Eine Meisterklasse im Fach Violine an der Hochschule für Musik und Theater Rostock: Geigenlehrerin mit Schülerin.
Eine Meisterklasse im Fach Violine an der Hochschule für Musik und Theater Rostock  
Foto:  Thomas Häntzschel / nordlicht  /  Hochschule für Musik und Theater Rostock

Wer die Musik zum Beruf machen möchte, findet in Deutschland zahlreiche Möglichkeiten. Hochschulen, Universitäten und spezielle Institute sorgen für künstlerischen und pädagogischen Nachwuchs.

So vielfältig wie die Erscheinungen von Musik sind, so differenziert ist auch die Bandbreite von Berufen, die unmittelbar oder mittelbar mit ihr in Zusammenhang stehen. Neben der Musikpraxis bildete seit der griechischen Antike die theoretische bzw. wissenschaftliche Reflexion über die Musik ein wesentliches Element der europäischen Musikkultur. Im erweiterten Kontext hierzu standen zudem all jene Personen, welche die Voraussetzungen für die unterschiedlichen Berufe und ihre Praxis schufen: zum einen im materiellen Sinn, z. B. durch den Bau von Musikinstrumenten, zum anderen im forschenden oder pädagogisch-vermittelnden Sinn, etwa im Hinblick auf spezifische Spiel- oder Musiziertechniken. Ausgehend von komplexen Tätigkeiten, die zunächst von einer Person ausgeführt wurden, beispielsweise in der Personalunion von Komponist, Organisator und Interpret, ist im historischen Verlauf eine zunehmende Vielfalt, Differenzierung und Spezialisierung professioneller Musikausübung zu erkennen. Dabei entfalten sich die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten sowie die Veränderungen des Verhältnisses von Musik und der mit ihr (professionell) befassten Menschen gleichermaßen als Musik- wie als Sozialgeschichte. [1]

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Junger Solo-Cellist vor Orchester schaut zum Dirigenten.
Unterstützung beim Einstieg in die Karriere durch den Deutschen Musikwettbewerb  
Foto:  Sonja Werner Fotografie

Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Ausbildung für zahlreiche Musikberufe ist seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachten. Sie gründet sich auf die tiefgreifenden Veränderungen, welche die Musik im Rahmen der ökonomischen und gesellschaftlichen Globalisierung inzwischen erfährt. Besonders relevant sind in diesem Zusammenhang die demografischen und soziologischen Entwicklungen sowie der damit einhergehende Wandel der Musikpraxis in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten, der sich aus dem musikalischen Rezeptions- und Konsumverhalten ableitet. Auch Digitalisierung und Medialisierung wirken sich massiv auf den Bereich musikalischer Vermittlung aus; dies betrifft alle Felder der musikalischen Produktion und Distribution. Einflussfaktoren sind ebenso globale Veränderungen wie auch die damit verbundenen wirtschaftlichen Prozesse.

Musikberufe sind entsprechend von fünf Faktoren abhängig, nämlich von gesellschaftlichen Entwicklungen, vom technologischen Fortschritt, von künstlerischen Innovationen, von ökonomischen Bedingungen und vom Stand der jeweiligen sozialen Wertschätzung von Musik. Zugleich ist davon auszugehen, dass die Wirksamkeit einer Vielzahl von Musikberufen; wiederum die musikkulturelle Entwicklung mitbestimmt. Musikberufe haben deswegen nur dann eine Zukunft, wenn auch eine musikalische Bildung, insbesondere für Kinder und Jugendliche, durchgängig und qualifiziert gewährleistet ist. Damit kommt den pädagogisch-vermittelnden Musikberufen, sowohl im schulischen wie im außerschulischen Bereich, eine zunehmende Bedeutung zu. Darauf hat der Deutsche Musikrat bereits 2007 und 2009 in seinen beiden „Rheinsberger Erklärungen zur Zukunft der Musikberufe“ hingewiesen.

„Vielseitigkeit der Ausbildung, Sprach- und Vermittlungskompetenz, Leistungsbereitschaft und Flexibilität entscheiden mehr denn je über die individuellen Berufschancen.“
Autor
Hans Bäßler, Ortwin Nimczik

Überblick

Die Ausbildung für Musikberufe wird in Deutschland von entsprechend spezialisierten Institutionen getragen. Zu ihnen zählen Musikhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Universitäten, Fachhochschulen, Kirchenmusikhoch- und Kirchenmusikschulen, Konservatorien, Musikakademien und Berufsfachschulen (nur in Bayern), öffentliche oder private Spezialinstitute z. B. für populäre Musik oder Bühnenberufe sowie Spezialausbildungsstätten für den Musikinstrumentenbau.

Dem einerseits sehr spezifischen Zuschnitt von Ausbildungsgängen für Musikberufe stehen andererseits Überschneidungen von Studienangeboten an den verschiedenen Hochschularten gegenüber, deren Unterschiede u. a. aus historischen, regionalen oder konzeptionellen Traditionen resultieren. Sie berühren implizit aber auch Aspekte wie Renommee, Wertigkeit und Qualitätsanspruch. So werden Musiklehrkräfte für allgemein bildende Schulen an Musikhochschulen und Universitäten, regional auch an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet; angehende Kirchenmusiker*innen können zwischen Ausbildungsangeboten an Musikhochschulen oder Kirchenmusikhochschulen wählen, und Studiengänge für Instrumental- und Vokalpädagog*innen bieten neben den Musikhochschulen auch Musikakademien, Konservatorien sowie einige Universitäten an. Ein Spezifikum stellen die bayerischen Berufsfachschulen für Musik dar; sie verstehen sich als erste Stufe einer beruflichen Ausbildung. Die Dauer der Ausbildung beträgt hier zwei Jahre und endet mit einem staatlichen Abschluss für Ensemble- oder Chorleitung (bzw. mit einem analogen Abschluss in der Popularmusik).

