sounds.
Dominiert wurden die jugendlich-orientierten Mainstream-Single-Charts seit Anfang der 2010er Jahre von den sogenannten EDM (Electronic Dance Music)- bzw. Dance-Pop-Hits, angeführt von DJs wie David Guetta oder Avicii (1989–2018), sowie deutschsprachigen Rap-Tracks. Mit soften Tropical- und Folktronica-Beats und wechselnden Sängern setzten auch deutsche DJs in der EDM-Szene ihre erfolgreichen Charts-Akzente. Der aus Osnabrück stammende DJ und Produzent Robin Schulz etwa erreichte mit seinem Remix des niederländischen Popsongs „Waves“ (Mr. Probz) in mehreren europäischen Ländern Platz 1 der Single-Charts. Die Single verkaufte sich über zwölf Millionen Mal und wurde sogar für die amerikanischen Grammy Awards in der Kategorie „Beste Remix-Aufnahme“ nominiert. Mit vier Echo Awards und insgesamt über 27,3 Millionen verkauften Tonträgern ist Schulz der zurzeit erfolgreichste deutsche House-DJ. Aber auch Felix Jaehn feierte 2014 mit dem Remix des Songs „Cheerleader“ (Omi) seinen ersten internationalen Hit. Der Berliner DJ und Produzent „Alle Farben“ sorgte 2015 mit seinem Remake des Reamonn-Hits „Supergirl“ für ein erstes Ausrufezeichen.
„Schiller“, das Projekt des Musikers Christoph von Deylen schielt dagegen weniger auf Charts, sondern ruht mit poppig-elektronischen Ambient-Sounds eher in sich. Seit 1999 ist „Schiller“ mit eigenem Klangkosmos und zahlreichen Gastsängern, z. B. Kim Sanders, Sarah Brightman, Thomas D und Xavier Naidoo, vor allem mit Alben erfolgreich. Mit über 1,1 Millionen verkauften Tonträgern ist das Schiller-Projekt weniger auf dem Dancefloor, sondern mit Live-Band auf Konzerten gefragt. Aus der Berliner Clubszene heraus eroberte sich dagegen der Berliner Techno-DJ Paul Kalkbrenner 2009 mit dem soften Ambient-Trance-Hit „Sky And Sand“ einen Platz in den Charts. Kalkbrenners Bruder Fritz, der „Sky And Sand“ singt, wurde danach auch mit eigenen Singles erfolgreich.
Die ehemalige Studentin der Popakademie Mannheim Alice Merton startete 2017 ihre Karriere und landete mit „No Roots“ einen Hit, der auch international für Aufsehen sorgte. Nach Platz 2 in Deutschland und Erfolgen in Österreich, Frankreich und Italien gelang der deutsch-kanadischen Musikerin mit ihrem modernen Rock-Sound auch der Sprung in die UK- und US Billboard-Charts. Insgesamt verkaufte sich die Single weltweit mehr als 1,6 Millionen Mal. 2018 wurde Alice Merton für ihre „No Roots“-EP mit dem Preis der Deutschen Musikindustrie „Echo“ in der Kategorie „Künstlerin Pop National“ ausgezeichnet, nachdem sie 2017 bereits den 2016 ins Leben gerufenen alternativen „Preis für Popkultur“ erhalten hatte (Kategorien „Lieblings-Solo-Künstlerin und „Hoffnungsvollster Newcomer“). Ein Shooting-Star der aktuellen Popmusikszene ist auch der Sänger Nico Santos. Mit Chart-Erfolgen wie „Rooftop“ (2017) oder „Better“ (Duett mit Lena, 2019), hat Santos inzwischen über 3,3 Millionen Tonträger verkauft.
„Oft werden auch über Social-Media-Plattformen neue Hypes und Hits angestoßen.“
Schlager, volkstümliche Musik
Schlager und volkstümliche Musik werden oft zusammen betrachtet, weil sie musikalisch ähnliche Wurzeln haben und beim Publikum große Schnittmengen bestehen. Der Tonträgerumsatz des Genres Schlager ist zwischen 2010 und 2020 leicht gesunken, von 4,9 Prozent auf zuletzt 3,4 Prozent Marktanteil. Der Anteil der Sparte volkstümliche Musik sank in der gleichen Zeit von 1,9 Prozent auf nur noch 0,6 Prozent (vgl. Abbildung 1). Auch wenn die Hörerklientel von Schlager und volkstümlicher Musik im Schnitt älter und kleiner geworden ist, haben beide Genres in den letzten 15 Jahren durch neue und jüngere Künstler*innen eine Modernisierung erfahren, in der auch Genregrenzen zu Pop, Rock und sogar Dance fließend geworden sind.
Das wird besonders am Beispiel von Helene Fischer deutlich. Ausgebildet an der Stage & Musical School in Frankfurt am Main, feierte sie ihre Fernsehpremiere 2005 in der ARD-Sendung „Hochzeitsfest der Volksmusik“, jedoch hat ihr aktueller Schlager mit diesem Genre gar nichts zu tun. Fischer präsentiert sich als moderne junge Frau und musikalisch vielseitige Entertainerin. Ihre spektakulären Live-Auftritte, sowie ihre jährliche, Rekordquoten bringende „Helene Fischer-Show“ haben längst internationalen Standard erreicht. Als Trapez-Künstlerin lehnt sie sich dabei gekonnt an die Showeinlagen der US-Rocksängerin Pink an; im Musikvideo zu ihrem Nummer-1-Hit „Atemlos durch die Nacht“ (2014) nimmt sie sich Tanzchoreografien international erfolgreicher Pop-Künstlerinnen zum Vorbild. Zwar ist in dem Song der klischeehafte Schlagerduktus des Textes nicht zu überhören, doch musikalisch gelingt mit der eingängigen Melodie und dem modernen EDM-Sound mühelos das Crossover in die Popwelt und den Party-Dancefloor. „Atemlos durch die Nacht“ verkaufte sich im Deutschland, Österreich und der Schweiz fast 1,1 Millionen Mal. Mit insgesamt 16 Millionen verkauften Tonträgern, darunter die Alben „Best Of Helene Fischer“, oder „Farbenspiele“, ist Helene Fischer eine der kommerziell erfolgreichsten Sängerinnen Deutschlands.
