Heeresmusikkorps Hannover
Heeresmusikkorps Hannover  
Foto:  Stefan Müller  /  Bundeswehr

Seit ihrer Erfindung Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich die Tuba als Stütze der Militärmusik bewährt. Wer hier nur an Marschmusik denkt, dürfte mit der heutigen Vielfalt des Genres allerdings kaum vertraut sein. Der Tubist Marcus Müller ist seit vielen Jahren Angehöriger im Heeresmusikkorps Hannover – und freut sich hier als einer unter 50 Feldwebeln über ein abwechslungsreiches Musikerleben.

Vorbilder in der Familie können die Berufswahl vereinfachen. Als Marcus Müller 1993 seinen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr antrat, hatte er seine Tuba im Gepäck: das Instrument, das er als Kind an der Musikschule lernte, an der sein Vater das Orchester leitete. Müllers Vater wiederum hatte, wie schon der Großvater, als Posaunist im Marinemusikkorps gespielt, und so lag der Gedanke für ihn nicht fern, den familiären Militärmusikfaden wieder aufzunehmen. Nach erfolgreichem Vorspiel und der obligatorischen Grundausbildung verbrachte Marcus Müller den Hauptteil seiner zweijährigen Dienstzeit beim Marinemusikkorps in Kiel. „Währenddessen konnte ich mir eine berufliche Zukunft bei der Bundeswehr immer besser vorstellen, und so habe ich dann den normalen Ausbildungsweg eingeschlagen“, sagt Müller, der heute das Heeresmusikkorps Hannover mit sonoren Basstönen unterstützt. Ein anspruchsvoller Job, der neben Können auch Disziplin und Durchhaltevermögen erfordert, aber auch ein erfüllender und abwechslungsreicher mit krisensicherer Perspektive. Nicht zuletzt mit Blick auf die vielen hochqualifizierten Musiker, die sich nach ihrem Studium in unsicheren Arbeitsverhältnissen wiederfinden, hat Marcus Müller seine Entscheidung bis heute nicht bereut.

Musikstudium in Uniform

Neben dem Heeresmusikkorps in Hannover unterhält die Bundeswehr 14 weitere Orchester im gesamten Bundesgebiet, die nach den drei traditionellen Uniformen von Heer, Luftwaffe und Marine benannt sind, darunter auch Spezialensembles wie das „vom roten Teppich“ bekannte Stabsmusikkorps der Bundeswehr in Berlin oder die Big Band der Bundeswehr mit Sitz in Euskirchen. Insgesamt rund 700 professionelle Musikerstellen gibt es bei der Bundeswehr, 53 davon für Tubist:innen. Wer dabei sein möchte und noch kein Musikstudium absolviert hat, muss, wie Marcus Müller, zunächst zum „Musikstudium in Uniform“, das über das Ausbildungsmusikkorps im nordrhein-westfälischen Hilden führt. Nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung geht es hier im ersten Jahr nicht nur darum, die mitgebrachten instrumentalen Fähigkeiten auszubauen.

Hauptmann Jürgen Albrecht vom Zentrum Militärmusik der Bundeswehr in Bonn erläutert: „Im Ausbildungsmusikkorps arbeiten wir mit Professoren und Dozenten der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf zusammen. Gleichzeitig mit der klassischen Instrumentalausbildung und weiteren fachspezifischen Lehrgängen findet hier die militärmusikalische Ausbildung statt.“  Auch wenn sie später häufiger ihr Instrument in der Hand halten als das Gewehr: Militärmusiker:innen sind Soldat:innen, und als solche erhalten sie die gleiche Grundausbildung wie ihre Kamerad:innen im Sanitätsdienst, für den sie im Verteidigungsfall auch herangezogen werden.