Insgesamt 34.000 Studierende (ohne Konservatorien und Musikakademien) waren im Wintersemester 2016/17 in Studiengängen für Musikberufe an deutschen Hochschulen eingeschrieben, über 55 Prozent davon an den Musikhochschulen. Die Studierenden verteilten sich zu 40 Prozent auf die musikalisch-künstlerischen und zu gut einem Drittel auf die musikpädagogischen Studiengänge, für Musikwissenschaft waren 22 Prozent der Studierenden eingeschrieben (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Studierende in Studiengängen für Musikberufe (WS 2016/17)
Abbildung: Studierende im Wintersemester 2016/17
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Vor dem Hintergrund internationaler Anforderungen an die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen im Rahmen des sogenannten Bologna-Prozesses seit 1999 und der damit verbundenen Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen sind die musikbezogenen Studienbereiche der Hochschulen fundamentalumstrukturiert worden. Auch die Dauer der Ausbildungen hat sich in diesem Zusammenhang unterschiedlich ausdifferenziert. Für künstlerische Studien hat die Kultusministerkonferenz einen Umfang von vier Jahren für den Bachelor (B. A.) und ggf. zusätzlich zwei Jahren für den Master (M. A.) festgelegt. Ansonsten sind für die Hochschulausbildung mindestens drei Jahre im Bachelor sowie ggf. zusätzlich ein bis zwei Jahre im Master vorgesehen. [2] Der Bologna-Prozess hat zu Profilbildungen an den Hochschulen und zur Etablierung neuer Studiengänge geführt, die heute vielfache Möglichkeiten der individuellen Profilierung für die Studierenden und neue Möglichkeiten der Kombination von Studienangeboten schaffen.

Ausbildung für künstlerisch ausübende Berufe

Die künstlerische Ausbildung bezieht sich im engeren Sinn zunächst auf die praktische Musikertätigkeit im instrumentalen oder vokalen Bereich, in der Leitung von Orchestern, Chören und Ensembles sowie als Musikurheber*in (Komposition, Arrangement o. ä.). Entsprechend hat diese Form der Ausbildung traditionell ihren Schwerpunkt in dem speziellen (Haupt-)Fach bzw. (Haupt-)Instrument, also z. B. als Klavier-, Violoncello-, Horn-, Chorleitungs- oder Kompositionsstudium. Differenzierungen in diesem Feld, die sich vor allem über das zu studierende Repertoire konkretisieren, erfolgen im Blick auf die potenziellen beruflichen Tätigkeitsbereiche und/oder eine individuelle Genrespezialisierung, z. B. im solistischen Bereich oder im Orchester, im Opern-, Lied- oder Oratoriumsbereich, im Big-Band-, Ensemble- oder Kammermusikbereich, auf dem Gebiet der Alten und der zeitgenössischen Musik, der populären Musik, der Filmmusik, der elektronischen Musik oder im Jazz.

Zentrale Orte der künstlerischen Ausbildung in Deutschland sind die Musikhoch-schulen, deren Geschichte teilweise weit zurückreicht und auf die Gründung von Konservatorien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Organisatorisch firmieren sie entweder als eigenständige musikbezogene Einrichtungen oder als Teil einer mehrere Kunstsparten umfassenden Institution; mit der Folkwang Universität Essen und der Universität der Künste in Berlin (UdK) besitzen zwei von ihnen inzwischen sogar universitären Status. Oft kombinieren die Hochschulen ihr Angebot mit einer Theater- oder Tanzausbildung, so in Hamburg, Rostock, Köln, München, Leipzig, Frankfurt, Stuttgart und Rostock. Umgekehrt bieten sie partiell auch nicht-künstlerisch orientierte Studiengänge an, etwa Medienmanagement sowie Medien und Musik (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover) oder Kultur- und Medienmanagement (Hochschule für Musik und Theater Hamburg). Die Musikhochschulen verteilen sich in unterschiedlicher Dichte und Streuung auf die einzelnen Bundesländer: Baden-Württemberg verfügt über fünf Einrichtungen, [3] Bayern und Nordrhein-Westfalen über jeweils vier, Berlin und Sachsen über jeweils zwei. In den meisten anderen Bundesländern gibt es je eine Musikhochschule.

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Außenansicht des gelben Gebäudes der Folkwang Universität
Folkwang Universität der Künste  
Foto:  Heike Kandalowski

Derzeit 24 Musikhochschulen sind rechtlich-organisatorisch in der „Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz“ (RKM) zusammengeschlossen. Als staatliche Kunsthochschulen sind ihre Ziele und Aufgaben

  • die Lehre künstlerischer und künstlerisch-pädagogischer Kenntnisse und Fertigkeiten,
  • die Entwicklung und Vermittlung musikwissenschaftlichen und musiktheoretischen Wissens,
  • Forschungsinitiativen in wissenschaftlichen Disziplinen und in künstlerischen Entwicklungsvorhaben,
  • die Begleitung der Studierenden beim Erwerb künstlerischer Praxis.

Diese Ziele nimmt die RKM u.a. durch drei Wettbewerbe wahr, welche die künstlerische Praxis (Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb, seit 1963 in Kooperation mit der RKM), erzieherisch-vermittelnde Kompetenz (Hochschulwettbewerb Musikpädagogik, seit 1952) wie auch innovative Veranstaltungsformate („D-bü“-Wettbewerb, erstmals 2017) betreffen.

Abbildung 2
Ausbildungsstätten für künstlerische Studien
Abbildung: Karte der Ausbildungsstätten
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Neben den Studienmöglichkeiten an eigenständigen Musikhochschulen kann eine künstlerische Ausbildung auch an den Studienorten Mainz (Musikhochschule Mainz als Bestandteil der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) und Münster (Musikhochschule Münster als Bestandteil der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster) sowie an verschiedenen Konservatorien bzw. Musikakademien (in der Regel in Kooperation mit einer Musikhochschule) absolviert werden. Für spezielle Fächer wie Gesang oder populäre Musik gibt es auch an einigen privaten Ausbildungsstätten Studienmöglichkeiten. Als Beispiel mag die Popakademie Baden-Württemberg dienen. Als Einrichtung des Landes Baden-Württemberg ist sie in Kooperation mit der Stadt Mannheim und Medienpartnern Hochschule und Kompetenzzentrum für die Musikwirtschaft und -szene in einem.