Und es gibt noch mehr Frauen, die im Bereich Schlager, volkstümliche Musik für moderne musikalische Akzente sorgen. Die Schweizer Sängerin Beatrice Egli gewann 2013 die Fernseh-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) und feierte mit ihrer Single „Mein Herz“ gleich einen Nummer-1-Hit. Vanessa Mai, deren Karriere 2012 in der Schlagerband „Wolkenfrei“ begann, präsentiert sich auch als Solo-Sängerin mit einem modernen genreübergreifenden Image. In ihren Musikvideos integriert sie Dance-Elemente, ihre Hitsingle „Wir 2 Immer 1“ (2018) ist ein Duett mit dem Rapper Olexesh; für den EDM-DJ Alan Walker sang Vanessa Mai auf seiner Live-Tour den Hit „Faded“. 2015 wurde auch der damals schon zehn Jahre alte Song „Die immer lacht“ der Berliner Sängerin Kerstin Ott von dem DJ- und Produzenten-Duo Stereoact auf YouTube entdeckt. Im soften Deep-House-Remix erreichte die Single Platz 2 der deutschen und österreichischen Single-Charts und verkaufte sich insgesamt 1,5 Millionen Mal.
Der österreichische Sänger Andreas Gabalier feierte sein Fernsehdebüt 2008 im „Grandprix der Volksmusik“ und damit ebenfalls im volkstümlichen Rahmen. Er bezeichnet sich als „Volks-Rock’n’-Roller“, so der Titel seines 2011 veröffentlichen Albums, und verortet sich optisch mit seinem Lederhosen-Look oder seinem Geweihmikrofon in der Trachtentradition seiner Heimat. Seine Lieder sind moderner Alpen-Schlager, mal poppig, mal mit Rock-Touch, garniert mit Akkordeon-Klängen oder dem Jodeln, wie in seiner Party-Hymne „Hulapalu“ (2015). Allerdings sorgte Gabalier auch immer wieder mit anscheinend rechtskonservativen Äußerungen und Textpassagen sowie einem strittigen Plattencover für kontroverse Diskussionen. Mit ihrem unbeschwerten Mix aus Folk, Pop, Rock, Schlager und traditionellen Volks- und Seemannsliedern begeistert die norddeutsche Band Santiano seit 2011 ihre Fans. Inzwischen haben Santiano vier Alben veröffentlicht, die alle Platz 1 der Charts erreichten und sich fast vier Millionen Mal verkauft haben. Beim „Echo Pop“ wurde die Band vier Mal in der Sparte „Beste Gruppe: volkstümliche Musik“ ausgezeichnet.
Deutschsprachiger Pop-Rock-Mainstream
Der Umsatz deutschsprachiger Popmusik ist im Zeitraum 2010-2020 von drei auf inzwischen 4,4 Prozent gestiegen. Dies zeigt die wachsende Akzeptanz von deutschsprachiger Popmusik. Bezieht man noch den Anteil deutschsprachiger Titel in den Genres Rockmusik und Hip-Hop in die Betrachtung ein, ist diese Tendenz noch deutlicher sichtbar.
Eingeleitet wurde diese Entwicklung von zwei großen deutschsprachigen Rock-Künstlern. Herbert Grönemeyer, der im Umfeld der „Neuen Deutschen Welle“ (NDW) 1984 mit der Platte „Bochum“ seinen kommerziellen Durchbruch feierte, stellte 2002 mit dem Album „Mensch“ erneut seine künstlerischen Qualitäten unter Beweis. Mit inzwischen über 3,6 Millionen verkauften Einheiten wurde „Mensch“ zum in Deutschland meistverkauften Pop/Rock-Album der Geschichte. In der Art einer „Neuen Deutschen Welle 2.0“ füllten Anfang der 2000er Jahre auch zahlreiche junge Formationen das deutschsprachige Pop-Rock-Genre mit neuem Leben: Wir Sind Helden („Guten Tag – Denkmal“, 2003), Christina Stürmer („Ich lebe“, 2003), Juli („Die perfekte Welle“, 2004), Silbermond („Symphonie“, 2004). In diese Reihe gehört auch die Teenie-Band Tokio-Hotel, die 2005 mit ihrer international erfolgreichen Single „Durch den Monsun“ aufhorchen ließ. Der Berliner Sänger Adel Tawil etablierte sich nach seinem Erfolgen mit dem Duo Ich + Ich („Vom selben Stern“, 2005) ab 2013 auch als Solo-Künstler („Lieder“, 2013; „Ist da Jemand“, 2017).
Auch Udo Lindenberg, der Pionier deutschsprachiger Rockmusik, setzte bei seinem Comeback 2008 mit dem Album „Stark wie Zwei“ und der Hit-Single „Mein Ding“ noch einmal neue Akzente. Lindenberg ist für viele deutschsprachige Pop- und Rockmusiker*innen ein Vorbild und Mentor. Das Album „MTV unplugged – Live aus dem Hotel Atlantik“ – eingespielt mit zahlreichen musikalischen Gästen, darunter Jan Delay und Inga Humpe – wurde mit seinen über 1,1, Millionen abgesetzten Einheiten zu einem der meistverkauften deutschsprachigen Alben. Mit der Duett-Version von „Cello“ gelang Lindenberg und dem Erfurter Sänger Clueso der jeweils größte Charterfolg ihrer Karriere. Zu den jüngeren auf Deutsch singenden Pop-Rock-Bands zählt auch die 2005 gegründete Hamburger Band Revolverheld um den Sänger Johannes Strate. Mit Hits wie „Spinner“ oder „Halt Dich an Mir fest“ (ein Duett mit Martha Jandova) hat die Band bis heute über 1,8 Millionen Tonträger verkauft.
In den 2010er Jahren setzte schließlich ein richtiger Boom junger deutschsprachiger Talente ein, die sich, getragen von ihren Songs und ihrer Künstlerpersönlichkeit, fast im Jahrestakt in der deutschen Pop- und Rockszene etablierten: 2009 wurde der in Hamburg lebende Sänger und Songwriter Johannes Oerding („Alles Brennt“, 2015) erstmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt; mit der Hit-Single „Nur in deinem Kopf“ gelang dem Augsburger Sänger Andreas Bourani 2011 der erste kommerzielle Erfolg. Im selben Jahr kam die Karriere des Berliner Sängers und Songwriters Tim Bendzko mit der Debüt-Single „Nur noch kurz die Welt retten“ in Gang. Der Sänger Mark Forster aus dem pfälzischen Städtchen Winnweiler erzielte 2012 mit der Single „Auf dem Weg“ einen ersten Achtungserfolg – inzwischen zählt er zu den Dauerbrennern in den deutschen Charts. Auch die Karriere von Max Giesinger begann 2011, als der Sänger in der erstmals ausgetragenen Casting Show „The Voice of Germany“ auftrat; der kommerzielle Durchbruch folgte für den ehemaligen Straßenmusiker fünf Jahre später mit dem EM-Hit „80 Millionen“.