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Ein weiterer Schwerpunkt der Vorbereitung auf das Studium ist der Unterricht in Klavier und Musiktheorie, unerlässlich für den nächsten Schritt im Curriculum: die Aufnahmeprüfung an der Düsseldorfer Musikhochschule, die bereits seit 1976 mit der Bundeswehr kooperiert. Das Instrumentalstudium, das die angehenden Militärmusiker:innen hier absolvieren, unterscheidet sich nicht von dem für angehende Orchestermusiker:innen im zivilen Bereich. Vier Jahre sind hierfür vorgesehen, und üblicherweise streben die Absolvent:innen einen Bachelor-Abschluss an. Aufgrund von laufbahnrechtlichen Regelungen gilt dieser aber nicht als Voraussetzung, um in einem Musikkorps eine Stelle zu bekommen und später auch Berufssoldat zu werden. Dafür legen alle Absolvent:innen am Ende der gut fünfjährigen Ausbildung eine Prüfung zum Feldwebel im Militärmusikdienst ab. Im Fall von Marcus Müller war die Ausbildung zum Militärmusiker noch anders organisiert. „Ich hatte damals schon mein Vordiplom in der Tasche“, erinnert er sich. Die Hochschule hatte er noch vor der großen Studienreform besucht und damit etwas Vergleichbares zum heutigen Bachelor in Händen gehalten. „Dennoch habe ich aus eigenem Antrieb auch mein Diplom gemacht.“ Zwei weitere Studienjahre also während seines Dienstes in Hannover und damit zwei Jahr Pendelei zwischen den Landeshauptstädten Niedersachsens und NRWs. Der persönliche Aufwand und die Unterstützung seines Arbeitgebers, wenn Müller wegen seines Unterrichts wieder einmal früher die Orchesterprobe verlassen musste, haben sich für beide Seiten bezahlt gemacht. „Wer Musik macht, hat von sich aus schon einen großen Hang zu Vervollkommnung“, sagt Hauptmann Albrecht, „und das kommt natürlich – wie man hören kann – auch unseren Orchestern zugute.“

„Ein Musikkorps ist strukturell ein Unikum in der Bundeswehr.“
Autor
Hauptmann Jürgen Albrecht, Zentrum Militärmusik der Bundeswehr in Bonn

Ein Leiter und 50 Feldwebel

„So ein Musikkorps ist strukturell ein Unikum in der Bundeswehr: Es gibt einen Leiter und einen Stellvertreter im Offiziersrang und 50 Feldwebel“, erläutert Jürgen Albrecht. Die Orchestermusiker:innen durchlaufen als Berufssoldat:innen ihre Laufbahn bis zum Stabsfeldwebel, drei Dienstposten in jedem Musikkorps bis zum Oberstabsfeldwebel. Besonders qualifizierte Musiker:innen können sich für eine Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes bewerben und stellvertretende Leitungspositionen erhalten oder in der Organisation bzw. Ausbildung des Militärmusikdienstes mitwirken. Sieht man von Spitzenklangkörpern wie z. B. den Berliner Philharmonikern ab, ist die durchschnittliche Besoldung als Militärmusiker:in im Vergleich zu den Verdienstmöglichkeiten anderer Berufsorchester sehr gut. Zudem hat man durch die Truppenzugehörigkeit im Ausbildungsmusikkorps bereits zu Beginn eine feste Job-Garantie für die nächsten 13 Jahre, was sich in den meisten Fällen im Status eines Berufssoldaten/einer Berufssoldatin bis ins Pensionsalter verlängern lässt. Diejenigen, die dies nicht werden können oder wollen, haben die Möglichkeit, eine Umschulung zu machen und als Soldat:in in einem anderen Bereich der Bundeswehr eingesetzt zu werden.