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Dozent und Studentin am Notenpult beim Chordirigierunterricht an der HMT Leipzig
Chordirigierunterricht an der HMT Leipzig  
Foto:  Gert Mothes  /  HMT Leipzig

Voraussetzung für die Aufnahme eines künstlerischen Studiums ist der Nachweis der besonderen künstlerisch-musikalischen Eignung, die in einem umfangreichen, auf den jeweiligen Studiengang zugeschnittenen Verfahren beurteilt wird. Die äußerst zahlreiche Konkurrenz um die Studienplätze für die künstlerische Ausbildung ist international zusammengesetzt, und immer wieder neu wird die Frage diskutiert, ob man die Zahl der ausländischen Studierenden kontingentieren sollte. Der Anteil ausländischer Studierender im Studiengang Instrumental- und Orchestermusik lag im Wintersemester 2016/17 bei 60 Prozent, in den Studiengängen Komposition und Dirigieren bei 52 bzw. 51 Prozent der Studierenden (vgl. Abbildung 3). Die Begabtenauslese begründet sich aus zahlreichen Aspekten. Im Vordergrund stehen hier die äußerst hohen Anforderungen, welche die spätere auf künstlerische Exzellenz ausgerichtete Berufspraxis erfordert. Zugleich aber ist zu fragen, ob und inwieweit diese Studierenden später eine Berufsperspektive – ausgehend von dem jeweiligen Studiengang – haben werden.

Abbildung 3
Studierende in Studiengängen für Musikberufe nach Frauen und Ausländer*innen (WS 2016/17)
Tabelle: Frauen, Männer und Studierende mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Studiengängen für Musikberufe
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Eine weitere Diskrepanz zwischen Ausbildungs- und Berufssituation ergibt sich zumindest in einigen Fächern auch aus den Anteilen weiblicher Studierender, etwa in der Studienrichtung Dirigieren. Waren hier im Wintersemester 2016/17 42 Prozent Frauen eingeschrieben, sind weibliche Führungskräfte insbesondere im Orchesterbereich nach wie vor deutlich unterrepräsentiert (vgl. auch den Beitrag „Orchester, Rundfunkensembles und Opernchöre“ von Gerald Mertens).

Die Ausbildungsinhalte sind einerseits spezialisiert auf die künstlerische Berufspraxis (z. B. gewähltes Instrument oder Stimme, Komposition, Dirigieren), andererseits verbunden mit nebengeordneten Studienfeldern wie Musiktheorie oder Musikwissenschaft. Nach der Überführung der künstlerischen Studiengänge in die Bachelor/Master-Struktur finden sich die bisherigen Aufbau- oder Zusatzstudiengänge als Spezialisierung weitgehend im Master-Bereich wieder. An Bedeutung haben in den letzten Jahren auch Spezialisierungen in den Bereichen Konzertpädagogik, Musikvermittlung oder Musikmanagement gewonnen.

Eine spezifische Verknüpfung von künstlerischer mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung bieten die Tonmeisterstudiengänge, die an den Studienstandorten Berlin und Detmold belegt werden können, sowie der Studiengang Ton- bzw. Bildingenieur, der in Kooperation zwischen Fachhochschule und Musikhochschule in Düsseldorf angesiedelt ist. An der Musikhochschule Trossingen können sich Interessierte für den Studiengang Musikdesign bewerben. Daneben bieten auch andere öffentliche wie eine Reihe privater Einrichtungen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich an. Auch die kirchenmusikalischen Studiengänge sind durch die Verbindung künstlerischer Fächer mit anderen Studienanteilen geprägt, darunter insbesondere theologisch-wissenschaftliche und zunehmend auch pädagogisch-vermittelnde Studien (vgl. dazu auch den Beitrag „Musik in der Kirche“ von Meinrad Walter). Eine zusätzliche Ausbildungsaufgabe nehmen die an diversen Opernhäusern angegliederten Opernstudios wahr, in denen eine verstärkte Praxisorientierung angestrebt wird. Neun Häuser kooperieren mit Musikhochschulen. Je nachdem, ob eine Zusammenarbeit mit einer Musikhochschule besteht, finden die Ausbildungseinheiten entweder vollständig am Opernhaus statt oder werden zwischen Oper und Hochschule aufgeteilt. Die Zusammenarbeit wird meist begrüßt, obwohl die Koordination zwischen den beiden recht unterschiedlichen Institutionen nicht immer ohne Probleme verläuft, nicht zuletzt deshalb, weil eine Ausbildungseinrichtung andere Erwartungen und Ansprüche an Studierende hat als ein Opernbetrieb an seine Ensemblemitglieder. [4]

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Junge Frau mit Kopfhörern an einem Mischpult beim Studiengang „Ton und Bild“ an der RSH Düsseldorf
Studiengang „Ton und Bild“ an der RSH Düsseldorf  
Foto:  S. Diesner  /  Robert Schumann Hochschule

Das Fach Musiktherapie schließlich wird in der Regel als Masterstudiengang an derzeit sechs Hochschulen in Deutschland angeboten. Ziel dieser Ausbildung ist eine breite musikalisch-therapeutisch-wissenschaftliche Kompetenz, die sich in unterschiedlichen Berufsfeldern bewähren muss, so in der Arbeit mit gehandicapten, älteren oder traumatisierten Menschen.