Die deutschsprachigen Pop- und Rocksänger*innen sind mit ihren Single-Hits nicht nur in den Charts, sondern mit zahlreichen „Airplays“ auch in den Rotationen der Mainstream-Popradios vertreten. Doch das ruft auch Kritiker auf den Plan: Die Texte der Songs werden von zahlreichen Musik-Fans als zu schlagerhaft, austauschbar und banal empfunden. Zudem entstünden viele Lieder der neuen Deutschpop-Stars in sogenannten Songwriter-Camps, deswegen seien sie formelhaft und wenig individuell. Der Satiriker Jan Böhmermann präsentierte 2017 in seiner ZDF-Sendung „Neo Magazin Royal“ die Single „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“, deren Wortfolge im Refrain zuvor von fünf Affen aus dem Gelsenkirchener Zoo gezogen wurde. Der Song stieg mit dem Interpreten-Namen Jim Panzko feat. Jan Böhmermann einen Tag vor den „Echo“-Awards 2017 in die Charts ein. In den Social-Media-Kanälen gab es für diese Satire viel Zustimmung. Im September 2017 wurde „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“ beim neuen „Preis für Popkultur“ in der Kategorie „Lieblingslied“ ausgezeichnet.
ECHO und
Preis für Popkultur
Der „Preis für Popkultur“ wurde erstmals 2016 als Alternative zum „Echo“-Award des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) verliehen. Der seit 1992 vergebene „Echo“ hatte immer wieder in der Kritik gestanden, weil in den meisten Preis-Kategorien nur die Künstler*innen mit den höchsten Umsätzen des Vorjahres ausgezeichnet wurden. Insofern war der „Echo“ zwar ein Gradmesser für den kommerziellen Mainstream-Erfolg, eine inhaltliche, künstlerische Bewertung wie z. B. beim US-amerikanischen Grammy fehlte jedoch. Skandale um die Nominierung der Südtiroler Band „Frei.Wild!“ 2012, denen die Propagierung rechten Gedankenguts vorgeworfen wurde, sowie die heftigen Proteste um die „Echo“-Auszeichnung der beiden Rapper Kollegah und Farid Bang wegen rassistischer und antisemitischer Textzeilen führten 2018 zum Aus des Musikpreises. Der „Preis für Popkultur“, unterstützt von der Independent-Szene, setzt bei den Nominierungen seiner Preisträger*innen qualitativ-künstlerisch alternative Akzente.
Der Trend zum eigenen Pop- und Rock-Ausdruck ist ungebrochen und spricht weiterhin viele junge Pop- und Rockfans an. Dazu trägt auch die Sendung „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ bei, die sich seit ihrem Start 2014 auf dem Sender VOX als erfolgreiches TV-Format etabliert hat. Sieben Künstler*innen singen dabei in jeder Folge jeweils die Songs der anderen Interpretinnen und Interpreten, teilweise in sehr individuellen Versionen. Dabei wird auch über die Songs und ihre Hintergründe gesprochen. In der ersten Staffel der Sendung war auch die Sängerin Sarah Connor dabei. Seit 2001 mit englischsprachigen Popsongs erfolgreich, wagte die Musikerin 2015 mit dem Album „Muttersprache“ einen Neustart auf Deutsch. Bei der Echo-Award-Verleihung im Frühjahr 2016 wurde sie dafür in der Kategorie „Künstlerin national Pop/Rock“ mit ausgezeichnet. Zu den jüngeren Künstlerinnen und Künstlern, die seit Mitte der 2010er Jahre populär sind, zählen ebenfalls der Singer- und Songwriter Joris, die Frankfurter Sängerin und Rapperin Namika, der Sänger Wincent Weiss und die Sängerin Lea. Joris setzt mit melancholisch-nachdenklichen Songs Akzente („Herz über Kopf“, 2015), Namika mit modernem deutsch-marokkanischen R&B-Pop-Sound („Lieblingsmensch“, 2015). Wincent Weiss katapultierte sich mit Hits wie „Musik sein“ (2016), sowie „Feuerwerk“ und „Frische Luft“ (2017), mit insgesamt über 2,1 Millionen verkauften Einheiten in die Liga der erfolgreichsten deutschsprachigen Pop-Künstler. Das Markenzeichen von Sängerin Lea ist ihre zarte, verletzlich wirkende Stimme, ihre Single „Leiser“ hielt sich 2017 ganze 29 Wochen in den deutschen Charts. Fynn Kliemann ist ein multimedialer Selfmade-Man, dessen Erfolg als Musiker auch auf seiner vielseitigen Präsenz als YouTuber (mit den Formaten „Heimwerkerking“ und „Kliemannsland“) und Schauspieler aufbaut. Als unkonventioneller Singer-Songwriter springt Fynn Kliemann zwischen verschiedenen Genres, nutzt Loops, EDM-Sounds oder rappt. Seine Single „Zuhause“ verkaufte sich 2018 über 200.000 Mal, sein Album „Pop“ platzierte sich im Mai 2020 direkt auf Platz 1 der Longplay-Charts.
Ein wichtiger Impulsgeber der deutschsprachigen Popmusik war lange Zeit auch der Mannheimer Sänger Xavier Naidoo. Als Solo-Künstler sowie mit der Gruppe Die Söhne Mannheims hat er mit seiner ausdrucksstarken Soulstimme und seinen Hits („Sie sieht mich nicht“, 1999; „Dieser Weg“, 2006) markante Akzente gesetzt. Doch fragwürdige politische Äußerungen, sein Auftritt 2014 bei einer „Reichsbürger-Versammlung“ oder verschiedentlich geäußerte „Verschwörungstheorien“, brachten Xavier Naidoo zunehmend in die Kritik.
Liedermacher und neue deutsche Poeten
Beim Begriff Liedermacher denkt man zunächst an die klassischen deutschen Singer-Songwriter der 1960er Jahre, die ihre musikalischen Wurzeln im US-amerikanischen Folk, bzw. dem französischen Chanson hatten. Doch das heutige klingende Erscheinungsbild ist offen, vielfältig und musikalisch bunt. Der Berliner Radio-Sender Fritz hat darauf reagiert und 2010 die Veranstaltungsreihe „DeutschPoeten“ (ehemals „Die neuen DeutschPoeten“) ins Leben gerufen. Dort werden genreübergreifend jüngere Künstler*innen und Bands präsentiert, die durch ihre deutschsprachigen Texte aufgefallen sind und mit ihrer eigenen Art Geschichten zu erzählen – zum Beispiel Clueso, Philipp Poisel, Bosse und Thees Uhlmann, alternative Rockbands wie Mia, Sportfreunde Stiller, Kraftklub und AnnenMayKantereit, aus dem Hip-Hop-Soul-Genre Künstler wie Max Herre, Marteria, Bausa oder Kontra K. Diese Vielfalt ist ein Ausdruck dafür, dass die deutsche Pop-Sprache an Bedeutung gewonnen hat und inzwischen viele Fans in unterschiedlichsten stilistischen Genres und sozialen Milieus erreicht.