Für Marcus Müller wäre das freilich keine Option. Gemeinsam mit seinen Kamerad:innen genießt er den abwechslungsreichen Mix, der seine Arbeitstage bestimmt, aufgeteilt auf grundsätzlich 41 Wochenstunden. Die Orchesterproben finden üblicherweise am Vormittag statt, am Nachmittag wird geübt, um sich auf dem Instrument fit zu halten. Auch Formaldienst, das Üben bestimmter Marschaufstellungen, Auf- und Abgänge und das richtige Tragen und Halten des Instruments, gehört zum regelmäßigen Training. Alle Militärmusiker*innen tragen in einem Nebenamt zur Organisation und Verwaltung der Dienststelle bei. Auch Sport und Schießtraining stehen je nach Vorgabe auf dem Dienstplan. Schließlich soll das Heeresmusikkorps nicht nur akustisch, sondern auch optisch eine gute Figur machen und die militärischen Grundfähigkeiten trainieren. Das musikalische Pensum ist nicht unerheblich, die Aufgaben sind mannigfaltig und die Einsatzgebiete groß. Rund 170 Auftritte sind es im Jahr, die das Heeresmusikkorps Hannover zu bewältigen hat. In den anderen Musikkorps sieht es ähnlich aus. Etwa 2.000 Auftritte sind es in der gesamten Militärmusik pro Jahr. „Allerdings läuft dabei nicht immer das gesamte Orchester auf“, erklärt Jürgen Albrecht. „Es gibt in jedem Korps verschieden Besetzungen und Ensembles, etwa in Quartett- oder Quintett-Besetzung, manchmal nehmen die Kamerad:innen auch solistische Aufgaben wahr.“

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Foto:  Stefan Müller  /  Bundeswehr
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Von Gelöbnissen bis zum Großen Zapfenstreich

Als Teil der Streitkräfte spielen die Musikkorps vor allem für die Bundeswehr, sei es bei Gelöbnissen oder anderen zeremoniellen Veranstaltungen bis hin zu Militärgottesdiensten oder Begräbnissen ehemaliger Angehöriger. Große Popularität genießen die Auftritte bei protokollarischen Ereignissen wie dem Großen Zapfenstreich oder Staatsbesuchen: Gelegenheiten, bei denen man zumeist das Stabsmusikkorps aus Berlin in Aktion bewundern kann. Doch sind die Militärmusiker:innen häufig auch auf zivilen Konzertbühnen im Rahmen von öffentlichen Benefizkonzerten zu erleben. „Sinfonische Blasmusik gehört bei uns zum Hauptrepertoire“, sagt Marcus Müller, „und das Schöne ist, dass wir dabei selbst oft die Möglichkeit haben, uns solistisch zu beweisen und zu zeigen, was wir so drauf haben auf unserem Instrument.“ Er selbst hat schon mehrfach, begleitet von seinen Kamerad:innen, als Solist bei Konzerten glänzen können; als Tubist in einem Opernorchester hätte er diese Möglichkeit vermutlich nie.

Auch das Reisen erhöht für viele die Attraktivität des Berufs. Da die Auftritte des Heeresmusikkorps Hannover nicht nur am Standort und in der Umgebung stattfinden, kann es, je nachdem, woher Anfragen von Bundeswehr- oder ziviler Veranstalterseite kommen, auch schon mal in die Ferne gehen. Beliebt etwa sind Militärmusik-Feste und -Shows in anderen Ländern. Regelmäßig sind die Musiker:innen auch zu Besuch bei Truppen im Auslandseinsatz. Und auch wenn sich Termine manchmal knubbeln, können sich die Musiker:innen des Heeresmusikkorps darauf verlassen, dass das Ganze nicht in Unzumutbarkeit ausartet. Planbarkeit ist nicht die schlechteste Voraussetzung für eine Musikkarriere. Marcus Müller jedenfalls würde sich heute noch einmal genau so entscheiden wie vor 30 Jahren. Und auch Hauptmann Jürgen Albrecht möchte angehende Musiker:innen dazu ermuntern, sich beispielweise im Rahmen des freiwilligen Wehrdienstes bei der Bundeswehr zu bewerben – besonders junge Tuba-Spieler:innen, aber auch alle anderen Instrumente des Sinfonischen Blasorchesters und Quereinsteiger:innen, die nicht von Anfang an mit den spezifischen Anforderungen der Militärmusik vertraut gemacht wurden, seien herzlich willkommen. Sein Credo: „Wir bieten jedem Musiktalent die besten Voraussetzungen für das Musikstudium in Uniform und die berufliche Perspektive.“

Über den Autor

Stephan Schwarz-Peters arbeitet als freischaffender Journalist und Redakteur u. a. für das Tonhalle Magazin, die Philharmonie Köln sowie die Magazine Rondo und Oper!