Alle Ausbildungsinstitute haben die große Verantwortung, ihre Studierenden auf die in der Regel schwierige Berufsbiografie in künstlerischen Erwerbsfeldern möglichst optimal vorzubereiten. Dies lässt sich am besten bedarfsorientiert und praxisbezogen, als individuelles Austarieren von künstlerischer Exzellenz, Fähigkeit zur Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Eigeninitiative umreißen. Auch vor diesem Hintergrund hat die Frühförderung musikalisch Hochbegabter für die Musikhochschulen in Deutschland besonders im letzten Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen. Hierzu wurden an zahlreichen Hochschulen Institute mit speziellen pädagogischen Förderprogrammen etabliert. Dies ist zugleich der generellen Besonderheit künstlerischer Entwicklungsprozesse geschuldet, weil diese bis zum Eintritt in eine künstlerische Berufsausbildung (gerade in Instrumentalfächern wie Violine, Violoncello oder Klavier) einen intensiven, langjährigen und qualitativ hochwertigen Unterricht – z. T. bereits vor Beginn der Schulpflicht – voraussetzen.

Ausbildung für musikpädagogisch-vermittelnde Berufe

Musikpädagogische Tätigkeiten im Bereich der allgemeinbildenden Schule
Die Ausbildung und das Berufsprofil von Musiklehrer*innen für die allgemein bildenden Schulen haben ihre Wurzeln in der Entwicklungsgeschichte der kirchlichen bzw. städtischen Schultradition und des dort in unterschiedlichen Funktionalisierungen praktizierten Gesangunterrichts. Aufbauend auf den Reformen Leo Kestenbergs ab den 1920er Jahren etablierte sich das Unterrichtsfach Musik an den allgemeinbildenden Schulen. [5] Grundlage des Ausbildungskonzepts für angehende Musiklehrkräfte ist bis heute in einer ersten Phase (Hochschule) ein Drei-Säulen-Modell, das künstlerische bzw. musikpraktische, wissenschaftliche sowie pädagogische Komponenten integriert. Als zweite Phase schließt sich der Vorbereitungsdienst (Referendariat) an, in dem eine theoretisch fundierte Ausbildung bezogen auf die lehramtsspezifischen schulpraktischen Aufgaben erfolgt.

In der ersten Ausbildungsphase finden sich grundlegende Unterschiede hinsichtlich des jeweiligen Schulformbezugs. So orientiert sich die Ausbildung für das Gymnasium und weite Teile der in den verschiedenen Bundesländern ganz unterschiedlich benannten Schulformen der Sekundarstufe 1 – in der Regel die Klassenstufen fünf bis neun bzw. zehn umfassend – am Prinzip eines Studiums von zwei Unterrichtsfächern (wie z. B. Musik und Mathematik). Hinzu kommt ein bildungswissenschaftliches Studium, das vielfach durch Studienanteile der Psychologie ergänzt wird, sowie – als Reaktion auf die Herausforderungen, die die zunehmende sprachliche Vielfalt in den Schulen hervorruft – ein verpflichtendes oder im Wahlpflichtbereich angesiedeltes Studienfach „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ). In das Studium eingebunden sind umfängliche Praxisphasen und/oder ein Praxissemester, welche die Berufsorientierung befördern und das Studium mit den Ansprüchen der Schulpraxis verknüpfen. Zugleich führen derartige Bezüge bereits in der ersten Ausbildungsphase zu sinnvollen Kooperationen zwischen den Hochschulen, den Lehrerbildungszentren (Seminaren) und den Schulen.

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Lehramtsstudiengang Musik an der hmt Rostock: Junger Mann spielt Xylophon vor einer Gruppe von Schülern
Lehramtsstudiengang Musik an der hmt Rostock  
Foto:  Oliver Borchert  /  www.olbor.de

Als bundesweit formal regulierend und Vergleichbarkeit schaffend gelten die von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossenen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung, [6] die entsprechend dem föderalen Aufbau der Bildungslandschaft in durchaus signifikanter Unterschiedlichkeit in den Ausbildungsinstitutionen der einzelnen Bundesländer umgesetzt werden. Für den Bereich der Primarschulen – in der Regel die Klassenstufen eins bis vier, in einigen Bundesländern auch die Stufen fünf und sechs umfassend – und der Förderschulen [7] erfolgt das Studium weitgehend bezogen auf verpflichtende Studienbereiche bzw. Schwerpunkte (in der Regel Deutsch und Mathematik), wählbare Zusatzbereiche (Fächer oder Fächerverbünde, darunter auch Musik) und ein bildungswissenschaftliches Studium mit entsprechenden Ergänzungen (s. o.). Im Rahmen dieser Lehramtsstudiengänge kommen den Zusatzbereichen je nach Bundesland quantitativ ganz unterschiedliche Deputate zu, die im Zusammenhang mit Musik z. T. unterhalb eines sinnvollen und berufsqualifizierenden Studienanteils für das Grundschullehramt liegen.

Ausbildungsorte für Musiklehrer*innen an Gymnasien (partiell im Verbund mit dem Lehramt für Gesamtschulen) sind schwerpunktmäßig die Musikhochschulen. [8] Zudem bieten auch Universitäten dieses Studium an. Die Musiklehrerausbildung für die anderen Schulformen liegt weitestgehend bei Universitäten und Pädagogischen Hochschulen (vgl. Abbildung 4). In einigen Bundesländern zählt dieser Bereich auch zum Profil von Musikhochschulen.

Abbildung 4
Ausbildungsstätten für das Fach Musik im Lehramt
Abbildung: Karte der Ausbildungsstättenfür das Lehramt Musik
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An allen Ausbildungsinstitutionen ist das Bestehen einer Eignungsprüfung Voraussetzung für die Zulassung zum Musiklehrerstudium. Diese Prüfung hat sich in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer Qualität deutlich verbessert und weiterentwickelt. Sie fungiert nicht mehr als quasi subjektiver Gradmesser allein des künstlerischen  Potenzials, sondern als differenziertes Prognoseinstrument, um die Eignung für den Musiklehrerberuf festzustellen (z. B. durch den Einbezug von Kriterien wie Gesprächs- und Kommunikationsfähigkeit oder die Überprüfung von Grundfähigkeiten im schulbezogenen Musizieren sowie zur Anleitung von Ensembles).