Der Erfurter Sänger Clueso hat seine Karriere als Rapper begonnen, ist aber als Singer-Songwriter stilistisch offen und experimentierfreudig. Nach ersten Erfolgen – „Chicago“ (2006), „Keinen Zentimeter“ (2008) – folgten Kooperationen und Duette: „Cello“ (mit Udo Lindenberg, 2011), „All die Augenblicke“ (mit Wolfgang Niedecken, 2012) und „Zusammen“ (mit den Fantastischen Vier, 2018). Der Sänger, Gitarrist und Songwriter Bosse veröffentlichte 2005 sein erstes Album „Kamikazeherz“ und hat sich seitdem durch zahlreiche Live-Auftritte mit seiner Band in der Indie-Pop- und Liedermacher-Szene einen Namen erspielt. Der Liedermacher Philipp Poisel wurde 2007 von Herbert Grönemeyer entdeckt und für das Label Grönland unter Vertrag genommen. Mit seinen zärtlichen, fragilen und fantasievollen Songs debütierte Poisel 2008 mit dem Album „Wo fängt dein Himmel an?“ Charterfolge hatte er mit „Wie soll ein Mensch das ertragen“ (2010) und „Eiserner Steg“ (2011) sowie mit der Single „Wolke 7“ (2012) im Duett mit dem Sänger und Rapper Max Herre. Dieser startete seine Karriere 1997 mit der Stuttgarter Band Freundeskreis und präsentierte sich 2012 mit dem Album „Hallo Welt“ als Singer-Songwriter. In seiner „MTV unplugged Kahedi Radioshow“ (2013) verband Herre die beiden musikalischen Genres als Geschichtenerzähler auf stimmige Weise.
Auch wenn längst nicht alle „Liedermacher“ und Poeten im sogenannten Mainstream-Markt erfolgreich sind, bereichern sie doch insgesamt die Szene mit ihren eigenen Geschichten und musikalischen Akzenten. Der Berliner Sänger Max Prosa spielt eine Art Neo-Folk-Rock und erreichte mit seinem Debüt-Album „Die Phantasie wird siegen“ (2021) und philosophisch hintergründigen Liedern Platz 20 der Charts. Im Song „Bis nach Hause“ singt er im Duett mit der Liedermacherin Dota. Die Berlinerin ist eine ehemalige Straßenmusikerin, deren Stil eine ungewöhnliche Mischung aus Folk-Rock, Bossa Nova und Kirmesklängen ist. Ihr Album „Freiheit“ schaffte es 2018 bis auf Platz 11 der Charts, 2019 erhielt sie für ihre besonderen poetischen Alltagsbeobachtungen den „Deutschen Kleinkunstpreis“ in der Sparte „Chanson/Musik/Lied“.
Liedermacher und Poeten bekommen seit 2010 auch regelmäßig in der Konzert-Reihe „TV Noir“ ein Forum, in dem der Moderator und Songwriter Tex Drieschner jeweils zwei Musikerinnen, Musiker oder Bands und ihre Songs präsentiert. Die Konzertreihe, die heute über das Internet zugänglich ist, kooperierte 2010–2015 auch mit den TV-Programmen ZDFkultur und Arte und war dort zweimal monatlich als Sendung zu sehen. „TV Noir“ bietet Interpret*innen ein Forum, die meist aus der alternativen Szene stammen und sonst eher in kleinen Clubs, auf Kleinkunstbühnen und in Kulturzentren ihr Publikum begeistern. „TV Noir“ hat ein breit gestreutes Spektrum von älteren und jungen Liedermachern zu Gast, u. a. Judith Holofernes, Kat Frankie, Gisbert Zu Knyphausen, Sophie Hunger, Selig-Sänger Jan Plewka, Boy, Enno Bunger, Cäthe, Tim Neuhaus, Jupiter Jones, Erdmöbel, Lina Maly, Kid Kopphausen, Wilhelmine, Lotte oder Die Höchste Eisenbahn. Zu den beliebtesten Künstlern der Show gehört die Alin Coen Band, die 2010 mit dem Album „Wer Bist Du?“ ihr Debüt gab. Einige Clips ihrer Auftritte („Andere Hände“, „Einer will immer mehr“) haben mehr als eine halbe Million YouTube-Views erzielt.
Doch wo verläuft die Grenze zwischen rein kommerziellem Erfolg und künstlerischer Qualität? Udo Lindenberg hat mit seiner Stiftung bereits 2008 den Songwettbewerb „Panikpreis“ ins Leben gerufen, der alle zwei Jahre in Calw, der Geburtsstadt von Hermann Hesse, verliehen wird. Ausgezeichnet werden Bands, Songwriter*innen und Texter*innen, die anders mit Sprache umgehen als der Mainstream. Was den Unterschied ausmacht, beschreibt die Songwriterin und Saxofonistin Doris Decker in einem Facebook-Trailer zum „Panikpreis“: „Die Popsprache hat einen bestimmten Weg zurzeit. Es geht darum mit großen Worten möglichst wenig zu sagen. Hier wird mit kleinen Worten großes gesagt.“ [4] Zu den bekanntesten Panikpreis-Gewinner*innen zählen die Singer-, Songwriterin Johanna Zeul, die Rockgruppe „Deine Cousine“ (2014), die Singer-Songwriterin Sarah Lesch (2016) und der Sänger- und Songwriter Sebel (2019). Da die stilistischen Ausdrucksformen der heutigen Singer-Songwriter*innen nicht mehr unbedingt dem klassischen Format entsprechen, ist eine klare Genre-Zuordnung kaum mehr zu treffen. Musiker*innen wie Mine (2016), Alice Merton (2017), Kat Frankie (2018) und Sophie Hunger (2019) etwa, die mit dem alternativen „Preis für Popkultur“ ausgezeichnet wurden, bedienen sich in ihrem künstlerischen Ausdruck verschiedenster Facetten.
Rock, Alternative-Rock, Heavy Metal
Die Genres Metal-, Rock-, Alternative-Rock sind einerseits von Bands und Künstler*innen geprägt, die noch umsatzstarke Verkäufe ihrer physischen Tonträger vorweisen können, andererseits hat auch hier die Nachfrage nach großen Live-Events stark zugenommen, was neben den etablierten Festivals wie Rock am Ring / Rock Im Park, Hurricane und Southside auch das Hard Rock-Festival in Wacken belegt. Das 1990 gegründete Festival konnten zu Beginn der 2000er-Jahre einen Zuschauerschnitt von rund 20.000 vorweisen, seit etwa 2010 konnten die Wacken-Macher die Ticketverkaufe auf ca. 85.000 Zuschauer steigern. Das Festival ist inzwischen Kult und jedes Jahr ausverkauft.
