Was sagen Eltern, wenn ihr Kind Tuba spielen möchte? Die klassische Antwort lautet: „Mach nur, aber ich werde dir das Instrument bestimmt nicht durch die Gegend schleppen.“ Diese und andere Standardreaktionen kennt Emma Geser, Tubalehrerin im Allgäu, auswendig. Das war schon in ihrer eigenen Kindheit so. Zunächst hatte sie platzsparend mit der Geige begonnen, doch dann spielte ihre Schwester im Posaunenchor, und sie verliebte sich in die Tuba mit ihrem sonoren, kraftvollen, doch gleichzeitig so samtigen Ton. Seit sie zehn ist, gehört das tiefe Blechblasinstrument zu ihren treuen Lebensbegleitern, und die stolzen sieben Kilogramm, die es bereits in der Einsteigervariante auf die Waage bringt, händelte sie entgegen der elterlichen Befürchtung mit links. Die Anschaffungskosten – bei einem Anfängerinstrument liegen sie, sofern es nicht gemietet ist, bei durchschnittlich 1.000 bis 3.000 Euro – waren in Emmas Fall gut angelegt, da sie Ehrgeiz entwickelte, Mitglied in verschiedenen Brass Bands wurde und dafür mindestens zwei Stunden Übezeit pro Tag investierte. Selbst als die Familie vom Allgäu in die Nähe von Hamburg zog, tat das der Leidenschaft keinen Abbruch. Irgendwann fasste Emma Geser sogar den Entschluss, die Tuba zum Beruf zu machen. Wieder ins Allgäu zurückgekehrt, bereitete sie sich auf ihre Aufnahmeprüfung am damaligen Landeskonservatorium im österreichischen Feldkirch vor, heute die Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik.
„Als ich mit dem Studieren anfing, sagte mir mein Professor, ich wäre die allererste Frau in seiner Klasse.“
Studium in einer Männerwelt
Schon im Studium ahnte Emma Geser, dass sie als weibliche Tuba-Lehrkraft später einmal in der Minderheit sein würde. „Wenn man sich so umschaut, wird die professionelle Tubawelt eindeutig von Männern dominiert“, sagt sie, und der Blick in Sinfonieorchester, Sinfonische Blasorchester und Heeresmusikkorps der Bundeswehr scheint ihr recht zu geben. „Als ich mit dem Studieren anfing, sagte mir mein Professor, ich wäre die allererste Frau in seiner Klasse“, erinnert sich Geser – Exotin in einem ohnehin exotischen Studiengang, den sie sich mit rund fünf weiteren Studierenden teilte. Andererseits bot ihr die Hochschulzeit viele Freiräume, und sie begann, verschiedene Tätigkeitsfelder auszuprobieren und sich intensiv mit ihrer beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen. „Natürlich habe ich auch zwischenzeitlich an eine Stelle im Orchester gedacht und vermehrt an Meisterkursen und Wettbewerben teilgenommen“, sagt sie, „aber auch wenn es nicht sehr viele Studierende in diesem Bereich gibt: Die freien Stellen für Tubisten sind noch rarer, und es wird gnadenlos gesiebt.“
Instrumentalpädagogin mit vielen beruflichen Facetten
Unabhängig davon hatte Emma Geser früh ihre pädagogische Berufung gefunden. Bereits im zweiten Jahr ihres Studiums gab sie ihren ersten privaten Unterricht, und noch ein Jahr vor ihrem Hochschulabschluss hielt sie einen festen Arbeitsvertrag mit der Sing- und Musikschule der Stadt Memmingen in Händen. „Ich hatte wirklich Glück“, erinnert sich Geser, „denn kurz nachdem ich unterschrieben hatte, im Januar 2020, brach die Coronapandemie aus.“ Eine harte Zeit für freiberufliche Musiker:innen und Instrumentalpädagog:innen. Heute gesellen sich zu Gesers Engagement in Memmingen drei weitere Teilzeitstellen in der Umgebung: eine an der Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu als Elementarpädagogin, eine als Dirigentin der Oberstufenkapelle Deuchelried und eine an ihrem Wohnsitz Leutkirch, wo sie seit 2023 das Amt der Stadtmusikdirektorin ausübt; hier ist sie u. a. für die Leitung der Stadtkapelle und des angeschlossenen Jugendblasorchesters zuständig.
Dass sich das Berufsbild einer Instrumentalpädagogin aus mehreren Facetten zusammensetzt, ist übrigens nichts Ungewöhnliches. Weniger selbstverständlich ist, dass Emma Geser in Memmingen eine reine Tubaklasse unterrichten kann; anscheinend ist die Nachfrage hier im Vergleich zu anderen Musikschulen besonders groß: „Meist wird das Fach mit anderen Instrumenten wie Euphonium, Tenorhorn oder Posaune unter der Bezeichnung ‚tiefes Blech‘ zusammengelegt.“
Rätselhafterweise kann es die Tuba laut offizieller Zahlen des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) in Sachen Beliebtheit nicht mit anderen Blechblasinstrumenten aufnehmen: 1.718 Schüler:innen zählt das Statistische Jahrbuch 2023 im Vergleich zu 25.739 Schüler:innen im Fach Trompete, 9.684 an der Posaune und immerhin 6.295 am Horn. Die bundesdeutschen Spitzenreiter sind übrigens nicht in der blasmusikaffinen Alpenregion zu finden: Vielmehr handelt es sich um die Musikschule in Monheim am Rhein (mit derzeit 37 Schüler:innen), das Peter-Cornelius-Konservatorium in Mainz (31) und die Musikschule Marburg (30). Emma Geser selbst unterrichtet derzeit neun Schülerinnen und Schüler, einen davon privat.