Die inhaltliche und methodische Ausgestaltung der Lehramtsstudiengänge für das Unterrichtsfach Musik hat sich in den letzten Jahrzehnten im Blick auf die Berufswirklichkeit deutlich verändert. Dazu gehören sowohl der Einbezug relevanter Inhaltsfelder (z. B. populäre Musik, digitale Medien und apparative Praxis, Musikethnologie u. a.) als auch die Vermittlung und Reflexion eines breiten musikunterrichtlichen Handlungsrepertoires (z. B. im Feld kooperativer Lernmethoden, des Classroom-Managements, bei der Projektarbeit u. a.). Auch bezogen auf den Erwerb künstlerisch-musikalischer Kompetenz haben sich Verschiebungen ergeben. So wird im Studium inzwischen den Bereichen des schulpraktischen Klavier- und Instrumentalspiels, der Improvisation, der Ensemblearbeit, der chorischen und der Kinder-Stimmbildung größeres Gewicht zugemessen.

In der Summe erscheint es wesentlich, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, sich individuelle Profilbildungen innerhalb ihres Studiums zu erarbeiten. Diese liegen auch in der wissenschaftlichen Weiterqualifizierung in den Disziplinen Musikpädagogik und Musikwissenschaft (Promotion/Habilitation).

An vielen Studienorten konnten durch die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge Neuvermessungen der Musik-Lehramtsausbildung vorgenommen und unter dem Aspekt der Polyvalenz auch verstärkt Vernetzungen mit anderen Studiengängen erreicht werden. Wünschenswert in der nächsten Zeit wären fundierte Untersuchungen dieser Neustrukturierungen, um auf dieser Grundlage Korrekturen bzw. Optimierungen vollziehen zu können.

Die als Vorbereitungsdienst deklarierte zweite Phase der Lehrerausbildung dauert in der Regel 18 Monate. Sie ist rechtlich eigenständig und dient der schulpraktisch orientierten Weiterentwicklung der im Studium erworbenen Kompetenzen für das Berufsfeld der Lehrkräfte. Der Abschluss erfolgt in der Regel mit dem Staatsexamen. [9] Die am jeweils angestrebten Lehramt orientierte Ausbildung findet an Studienseminaren bzw. Zentren für Lehrerbildung sowie an Schulen statt. Sie wird von Ausbilder*innen mit spezifischer wissenschaftlicher und schulpraktischer Expertise verantwortet und durch besonders geeignete Lehrkräfte an den Ausbildungsschulen unterstützt. Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst verbindet theoretische Anleitungen, unterrichtliche Erprobungen und theoriegeleitete Reflexionen bezogen auf den Musikunterricht. Neben den seminaristischen Veranstaltungsformen kommt dabei der Hospitation, dem begleiteten und dem selbstständigen Unterricht besondere Bedeutung zu. Obwohl das rahmengebende KMK-Papier explizit davor warnt, ist der Umfang des selbstständigen Unterrichts in vielen Bundesländern (bereits von Beginn der Ausbildungszeit an) sehr hoch gesetzt worden. Daher ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass der Ausbildungscharakter des Vorbereitungsdiensts kurzsichtig zugunsten einer Kaschierung des tatsächlich notwendigen Lehrerbedarfs demontiert wird.

Die in einigen Bundesländern in Bezug auf das Gymnasium angebotene Form der Ausbildung zur sogenannten Doppelfach-Lehrkraft bzw. Lehrkraft mit dem „Erweiterten Unterrichtsfach Musik“ stellt eine Sonderform innerhalb der Musiklehrerausbildung dar. [10] Absolventen dieser Ausbildungsform erwerben einerseits ein spezifisches musikalisches Profil, mit dem sie im Unterricht wie im Schulleben ihres Schulbereichs Schwerpunkte setzen können, z. B. im Bereich Klassenmusizieren, in der Chor-, Band- oder Orchesterarbeit. Andererseits erscheinen derartig profilierte Fachkräfte für die einstellenden Behörden und Schulleitungen wegen eines fehlenden zweiten (ggf. auch dritten) Unterrichtsfachs im Schulbetrieb oftmals weniger flexibel einsetzbar.

Eine hinreichende Versorgung aller Formen der allgemein bildenden Schulen mit qualifizierten Musiklehrkräften ist in der Gegenwart nicht gegeben und aktuell ebenfalls für die Zukunft, im Horizont der gesellschaftlichen Veränderungen, der Altersstruktur der Musiklehrkräfte sowie der steigenden Schülerzahlen, nicht gesichert. Das Problem des Fachlehrermangels für das Unterrichtsfach Musik ist (besonders im Blick auf die Grundschulen) eingebunden in den allgemeinen Lehrermangel. Die von den Landesministerien forcierten Einstellungen von Quer- und Seiteneinsteigern lösen die grundlegende Problematik nicht und führen schleichend sogar unweigerlich zu einer Entprofessionalisierung des Musiklehrerberufs (vgl. auch den Beitrag „Musik in der allgemeinbildenden Schule“ von Ortwin Nimczik). Aus diesem Blickwinkel können die Berufsaussichten für umfassend qualifizierte Musiklehrkräfte an allgemein bildenden Schulen als gut bezeichnet werden.