Die Metal-Band Rammstein gibt aktuell immer noch den bestimmenden Ton im Bereich Rockmusik an. Seit ihrer Gründung 1994 hat die Band weltweit mehr als 20 Millionen Tonträger verkauft. International gelten Rammstein mit ihren harten brachialen Industrial-Sounds als ein wichtiger zeitgenössischer Kulturexport. Das Markenzeichen der Band sind neben der kompromisslosen und provokanten Musik auch ihre pyrotechnischen spektakuläre Live-Shows, die mit deutschen Klischeebildern aus der Geschichte spielen. Nach Erfolgen mit Singles wie „Engel“, (1997), „Sonne“ (2001), oder „Amerika“ (2004), landete auch das Album „Rammstein“ (2019) wieder auf Platz 1 der Charts. „Neue deutsche Härte“ heißt das Genre, zu dem neben Rammstein in den 2000er Jahren auch Bands wie Oomph!, Eisbrecher und Unheilig gehörten. Die Band Unheilig, um den Sänger und Songwriter Der Graf, die mit ihrem „Gothic-Rock“ zur sogenannten „Schwarzen Szene“ gezählt wurde, ändert 2010 auf dem Album „Große Freiheit“ ihren Sound. Mit der tiefen Baritonstimme von Der Graf, seinen melancholisch nachdenklichen, aber auch pathetischen Songs, wie „Geboren um zu leben“, traf Unheilig daraufhin den Nerv eines Mainstream-Publikums zwischen Rock, Pop und Schlager. Mit über 5,6 Millionen verkauften Tonträgern, die Unheilig bis zu ihrer Auflösung 2016 verkauften, gehört die Band zu den erfolgreichsten deutschen Interpreten der letzten 15 Jahre.
2014 gab auch die Indie-Rockband Sportfreunde Stiller bekannt, sich eine längere Auszeit zu nehmen. Mit ihrer Single „Ein Kompliment“ hatte das Trio um den Sänger Peter Brugger 2002 seinen kommerziellen Durchbruch gefeiert und 2006 mit dem WM-Hit „‘54, ‚74,‘90, 2006“ seinen größten Erfolg gehabt. Im Genre-Mix aus Indie-, Punkrock und Rap setzte 2012 die aus Chemnitz stammende Band Kraftklub neue Akzente. Ihr Debüt-Album „Mit K“ – mit den Single-Hits „Songs für Liam“ und „Ich will nicht nach Berlin“ – verkaufte sich über 300.000 Mal. Als sie dafür beim Echo 2013 zusammen mit der Südtiroler Rockband Frei.Wild in der Kategorie „Beste Gruppe Rock/ Alternative (national)“ nominiert waren, sagten Kraftklub, ebenso wie Mia und Die Ärzte, ihre Teilnahme aus Protest ab. Frei.Wild, die ebenfalls zum Genre „Neue deutsche Härte“ zählen, werden von Kritikern mit ihrem Album „Feind deiner Feinde“ (2013) und wegen der Sprachbilder und Inhalte vieler ihrer Songs dem sogenannten Rechtsrock zugeordnet. Die Band um den Sänger Peter Brugger hat sich in verschiedenen Interviews von jeglichem Extremismus distanziert. (Ähnliche Diskussionen kamen auf, als die Band „Böhse Onkelz“ 2014, nach 10-jähriger Auszeit, mit zwei Konzerten auf dem Hockenheimring ihr Comeback vor jeweils 100.000 Zuschauern spielten.)
Die Echo-Kategorie „Beste Gruppe Rock/Alternative (national)“ wurde 15 Jahre lang von Bands wie Rammstein, Die Ärzte, Sportfreunde Stiller oder Unheilig dominiert – ein Spiegelbild der Verkaufszahlen im Bereich Rock. 2017 ging der Echo Award an die Düsseldorfer Punk-Band Broilers, der letzte Echo dieser Kategorie im Jahr darauf an Die Toten Hosen für ihr Album „Laune Der Natur“. In seiner Preisrede kritisierte der Toten-Hosen-Sänger Campino die Preisvergabe in der Kategorie „Bestes Rap-Album“ an Kollegah und Farid Bang, u. a. wegen einer antisemitischen Textpassage. Ein halbes Jahr später initiierte die Band Kraftklub nach rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz ein Open-Air-Konzert unter dem Motto „Wir sind mehr“, an dem sich Musiker wie Feine Sahne Fischfilet, die Rapper Trettmann, K.I.Z., Casper und Marteria sowie die Toten Hosen beteiligten.
Bei den Echo-Awards ging die 1995 gegründete Punkrock-Band Beatsteaks immer leer aus; der „Preis für Popkultur“ würdigte die Berliner Gruppe mit Alternative-Hits wie „Milk & Honey“ und „Automatic“ sowie den Nummer-1-Alben „Boombox“ (2011) und „Beatsteaks“ (2014) 2017 und 2018 in der Kategorie „Lieblingsband“. Auch die Band The BossHoss ist mit ihrem ganz eigenen Sound, ein Mix aus Country, Rock und Punk, zu einem festen Bandstandteil der deutschen Musikszene geworden. Ihr erfolgreichstes Album war bisher „Liberty of Action“ (2011) mit dem Hit „Don’t Gimme That“. Bei ihren Auftritten beim Rockfestival in Wacken oder bei Rock Am Ring/Rock im Park stellte die Band ihre Live-Qualitäten unter Beweis. Die Popularität der beiden BossHoss-Sänger Alec Völkel und Sasha Vollmer wurde zudem durch ihre Teilnahme an der TV-Sendungen „Sing meinen Song – Das Tausch-Konzert“, sowie durch ihre Juroren-Tätigkeit bei „The Voice of Germany“ verstärkt.
Neben den breit bekannten Rock-, Metal- und Punk-Bands gibt es auch viele neue Künstler*innen und Gruppen, die mit ihrer Musik und ihren Persönlichkeiten in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eigene Akzente setzten. 2008 veröffentlichte Konstantin Gropper, ein Absolvent der Popakademie Mannheim, mit seinem Bandprojekt Get Well Soon das Debüt-Album „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“. Das Album erreichte mit seiner eigenen artifiziellen Mischung aus Dark Wave-, Alternative-Rock-Sounds immerhin Platz 28 der deutschen Album Charts. Auch international bekam die Band gute Kritiken, spielte Konzerte in Frankreich, Großbritannien und Italien und ging in Skandinavien auf Konzert-Tournee. Mit einer frischen Mischung aus englischsprachigem Indie- und Songwriter-Pop überraschte 2011 das Duo Boy. Die beiden Musikerinnen Sonja Glass und Valeska Steiner lernen sich beim „Popkurs“ in Hamburg kennen. Ihr Debüt-Album „Mutual Friends“, mit dem Single-Hit „Little Numbers“, wurde für mehr als 100.000 verkaufte Einheiten mit Gold ausgezeichnet. Auch die Bands Sizarr oder die Leoniden setzen Mitte des Jahrzehnts mit frischem Indie-Rock und einem eigenen Sound Akzente.