Abschied vom Mythos Männerinstrument
Vom Männerüberschuss, den sie in ihrer eigenen Ausbildung erlebte, kann sie aus der Warte der Lehrerin nicht berichten. Im Gegenteil: Sechs Schülerinnen stehen nur drei Schüler gegenüber. Zufall oder Trendwende? „Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich denke, es liegt immer daran, welche Vorbilder man hat.“ Sie persönlich habe es als Kind sehr inspirierend gefunden, als sie bei einem Konzert der Stadtkapelle Wasserburg am Inn zum ersten Mal eine Frau an der Tuba sah; und vielleicht ginge es anderen bei ihren eigenen Auftritten auch so. „Das ist wie bei Dirigentinnen, von denen man immer dachte, es gäbe sie nicht – und heute werden es immer mehr!“, sagt Emma Geser.
Überhaupt lässt sich der Mythos vom großen, schweren Männerinstrument bei näherer Betrachtung kaum aufrechterhalten. Wie bei Streichinstrumenten, wo es neben normalgroßen auch Viertel-, halbe und Dreiviertel-Ausführungen gibt, werden speziell für besonders junge Spieler:innen auch handlichere Tubamodelle hergestellt. „Die Kindertuba ist zwar insgesamt nicht unbedingt kleiner, aber die Mensurierung ist angepasst, so dass die Griffe auch von Kinderhänden ausgeführt werden können.“ Sie sind für Mädchen genauso geeignet wie für Jungen, für alle, die es bereits im Kinderalter an die Tuba drängt. Manche Lehrer:innen empfehlen auch, zunächst auf dem weniger großen Euphonium oder dem Tenorhorn abzuwarten, bis der nächste Wachstumsschub einsetzt. Aber Emma Geser weiß: Wer Tuba spielen will, lässt sich nicht mit einem ihrer kleineren Geschwister abspeisen. Und wenn die kindlichen Kräfte tatsächlich noch nicht ausreichen sollten, gibt es spezielle Spielständer, auf denen das Instrument aufliegen kann.
Apropos kleine Geschwister: Gibt es so etwas wie ein Mindestalter für angehende Tubist:innen? „Das kann man so pauschal nicht sagen“, sagt Emma Geser. „Das Einzige, was ich voraussetzen würde, ist, dass die Schneidezähne schon fertig ausgebildet sind.“ Vom Tubaspielen mit Milchzählen rät sie ab. „Wer es nicht erwarten kann, soll einfach schon mal auf einem Plastikmundstück üben, und wenn die Zähne dann da sind, kann der Unterricht beginnen.“ Emma Gesers jüngster Schüler ist sieben Jahre alt. Daneben unterrichtet sie auch ältere Kinder und Jugendliche, und sogar eine erwachsene Spielerin gehört zu ihrem Schülerkreis. Die Ausbildung ist mindestens so abwechslungsreich wie die auf anderen Blechblasinstrumenten und beginnt wie überall mit der Suche nach dem Grundton. „Da vergeht schon einige Zeit“, sagt Emma Geser, „doch wenn man ihn gefunden hat, geht es schnell voran.“ Aus einem Ton werden fünf und bald ein ganzes Stück. Wer im September bei ihr anfange, sei spätestens an Weihnachten in der Lage, die Verwandtschaft mit einem Weihnachtslied zu erfreuen.
Für Elise und Cancan
Die Lehrmethode, nach der sie unterrichtet, hat sie sich selbst erarbeitet und wendet sie individuell nach den Bedürfnissen der Schüler:innen an. Darüber hinaus ist sie froh, dass es mit dem „Tuba Fuchs“ (Stefan Dünser, Werner Kreidl) auch mittlerweile ein ebenso durchdachtes wie ansprechendes Lehrwerk für Anfänger:innen auf dem Instrument gibt. Da die Originalliteratur für Tuba vergleichsweise schmal ist und sich bekannte Stücke wie das Solokonzert von Vaughan Williams oder Hindemiths Tuba-Sonate eigentlich nur an Profis richten, greift sie im Unterricht oft auf Bearbeitungen zurück. „Der Geschmack meiner Schülerinnen und Schüler ist sehr vielseitig, und Gott sei Dank gibt es immer mehr Literatur auf dem Markt“, berichtet sie. Manchmal bringen die Schüler:innen von sich aus neue Noten mit in den Unterricht – und wenn einmal kein fertiges Notenmaterial zur Verfügung steht, wird Emma Geser selbst zur Arrangeurin, bringt die Instrumente ihrer Schüler:innen zum Schwelgen und zum Tanzen. „Ich habe schon alles Mögliche umgeschrieben, von ‚Für Elise‘ bis zu Offenbachs Cancan“, sagt sie und lacht. Wer noch nach einem Beweis für die Vielseitigkeit des Tuba-Lehrerinnenberufs suchte: Voilà, da ist er.