Instrumental- und vokalpädagogische Tätigkeiten im außerschulischen Bereich
Die Ausbildung von Instrumental- und Gesangspädagogen (IGP) für den Unterricht außerhalb des allgemeinbildenden Schulsystems, insbesondere für den Unterricht an Musikschulen und in freiberuflicher Tätigkeit (ggf. auch in Kooperationsformen), findet an Musikhochschulen sowie an Musikakademien bzw. Konservatorien, in Einzelfällen auch an Universitäten statt.[11] Voraussetzung für den Studieneinstieg ist auch hier das Bestehen einer Eignungsprüfung, die sich neben den Bereichen der Musiktheorie und Gehörbildung bisher weitgehend auf die Überprüfung der musikalisch-künstlerischen Kompetenz beim Vorspiel des gewählten Hauptfachs kapriziert. Bei der Zusammenstellung der wählbaren Unterrichtsfächer (im Hinblick auf die unterrichtliche Kernkompetenz) unterscheiden sich die Ausbildungsinstitute kaum: Verpflichtend sind in der Regel ein Hauptfachinstrument oder Gesang, ein Nebenfachinstrument, die Studienfelder Tonsatz/Gehörbildung, Musikwissenschaft sowie der Professionalisierungsbereich (Instrumental- bzw. Vokaldidaktik, Methodik, Musikpsychologie, Berufskunde, Praktika mit Lehrproben o. ä.).

Der Breite, welche die Rahmenlehrpläne der einzelnen Unterrichtsfächer sowie der „Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/Grundstufe“[12] in den öffentlichen Musikschulen fordern, korrespondiert die Ausbildung der Instrumental- und Gesangspädagog*innen: Neben der souveränen künstlerischen Beherrschung der Stimme oder des Instruments werden pädagogische, fachwissenschaftliche und methodische Fähigkeiten und Fertigkeiten im Studium aufgebaut und erworben. Noch bis in die 1970er Jahre hinein bezog sich die Ausbildung im Wesentlichen auf den Einzelunterricht. Doch durch Veränderungen der Unterrichtswirklichkeit, die Öffnung der Musikschulen hin zur Elementaren Musik- und zur Seniorenpädagogik, aber auch durch kooperative Betreuung von Bläser-, Streicher- und Chorklassen in den allgemein bildenden Schulen entstand eine substanzielle Erweiterung des traditionellen Bildes der Instrumental- oder Gesangslehrer*innen.

So beziehen sich die im Studium zu erwerbenden Qualifikationen heute auf die Ausbildung von Amateuren aller Alters- und Entwicklungsstufen. Sie schließen die Frühförderung ebenso ein wie die vorberufliche Fachausbildung, sie umfassen vom Einzel- bis zum Großgruppenunterricht alle anerkannten Formen für den instrumentalen bzw. vokalen Bereich. Dieser Anspruch der Ausbildung erfordert die Vermittlung zusätzlicher Kenntnisse z. B. in den Bereichen Improvisation, Elementare Gehörbildung, Instrumentenkunde, Tanz und Bewegung bzw. szenisches Spiel sowie im elementaren Umgang mit der Stimme. Darüber hinaus sind, gerade auch im Hinblick auf die veränderten Berufsfelder, erweiterte musikwissenschaftliche, (musik-)pädagogische und psychologische Kompetenzen unabdingbar. An verschiedenen Studienstandorten ist die wissenschaftliche Arbeit an instrumental- und vokalpädagogischen Themen schwerpunktmäßig ausgebaut und somit der Weg zur wissenschaftlichen Qualifikation geöffnet (Promotionsmöglichkeit).

Abbildung 5
Abschlussprüfungen in Studiengängen für Musikberufe 2016
Abbildung: Abschlussprüfungen 2016
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Nicht zuletzt die pädagogisch-politischen Initiativen, die u. a. unter den Namen JeKi („Jedem Kind ein Instrument“), JeKits („Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“) oder JEKISS („Jedem Kind seine Stimme“) eine immer größere gesellschaftliche Bedeutung beanspruchen, sind nur dann zu bewältigen, wenn Instrumental- und Vokalpädagogen über eine erweiterte Kompetenz in der musikalischen Breitenbildung verfügen. Ähnliches gilt für die Kooperationsprojekte im Kontext von Bläser-, Streicher- und Chorklassen, die es inzwischen in allen Bundesländern und Schularten gibt. In ihnen unterrichten im Regelfall Musiklehrkräfte der allgemein bildenden Schulen und Instrumental- oder Gesangspädagogen gemeinsam. Für beide Studienrichtungen entstehen so neue Ausbildungsaufgaben, die sich aus der großen Zahl der unterschiedlichen Instrumente, der divergenten Motivationslagen sowie der Kleingruppen- und Großgruppenstruktur ergeben. Diese Aufgaben lassen sich – auf der Basis der Modulstruktur des Bachelor/Master-Systems – dann effizient lösen, wenn neue Vermittlungsformen der Curricula im Sinne des Probehandelns bereits frühzeitig bei der Konzeption praxisnaher und fächerübergreifender Veranstaltungen einbezogen werden.

An den deutschen Hochschulen absolvierten in den letzten sechs Jahren jeweils gut 600 Studierende erfolgreich ein instrumental- oder vokalpädagogisches (Erstfach-)Studium (vgl. Abbildung 5). Die insgesamt höher liegende Zahl der Abschlussprüfungen im Bereich der IGP resultiert u. a. daraus, dass Studierende, beispielsweise in den Studiengängen für Orchestermusik, mit dieser Prüfung ihre Berufsperspektiven erweitern, um in dem generell schwierigen Arbeitsmarkt für künstlerische Berufe auf benachbarte Tätigkeitsfelder ausweichen oder den ursprünglich angestrebten Beruf ergänzen zu können.