Das Kölner Trio AnnenMayKantereit machte im Oktober 2015 mit einem Mix aus schnoddrigem Neo-Folk und Alternative-Rock auf sich aufmerksam. Getragen von der leicht rauen, dunklen Stimme von Sänger Henning May überzeugen die lakonisch nachdenklichen Beziehungslieder mit einem eigenen Charme. Mit einem ähnlichen Sound begeistern auch die Ravensburger Band Provinz. Sie wurde 2019 im Bandpool, einem musikalischen Förderprogramm der Popakademie Baden-Württemberg entdeckt. Das Debüt-Album „Wir bauten uns Amerika“ (2020) wurde von dem AnnenMayKantereit-Produzenten Tim Tautorat aufgenommen, und erreichte Platz 4 der Charts. Gute Kritiken bekam schließlich zuletzt auch die aus Hamm stammende Indie-Rock-Band Giant Rooks. Ihre 2019 veröffentlichte EP „Wild Stare“ wurde innerhalb kurzer Zeit weltweit über 50 Millionen Mal gestreamt. Der Liedermacher Danger Dan, auch Mitglied der Punk-Rapper Antilopen Gang, wurde 2021 beim „Preis für Popkultur“ gleich in drei Kategorien ausgezeichnet: „Lieblings-Solokünstler“, „Lieblings-Album“ und „Lieblingslied. „Das ist alles durch die Kunstfreiheit gedeckt“, heißen das Solo-Album Danger Dan und die gleichnamige Single.
Hip-Hop/Rap und Trap
Der deutschsprachige Hip-Hop/Rap hat seit Mitte der 2010er Jahre den größten kommerziellen Entwicklungssprung gemacht. Das Genre hat seine Umsatzanteile in Deutschland von 3,6 Prozent im Jahr 2014 auf 8,6 Prozent im Jahr 2015 gesteigert und legte seitdem noch einmal um weitere 10 Prozent zu (vgl. Abbildung 1). Zum zweiten Mal liegt der Umsatzanteil des Hip-Hop damit vor denen des Rock. Grund dafür ist, dass sich vor allem im deutschsprachigen Bereich des Genre Hip-Hop/Rap im letzten Jahrzehnt eine große stilistische Vielfalt entwickelt hat. Den poppigen Old School-Rap prägen jetzt neben Soul und Funk auch moderne Dancehall-Elemente. Auch der ursprünglich harte Straßen-Rap ist musikalisch facettenreicher geworden und schafft mit zahlreichen Kollaborationen immer wieder den Sprung in die Popcharts. Der neue Trap-Sound ist die softe und gefühlvolle Variante des Straßen-Rap, und inzwischen erobern sich auch selbstbewusste Rapperinnen ihren Platz in der Hip-Hop-Szene und den Charts.
Der Hamburger Rapper Jan Delay hat sich mit seiner Gruppe „Disco Nr. 1“ den musikalischen Wurzeln des Rap, Reggae, Funk und Soul zugewandt und begeistert die Fans mit einem modernen Hip-Hop-geprägten Big-Band-Sound. Für das Album „Advanced Chemistry“, eine Neuauflage mit seiner alten Rap-Band „Beginner“ bekamen die Musiker 2017 den „Preis für Popkultur“ in der Kategorie „Lieblingsalbum“. Im Crossover zwischen Rap und Dancehall-Sound hat sich auch die Berliner Band Seeed mit Hits wie „Ding“ (2006) und „Augenbling“ (2012) einen Namen gemacht. 2008 veröffentlichte der Seeed-Sänger Peter Fox sein Solo-Album „Stadtaffe“, das mit der Hitsingle „Haus am See“ und über 1,3 Millionen verkauften Tonträgern zu einem der meistverkauften deutschen Pop-Produktionen wurde. Im Bereich zwischen Hip-Hop und Elektro-Punk setzte die Hamburger Formation Deichkind ganz eigene Akzente; „Bück Dich Hoch“ und „Leider geil (leider geil)“ (2012) sind ihre bekanntesten Hits.
Unter dem Namen Marsimoto spielt auch der Rostocker Rapper Marteria mit elektronischen Verfremdungs-Effekten. Seinen kommerziellen Durchbruch feierte er 2010 mit seinem Debüt-Album „Zum Glück in die Zukunft“. Die Single „Lila Wolken“, zusammen mit Yasha und Miss Platinum, wurde 2012 zum Nummer-1-Hit und verkaufte sich über 500.000 Mal. Der Stil von Marteria ist ein humorvoller Straßen-Rap mit einem Händchen für eingängige Pop-Refrains. 2017 wurde er beim „Preis für Popkultur“ in der Kategorie „Lieblingskünstler“ ausgezeichnet. Im gleichen Jahr bekam dort der Münsteraner Emo-Core-Rapper Casper, zusammen mit Blixa Bargeld, Sizarr und Dagobert, die Auszeichnung in den Kategorien „Lieblingslied“ und „Lieblingsvideo“ zugesprochen. Die Hip-Hop-Songs von Casper, der zuerst 2010 mit seinem Album „XOXO“ größere Beachtung fand, überzeugen mit einer poetisch zwingenden Intensität und Emotionalität, seine heisere kratzige Stimme ist ein unüberhörbares Markenzeichen.
Mit dem „Preis für Popkultur“ wurden auch die Rapper Trettmann (2018) und Dendemann (2019) ausgezeichnet. Trettmann aus Chemnitz kommt ursprünglich vom Reggae- und Dancehall-Sound und wandte sich auf seinem Album „#DIY“ (2017), zusammen mit den Produzententeam Kitschkrieg, erfolgreich dem Trap- und Cloud-Trap Sound zu. Der schon seit Mitte der 90er Jahre aktive Hamburger Rapper Dendemann bekam als Bandleader von Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“-Studioband 2015 eine größere Popularität. Vier Jahre später erreichte sein Album „Da Nich Für!“ mit seinen wortspielreichen alltäglichen Geschichten Platz 1 der Charts. Mit poppigem Hipster-Rap und seiner Panda-Maske sorgte schließlich auch der Stuttgarter Musiker Cro 2011 für neue Hip-Hop-Klänge; sein ironisch-humorvoller Song „Easy“, mit einem Sample des Bobby-Hebb-Klassikers „Sunny“ wurde zum Überraschungshit. Auf seinem Debüt-Album „Raop“ überzeugt Cro mit einem eingängigen Mix aus Rap und Pop. Mit drei Nummer-1-Alben und insgesamt sechs Top-10-Hits, wie „Du“ (2012) und „Einmal um die Welt“ (2012), hat Cro inzwischen mehr als 4,6 Millionen Tonträger verkauft.
