Bruckner, Wagner, Mahler: Überall wo’s laut wird, ist die Blechbläserfraktion in ihrem Element. Auch Carola Beukenbusch kann ihre Vorliebe für die Heavy-Metal-Komponisten der Musikgeschichte nicht verhehlen – und wenn sie ehrlich ist, gehören sie zu den Hauptgründen, warum sie als junge Musikerin eine Orchesterkarriere anstrebte. „Schon im Studium hatte ich die Möglichkeit, im Orchesterzentrum|NRW sämtliche Bruckner-Sinfonien im Satz zu spielen – ich an der B-Tuba, neben mir die Posaunen, Hörner und Trompeten. Das war Wahnsinn!“ Wie man pralle Spätromantik im Konzert zur Geltung bringt, wusste sie vermutlich besser als all die ewig gleichen jungen Männer, denen sie Anfang der 2000er-Jahre bei Orchesterprobespielen immer wieder über den Weg lief. „Tuba-Stellen sind rar, aber damals war eine große Pensionierungswelle in deutschsprachigen Orchestern und es gab zahlreiche Ausschreibungen“, erinnert sich Beukenbusch, „wir tingelten von Ort zu Ort, an manche auch mehrmals, weil es für einige Orchester anscheinend ein Sport war, Stellen immer wieder neu auszuschreiben und am Ende doch nicht zu besetzen.“
Steinzeitliche Vorbehalte
Auf ihrem Wanderleben machte Carola Beukenbusch gute, aber auch weniger gute Erfahrungen. „Sind Sie die Klavierbegleitung?“ oder „Wessen Instrument haben Sie da bei sich?“ gehören zu den Fragen, die sie häufiger zu hören bekam. Auch kam es vor, dass sie als „Carl Beukenbusch“ aufgerufen wurde, weil man von einem Tippfehler auf der Liste ausging. Heute kann sie darüber lachen, auch wenn sie damals, wie sie sagt, manchen Kloß zu schlucken hatte. „Eine Frau an der Tuba, das gab es schlichtweg nicht“, sagt sie und erinnert sich an eine Liste steinzeitartiger Vorbehalten, die ihr – von allgemeinen physiognomischen Unterschieden der Geschlechter bis hin zur Sorge, ob sie als Frau über das geforderte Lungenvolumen verfüge – entgegengehalten wurden. Dass sie diese durch ihre im Eiltempo und mit Bestnoten absolvierte Ausbildung, diverse Wettbewerbserfolge und die Aufnahme ins damals neu gegründete Orchesterzentrum an sich schon widerlegt hatte, kam durchaus nicht jedem in den Sinn.
„‚Sei doch mal realistisch: Du bist eine Frau‘, wurde mir von allen Seiten gesagt.“
Selbst nachdem Carola Beukenbusch, als erste weibliche Tuba-Studierende in der Geschichte des Elite-Nachwuchsorchesters, Aufnahme in die Junge Deutsche Philharmonie gefunden hatte, musste sie manchen schiefen Blick und manchen dummen Spruch über sich ergehen lassen. Dass die Kollegen des Blechbläsersatzes sie selbst in das Orchester gewählt hatten, sie also ausdrücklich in ihren Reihen haben wollten, schien für Außenstehende keine Rolle zu spielen. Frauen an Geige, Flöte und Harfe? Kein Problem. Frauen an Kontrabass, Pauke oder Tuba? Selbst an einem scheinbar so aufgeklärten Ort wie dem Orchester herrschten hierzu um 2000 kaum progressivere Vorstellungen als 100 Jahre zuvor. „‚Sei doch mal realistisch: Du bist eine Frau‘, wurde mir von allen Seiten gesagt“, erinnert sich, „auch von Gleichaltrigen und übrigens auch von anderen Frauen.“ Als „konstruktiver“ Vorschlag schloss sich meist die Empfehlung an, auf das Fach Schulmusik umzusatteln und Musiklehrerin zu werden. „Ich habe mich überall gesehen, nur nicht an einer allgemeinbildenden Schule.“ Umso dankbarer ist sie noch heute ihrem damaligen Tuba-Professor Ulrich Haas, von dem sie Sprüche wie diesen nie zu hören bekam. Im Gegenteil unterstützte er sie, wo er konnte, mit Wort und Tat.