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Beleuchtetes quaderförmiges Gebäude des Dr. Hoch’s Konservatorium
Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main  
Foto:  Lutz Sternstein

Im Rahmen einer Tätigkeit an Musikschulen, in Kindertagesstätten, Grundschulen, Seniorenheimen oder Kirchengemeinden kommt der Elementaren Musikpädagogik (EMP) als einem weiteren Studiengang für die außerschulische Tätigkeit eine besondere Aufgabe zu. Elementare Musikpädagogik initiiert und fördert ein musikalisches „Lernen mit allen Sinnen“ vor allem in den Bereichen Singen, Bewegen, Musik hören, Improvisieren, szenisches Spiel, unabhängig vom jeweiligen Alter und Niveau der Teilnehmenden. [13] Aufgrund gesellschaftlich-kultureller Veränderungen ergeben sich gerade für die Absolventen des Studiengangs Elementare Musikpädagogik relevante Arbeitsfelder, die im Studium bereits vorbereitet werden müssen: der kulturelle Dialog in der Arbeit mit Kindern aus Migrationsfamilien, die sich überschneidenden Felder der einzelnen Fachrichtungen der Grund- und Förderschulen, die musikpädagogische Förderung und Fortbildung von Erzieher*innen, Grundschul- und Förderschullehrkräften für Musik u. a. In der Ausbildung bestehen bezogen auf diese Arbeitsbereiche jedoch noch Defizite, weil neben den musikalisch-fachlichen Ansprüchen weitere pädagogische Anforderungen hinzukommen, die bislang jedoch kaum aufgearbeitet wurden.

Neben den angedeuteten neuen Schwerpunktsetzungen innerhalb der bisherigen Ausbildungsstrukturen sind in den vergangenen Jahren aber auch zahlreiche spezifische Studienangebote entstanden, die – häufig als Masterstudiengänge – eigene Akzente setzen, z. B. im Bereich Musikvermittlung/Konzertpädagogik, im musiktherapeutischen Bereich oder in der Ausbildung für bestimmte Altersgruppen (Kinder- und Jugendchorleitung). Hier zeigt sich ein positiver Nutzen der Bachelor/Master-Studienstruktur, hier liegen die Chancen, in ausgewogener Balance zwischen künstlerischer und pädagogischer Orientierung gezielt und vertieft an berufsbildenden Qualifikationen zu arbeiten, die das traditionelle Verständnis der Instrumental- oder Gesangslehrer*innen weit überholen. Allerdings ergibt sich mit dem Abschluss des Studiums nicht automatisch eine direkte berufliche Tätigkeit im instrumental- oder vokalpädagogischen Bereich. Zudem sind Arbeitsbedingungen und Honorierung der nicht festangestellten Instrumental- und Vokallehrkräfte, z. B. aufgrund von Befristungen und der schwankenden Zahl von Unterrichtsstunden, immer wieder in der Diskussion. Interessenvertretungen und Gewerkschaften setzen sich für eine Verbesserung der Situation ein. Vor diesem Hintergrund wird man zukünftig nicht mehr von einem einheitlichen Bild von Instrumental- oder Vokalpädagogen sprechen können, sondern es ist von einem neuen Lehrertypus auszugehen, der auf unterschiedlichen Arbeitsfeldern auch mit verschiedenen Arbeitgebern zu tun hat. Gerade das Patchworkartige kann aber den Reiz dieses musikpädagogischen Arbeitens ausmachen.

Nimmt man alle genannten Aspekte einer Ausweitung des Berufsbilds zusammen, so ist damit zu rechnen, dass der Bedarf an breit ausgebildeten Instrumental- und Vokallehrkräften in den kommenden Jahren durchaus wachsen wird. Dabei sollten die öffentlichen und privaten Musikschulen weiter den Berufsmittelpunkt in Vielfalt garantieren. Die Kernaufgabe des traditionellen Instrumental- und Gesangsunterrichts wird damit aus Sicht des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) erhalten bleiben. Die künftigen Berufsperspektiven der Studierenden hängen deswegen unmittelbar von der Breite des Angebots der jeweiligen Hochschulen, Universitäten und Konservatorien, aber auch von der Offenheit der Studierenden selbst ab.

Ausblick

Trotz der intensiven, langjährigen und hoch qualifizierenden Ausbildung in den künstlerischen Bereichen sind die beruflichen Perspektiven in der Regel nur schwer kalkulierbar. Besonders der deutsche Arbeitsmarkt für Orchestermusiker*innen hat sich in den letzten ca. 20 Jahren signifikant verändert. Hierzu zählt vor allem der Rückgang von festen Arbeitsplätzen für Berufsmusiker*innen durch Orchesterauflösungen oder -fusionen um rund 20 Prozent seit 1992 (vgl. auch den Beitrag „Orchester, Rundfunkensembles und Opernchöre“ von Gerald Mertens). Ähnliche Tendenzen finden sich im Bereich des Musiktheaters und der professionellen Chöre. Zwar bietet der sogenannte freie Musikmarkt Chancen, in freier Mitgliedschaft in Ensembles zu musizieren bzw. diese aufzubauen und sich (z. T. mit speziellen Schwerpunkten wie der Alten oder der Neuen Musik) zu etablieren. Dies führt jedoch häufig zu Selbstständigkeiten und patchworkartigen Beschäftigungsverhältnissen, die existenzielle Bedarfe nur selten absichern. [14]

Eine junge Dirigentin
Foto:  Kai Bienert
Junger Dirigent steht vor Orchester in Kirchenraum
Förderung des dirigentischen Nachwuchses durch das Forum Dirigieren  
Foto:  Aldo Luud
Dozent erkärt einem jungen Dirigenten etwas am Dirigierpult vor Orchester
Foto:  Pedro Malinowski