Schon Anfang der 2000er Jahre begründete der Berliner Rapper Sido zusammen mit Bushido und Fler das sogenannte Genre des deutschsprachigen Gangster-, bzw. Straßen-Rap. Er sorgte mit provokanten Texten und krassen Statements für viel öffentliche Diskussion, traf aber auch den Nerv und das Lebensgefühl vieler Großstadtjugendlicher aus sozialen Brennpunkten. Anfang 2010 öffnete sich Sido, stellvertretend für zahlreiche Straßen-Rap-Künstler, in Richtung Pop mit Rap-Versen, die eher nachdenklich, hoffnungsvoll und zukunftsorientiert sind, eine Art „Concious-Rap“. Mit Hits wie „Bilder im Kopf“ (2012) und Kooperationen wie „Der Himmel Soll Warten“ (2010, mit Adel Tawil), „Au Revoir“ (2014, mit Mark Forster), oder „Astronaut“ (2015, mit Andreas Bourani) wurde der Rapper zum Dauergast in den deutschen Charts. Mit insgesamt über 5,8 Millionen verkauften Tonträgern ist Sido heute einer der erfolgreichsten Künstler der deutschen Musikszene.
Zu Beginn der 2010er Jahre wurde das Genre des deutschsprachigen Straßen-Raps durch viele neue Interpreten belebt, die mit ihren meist multikulturellen Biografien und ihren Songs auf starke Resonanz stießen. Zu ihnen zählt der Frankfurter Rapper Azad, einer der Wegbereiter des so genannten Gangster- bzw. Battle-Raps. Mit der Nummer-1-Single „Prison Break Anthem“ (feat. Adel Tawil) feierte er 2007 seinen größten Erfolg. Auch der Berliner Battle-Rap-Musiker Kool Savas gehört zu den etablierten Stars der Szene. Im Battle-Rap geht es darum, einen fiktiven Gegner in sogenannten „Wort-Battles“ mit kreativen Reimen auf der Bühne spielerisch anzugreifen und zu beleidigen („dissen“). Kool Savas hat mit seinen Songs bisher insgesamt über 1,1 Millionen Tonträger verkauft. Neben seinen Solo-Alben „Aura“ (2011), „Märtyrer“ (2014) und „KSK“ zählen dazu auch Kooperationen mit Xavier Naidoo alias Xavas, Sido und Rea Garvey („Is It Love?“).
Der Gangster-Rapper Kollegah drehte seinen Battle-Rap-Stil 2014 noch weiter und orientierte sich, ähnlich wie der Rapper Haftbefehl, an dem „Pimp“-(Zuhälter)-Rap US-amerikanischer Vorbilder. Ein stilistisches Merkmal Kollegahs sind seine Doubletime-Wortkaskaden, inhaltlich setzt er dabei kalkuliert auf Provokation und Tabubrüche. Seine Texte werden oft als gewaltverherrlichend, frauenverachtend, sexistisch und homophob kritisiert. Die Alben „King“ (2014) und „Zuhältertape, Vol.4“ (2015) erreichten trotzdem Platz 1 der Charts. Als Kollegah 2018 zusammen mit dem Rapper Farid Bang für das Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ mit dem Echo ausgezeichnet wurde, löste das wegen einer antisemitischen Textpassage einen handfesten Skandal aus. Der Echo-Beirat verteidigte die Nominierung des Albums mit der Freiheit der Kunst und dem Hinweis, dass die Provokation ein Stilmittel des Battle-Raps und das Album nicht von der Bundesprüfstelle indiziert worden sei. Viele Musiker sahen dies jedoch anders, und in der Folge setzte eine starke gesellschaftliche Debatte über die Inhalte des deutschen Straßen-Raps, seine Aussagen und Werte ein.
Der kommerzielle Durchbruch des Straßen-Rappers Kontra K gelang 2015 mit dem Album „Aus dem Schatten ans Licht“. Sein zuvor hartes Gangster Image hatte sich gewandelt. Der Rapper erzählt jetzt von eigenen Erfahrungen und davon, wie man persönlich weiterkommen kann. Mit fünf Nummer-1-Alben seit 2016 und Hit-Singles wie „Zwischen Himmel und Hölle“ oder „Fame“ (feat. RAF Camora) hat sich Kontra K mit über 3,1 Millionen Tonträger als feste Große des Straßen-Rap etabliert.
Während die Old School-Straßen-Rapper ihre Geschichten und Battles meist über harte Beats und geraden Grooves präsentieren, hat der in Berlin lebende österreichische Rapper RAF Camora seinen Sound mit Dancehall-Beats tanzbar und party-tauglich gemacht. In seinen Songs geht es um die typischen Gangster-Rap-Klischees wie Geld, dicke Autos („Maserati“), Waffen, Frauen, Drogen und Gang-Auseinandersetzungen („Puta Madre“). Die Single „Ohne mein Team“ (2016) ist mit über einer Million verkauften Einheiten eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Singles. Mit insgesamt mehr als 8,1 Millionen verkauften Tonträgern ist RAF Camora einer der umsatzstärksten Künstler des Straßen-Raps.