Exotin an der Musikhochschule
„An der Musikhochschule wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich eine Exotin war“, sagt Carola Beukenbusch. Tatsächlich traf sie als einzige Tubastudentin an der Folkwang Universität der Künste Essen – damals Folkwang Hochschule – ausschließlich auf männliche Kommilitonen: ein Phänomen, dass sich bei Meisterkursen und Wettbewerben fortsetzte. „Das war ziemlich extrem, aber am Ende hat es mich ja nicht gebremst“, sagt sie. Neben Begabung und Fleiß kommt es beim Musikerberuf eben auch auf Selbstbewusstsein an. Den Übergang vom Instrumentalpädagogik-Studium ins Orchesterfach meisterte sie mit Bravour, ebenso das Examen – und Vorurteil hin, Vorurteil her: Heute ist sich Carola Beukenbusch sicher, dass es eines Tages auch mit der angestrebten Orchesterstelle geklappt hätte. „Ich wurde häufig eingeladen zu Probespielen, und wenn ich einmal da war, habe ich es meist in die weiteren Runden geschafft“, sagt sie. „Nur eine Sache fehlte mir: die 100-prozentige Überzeugung, dass das Orchester auch tatsächlich das Richtig für mich ist.“
Freilich, die Sicherheit eines festen und regelmäßigen Gehalts sei nicht zu verachten, sagt sie. „Ich spiele auch gern Sachen ein zweites Mal, wie es beispielsweise in Opernorchestern üblich ist, wo alle paar Jahre wieder dieselben Stücke ins Programm genommen werden.“ Auf Dauer aber befürchtete sie, in eine Tretmühle mit viel Routine und wenig Abwechslung hineinzugeraten; zumal sie schon während ihres Studiums erleben konnte, wie vielfältig der Tubistinnen-Beruf abseits des Orchestergrabens sein kann. Schon früh zeichneten sich die Felder ab, aus denen sich Beukenbuschs Tätigkeit mittlerweile zusammensetzt. „Ich hatte bereits im Salonorchester gespielt, aber auch mit Posaunenchören zusammengearbeitet. In dieser Zeit war ich auch häufig als Musikerin auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs und konnte, für gutes Geld, die Welt bereisen“, erinnert sie sich. „Als Orchestermusikerin hätte ich vielleicht noch ein paar Unterrichtsstunden einschieben können, aber alle anderen Aktivitäten wären aus Zeitgründen nicht möglich gewesen.“ Was viele vergessen: Neben Proben und Diensten müssen Orchestermusiker:innen eine nicht geringe Zeitspanne am Tag zum Üben aufwenden, um sich auf ihrem Instrument fit zu halten.
Von Damenband bis Traumschiff
Ihre Erfüllung hat Carola Beukenbusch heute in einer Art „Best-of Tuba“ gefunden. Mit „Women in Brass“ tourte sie durch die halbe Welt, ließ mit dem Kölner Salonorchester Madämchen die Tradition der „Damenkapelle“ wieder aufleben, und auch mit ihrer aktuellen Band „Cherry on the Cake“ präsentiert sie erfolgreich „gehobene Unterhaltungsmusik in möglichst virtuoser Form“. Eine weitere Säule ist das Unterrichten. 15 Schüler:innen (und ein „halber“, der nur im Bedarfsfall zum Unterricht kommt) hat Beukenbusch derzeit auf ihrer Liste, zehn davon als Honorarkraft an der Musikschule Wermelskirchen. Darüber hinaus leitet sie einen Posaunenchor, den sie selbst als „kirchliches Blasorchester“ bezeichnet, „da wir nicht nur Gottesdienste, sondern auch Schützenfeste und ähnliches beschallen.“ Hinzu kommen zwei Bläserklassen an einer Grundschule, eine Kooperation mit dem Landesmusikrat NRW, für den Beukenbusch als Coach mit der Jungen Bläserphilharmonie und der Bläserensemble zusammenarbeitet; und als Bonbon mit Urlaubs-Feeling regelmäßige Engagements bei Kreuzfahrten, wie schon in früheren Jahren. Erst vor kurzem schipperte sie im Duo mit einer Saxofon-Kollegin auf dem „Traumschiff“ durch die Karibik. „Man sollte schon gut organisiert sein“, sagt sie, „aber ich könnt mir mein Leben nicht schöner vorstellen.“
Freiberufliche Orchesterstelle
Selbst in Sachen Heavy-Metal-Sinfonik muss Carola Beukenbusch in ihrem Berufsleben keine Abstriche machen, denn eine „feste“, wenn auch freiberufliche Orchesterstelle hat sie bereits 2005 in der Deutschen Philharmonie Merck gefunden, dem renommierten Sinfonieorchester des gleichnamigen Darmstädter Pharmaunternehmens. Die flexible und projektbezogene Organisation des Klangkörpers gibt ihr Gelegenheit zur Vorausplanung. So lassen sich Orchesterdienst und andere Aktivitäten gut miteinander vereinbaren. Ein weiterer Vorteil: „Anders als bei den öffentlich finanzierten Orchestern hat es in der freien Szene meiner Empfindung nach nie jemanden irritiert, dass ich als Frau Tuba spiele“, sagt sie. Doch auch anderenorts, meint sie, sei in den vergangenen Jahren Bewegung ins Thema gekommen. Selbst in der Orchesterlandschaft. Und auch wenn die Statistik hier noch immer eine ernüchternde Sprache spricht – von 105 Tubastellen in den 129 öffentlich finanzierten Berufsorchestern in Deutschland sind derzeit nur zwei (!) mit einer Frau besetzt – ist Carola Beukenbusch doch davon überzeugt, dass sich das in absehbarer Zeit deutlich ändern wird.
„Tubastellen können ja nur besetzt werden, wenn sie frei sind“, sagt sie, „doch die nächste Pensionierungswelle lässt nicht mehr lange auf sich warten.“ Wer dann bereitstehen wird, ist der Nachwuchs, der sich derzeit noch im Studium befindet. „Und hier sehen wir in den letzten Dekaden deutliche Veränderungen. Im Fach Tuba haben wir an deutschen Hochschulen ein Männer-Frauen-Verhältnis unter den Studierenden von etwa 50:50. Wie sich das in der Orchesterstatistik ausschlagen wird, werden wir sehen,“ sagt Carola Beukenbusch, die darüber hinaus ein generell gesteigertes Interesse von Mädchen an der Tuba beobachtet hat und selbst eine Schülerin hat, die eine professionelle Karriere auf dem Instrument anstrebt. Jedenfalls freut sich schon darauf, in fünf oder sechs Jahren immer mehr Orchesterkonzerte mit Frauen an der Tuba zu erleben. „Ich bin mir sicher, dass es so kommen wird.“