Für die vermittelnden Musikberufe zeichnet sich ab, dass sich die Kooperationsnotwendigkeiten zwischen schulischer und außerschulischer Musikpädagogik in einem Großteil der Musikhochschulen und den entsprechenden Universitäten verstärken werden. Dies beginnt bei der Zusammenarbeit zwischen der Elementaren Musikpädagogik und der musikbezogenen Grundschulpädagogik und setzt sich in den Modulen fort, die sich auf die Bläser-, Streicher- und Chorklassen beziehen. Neben den gemeinsamen Modulen wird es verstärkt Schwerpunktbildungen innerhalb von Wahlpflichtbereichen geben, die zusätzliche Abschlüsse ermöglichen. Im Verbund damit haben sich z. B. zunehmend auch Arbeitsfelder im Senioren- und anderen sozialen Bereichen etabliert. Momentan arbeitet die Föderation musikpädagogischer Verbände Deutschlands an einem Gesamtplan Musikalische Bildung 2030, der Vernetzungsmöglichkeiten unterschiedlicher Anbieter musikalischer Bildung in einem neuen Konzept aufzeigt und insbesondere die Defizite in der Kita und in der Grundschule, aber auch im Nachmittagsband der Ganztagsschulen aufarbeitet. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass durch den eklatanten Engpass der Lehrer- wie speziell der Musiklehrer-Versorgung ein kontinuierlicher und aufbauender allgemeinbildender Musikunterricht an den Schulen in dramatischer Weise verhindert wird. Darauf wird auch die Ausbildung reagieren müssen. Als außerordentlich schwierig erweist es sich zudem, dass es momentan kaum ausreichende musikpädagogische Unterrichtskonzepte für die inzwischen bundesweit eingeführte Inklusion gibt, weil das sonderpädagogische Knowhow fehlt. Sie müssen erst noch entwickelt und in die Ausbildung implementiert werden.

Auch für Musikwissenschaftler*innen dürfte neben den „klassischen“ Arbeitsfeldern die Vermittlung im Bereich der Erwachsenenbildung und der Kulturprogramme für Senior*innen künftig an Bedeutung gewinnen. Nachdem die Ausbildung in den musikwissenschaftlichen Studiengängen in den letzten Jahren deutlich auf die Veränderungen der Gesellschaft und des Arbeitsmarkts reagiert hat, ist hier ebenso davon auszugehen, dass die Ausdifferenzierung und Erweiterung der Studieninhalte auch neue Arbeitsfelder auf den Gebieten Musikmanagement, Musikdokumentation und in den neuen Medien erschließen hilft (vgl. auch den Beitrag „Musikwissenschaft“ von Dörte Schmidt). Mehr denn je entscheiden allerdings Vielseitigkeit der Ausbildung, Sprach- und Vermittlungskompetenz, Leistungsbereitschaft und Flexibilität über die individuellen Berufschancen.

Hans Bäßler ist Professor für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg sowie Ehrenpräsident des Bundesverbands Musikunterricht.
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Ortwin Nimczik lehrt als Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der Hochschule für Musik Detmold. Er ist Ehrenpräsident des Bundesverbands Musikunterricht.
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Fußnoten

  1. Vgl. z. B. Walter Salmen: Beruf: Musiker. Verachtet – vergöttert – vermarktet. Eine Sozialgeschichte in Bildern, Kassel 1997.

  2. Für die Schulmusik wurde die Möglichkeit auch eines vierjährigen Bachelors eingeräumt. Eine bundeseinheitliche Regelung gibt es allerdings nicht.

  3. Das Land Baden-Württemberg hat im Rahmen einer „Zukunftskonferenz  Musikhochschulen“ im Jahr 2014 für seine fünf Institutionen besondere  Schwerpunkte festgesetzt. Ziel ist es, den Hochschulen besondere Akzente  zuzuweisen. S. dazu https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/hochschulen-studium/hochschullandschaft/hochschularten/kunst-und-musikhochschulen/zukunftskonferenz-musikhochschulen (Zugriff: 19. Oktober 2018).

  4. Vgl. Constanze Wimmer, Domen Fajfar: Opernstudios im deutschsprachigen Raum. Eine Bestandsaufnahme, hrsg. von der Körber-Stiftung, Hamburg 2017.

  5. Leo Kestenberg (1882–1962), Musikreferent im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, leitete zwischen 1920 und 1930 eine umfassende Reform der Musikerziehung ein, die von der Vorstellung einer nachhaltigen musikalischen Bildung vom Kindergarten über die Schule bis zur Hochschule im Verbund mit der volkstümlichen Musikpflege und allen professionellen Institutionen des Musiklebens getragen war.

  6. Vgl. Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 11.10.2018). Online unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_16-Fachprofile-Lehrerbildung.pdf (Zugriff: 19. Oktober 2018).

  7. In Förderschulen erhalten Kinder und Jugendliche, die in ihren Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten, z. B. durch körperliche Behinderungen, eingeschränkt sind, individuelle pädagogische Unterstützung. Aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Intensitäten in der Umsetzung inklusiver Bildungskonzeptionen in den einzelnen Bundesländern ist der Status der Förderschulen momentan sehr unterschiedlich.

  8. Von den Musikhochschulen in Deutschland bieten lediglich die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin, die Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf sowie die Musikhochschule in Nürnberg keine Ausbildung für Musiklehrer*innen an allgemeinbildenden Schulen an.

  9. Den Rahmen für die länderspezifischen Konkretionen liefert das KMK-Papier „Ländergemeinsame Anforderungen für die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die abschließende Staatsprüfung“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. Dezember 2012). Online unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_12_06-Vorbereitungsdienst.pdf (Zugriff: 19. November 2018).

  10. Diese Ausbildungsmöglichkeit wird in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie partiell in Baden-Württemberg angeboten. Die Absolvent*innen studieren kein zweites Unterrichtsfach, sondern erweitern in dem entsprechenden Umfang das Unterrichtsfach Musik.

  11. S. dazu die Karte „Ausbildungsstätten für Berufe in der außerschulischen musikalischen Bildung und Musiktherapie“ im miz-Musikatlas.

  12. Vgl. Lehrpläne des VdM, Kassel 1990ff., und Verband deutscher Musikschulen (VdM): Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/Grundstufe. Bonn 2010.

  13. Der Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/Grundstufe des Verbands deutscher Musikschulen (VdM), vgl. Anm. 12, entwickelt ein sehr präzises Bild dessen, was im Elementarbereich unbedingt notwendig ist. Dazu gehört wesentlich auch die Frage der Integration behinderter Menschen (Inklusion) sowie von Kindern mit Migrationshintergrund.

  14. Vgl. hierzu: Junge Deutsche Philharmonie (Hrsg.): Orchestermusiker/in der Zukunft. Studie Sommer/Herbst 2014, Frankfurt/Main 2015.