Seit Mitte der 2010er Jahre wird die Szene des Straßen-Raps auch stark von der Stilrichtung Trap geprägt. Trap-Rap-Künstler arbeiten mit langsamen, fließenden Beats, und die Stimme der Rapper und Sänger wird mit Autotune-Effekten verfremdet. Die bekanntesten deutschsprachigen Protagonisten sind Capital Bra, RIN und Bausa. Der Berliner Rapper Capital Bra hat ukrainisch-russische Wurzeln und ist nach RAF Camora mit über 7,4 Millionen verkauften Tonträger einer der erfolgreichsten Künstler der aktuellen Straßenrap-Szene. Mit seinen meist poppig-chilligen Hits wurde er zum Interpreten mit den meisten Nummer-1-Platzierungen in Deutschland und Österreich. Aus dem schwäbischen Ort Bietigheim-Bissingen stammt der Rapper RIN. Er veröffentlichte mit seinen soften Trap-Sounds 2017 sein erstes Solo-Album „Eros“ mit dem Hit-Titel „Monica Bellucci“. Der Song „Keine Liebe“ ist 2019 eine Zusammenarbeit mit dem Rapper Bausa, der wie RIN auch aus Bietigheim-Bissingen stammt und 2017 sein erfolgreiches Solo-Debüt hatte. Die Single „Was du Liebe nennst“ hielt sich ab Oktober 2017 insgesamt neun Wochen auf Platz 1 der Charts und wurde mit über 1,5 Millionen verkauften Einheiten die erste deutschsprachige Rap-Single, die vom Bundesverband Musikindustrie mit einem Diamond-Award ausgezeichnet wurde. 2019 etablierte sich auch der Ludwigshafener Rapper und Sänger Apache 207 für neue Klänge in der deutschsprachigen Hip-Hop-Community. Sein Straßen-Rap ist eine poppige Kombination aus soften Trap-Sounds, Dancehall-, House- und Eurobeat-Elementen. Die Single „Roller“ wird 2019 zum ersten Nummer-1-Hit des türkisch-stämmigen Rappers, und sie bekam für eine Million verkaufte Einheiten ebenfalls einen Diamond-Award.
In der zunächst männlich dominierten Rap- und Hip-Hop-Szene haben sich immer mehr Frauen selbstbewusst ihren Platz erobert. Die Musikerin Juju begann ihre Karriere 2014 im Umfeld des Berliner Labels Aggro Berlin, wo sie gemeinsam mit der Rapperin Nura das Hip-Hop-Duo SXTN gründete. Sie antizipieren die sexistische Sprache ihrer männlichen Kollegen und singen ihrerseits provokant und derb über Themen wie Sex, Prostitution, Mobbing, Rassismus, Drogen und die Schere zwischen Arm und Reich. Einer ihrer erfolgreichsten Titel ist 2018 der Song „Bongzimmer“ der auf YouTube bisher knapp 20 Millionen Klicks generiert hat. Im gleichen Jahr landete Juju mit ihrer Solo-Single „Melodien“ (feat. Capital Bra) einen Nummer-1-Hit, auch „Vermissen“, ein Duett mit dem AnnenMayKantereit-Sänger Henning May erreichte die Spitze der Charts und bekam als Video im Netz bislang über 70 Millionen Klicks. Erfolgreich hat sich auch die in der Schweiz lebende Rapperin Loredana in der Szene etabliert. Sie wurde mit Modefotos auf Instagram bekannt, gründete danach einen eigenen YouTube-Channel und präsentierte dort ihren trappigen Rap-Style. Die Debüt-Single „Sonnenbrille“ erreichte innerhalb von nur zwei Wochen im Internet 13 Millionen Klicks und 200.000 Likes auf YouTube – ein Beleg wie stark die Social-Media-Kanäle heute den Erfolg eines Künstlers, einer Künstlerin visuell unterstützen. Auch Shirin David startete ihre Karriere zunächst als erfolgreiche Youtuberin. Ihr 2014 eröffneter Kanal als sogenannte Influencerin erreicht inzwischen über 2,8 Millionen Abonnenten. 2019 startete sie mit dem Album „Supersize“ ihre Hip-Hop-Karriere. Shirin David rappt ambitioniert im Trap-Style über sich als Selfmade-Frau, ihren Körper, ihre extravagante Mode-Styles, Geld und Respekt. Das Album „Supersize“ (2019) ist das erste Nummer-1-Album einer Rap-Künstlerin in den deutschen Charts. Die Musikerin, die auch schon zwei eigene Parfüm-Marken herausbrachte, wird gelegentlich wegen ihres zu sehr auf das Äußerliche fixierten Feminismus kritisiert. Den Respekt in der Straßen-Rap-Szene hat sich Shirin David mit geschätzt über 500.000 verkauften Tonträgern und allein über 58 Millionen Klicks für die Debüt-Single „Gib ihm“ aber längst erspielt.
Fazit
Nicht nur im Genre Hip-Hop/Rap, auch in den Bereichen Pop, Rock/Liedermacher hat die deutsche Sprache in der Musikszene der letzten eineinhalb Jahrzehnte als Sprachrohr unterschiedlicher Generationen und unterschiedlicher sozialer Milieus an neuer Relevanz gewonnen. Diese Entwicklung wurde einerseits durch die Künstler*innen und Bands angestoßen, die für ihre Songgeschichten und Lieder bewusst die deutsche Sprache wegen der besseren Verständlichkeit ihrer Texte und der dadurch größeren Nähe zu ihren Fans gewählt haben. Andererseits gibt es auch neue TV- und Radio-Sendungen sowie Internet-Formate, die das Interesse des Publikums an deutschsprachiger Popmusik, an Singer-Songwritern, Rock, Schlager, oder Hip-Hop aufgegriffen und verstärkt haben. Dass es bei der Vielfalt an Stilrichtungen und der sozialen Milieus von Musikern wie Fans zu inhaltlichen Diskussionen kommt – siehe Rechtsrock oder Gangsta-Rap – gehört für eine gelebte popkulturelle gesellschaftliche Debatte dazu. Neben sprachlichen Grenzüberschreitungen und Provokationen haben z. B. viele Straßenrapper durch ihre musikalischen Kooperationen mit Künstlern anderer Genres ihre Pop-Tauglichkeit unter Beweis gestellt. Der Crossover-Gedanke und der musikalische Respekt sind dabei das Motto, mit dem viele Künstler*innen aus dem Pop, Rock, und Hip-Hop/Rap-Bereich in gemeinsamen Duetten einen kreativen musikalischen Dialog gesucht haben. Auch dies ist auch einer der Gründe, weshalb die deutsche Sprache in der Popszene an Bedeutung gewonnen hat. Gleichzeitig ist sie dadurch ein Ausdruck einer gewachsenen gemeinsamen Identität geworden.
Fußnoten
Vgl. die Statistik „Gesamtumsatz aus Verkäufen physischern Tonträger und digitaler Musik“, basierend auf Daten des Bundesverbands Musikindustrie (Zugriff: 6. Dezember 2021).
Vgl. Christiane Breuning [u. a.]: Ergebnisse der ARD/ZDF Langzeitstudie „Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich“, in Media Perspektiven“ 7-8-2020, S. 410-432, dort S 416. Online unter: https://www.ard-werbung.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2020/070820_Breunig_Handel_Kessler.pdf (Zugriff: 9. November 2021).
Vgl. JIM-Studie 2020. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger, hrsg. v. Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest. Online unter https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2020/JIM-Studie-2020_Web_final.pdf (Zugriff: 6. Dezember 2021).
Online unter https://www.facebook.com/songwettbewerb.panikpreis/videos/452838409085318 (Zugriff: 09. November 2021).